Wenn sich die Blätter an den Bäumen verfärben, wird es auch auf den Kinoleinwänden in Bern bunt. Das LGBTIAQ+ Filmfestival QUEERSICHT ist da! Gezeigt werden 37 Spiel- und Dokumentarfilme, 24 Kurzfilme und 4 etwas längere Kurzfilme in 6 Kinos. Diesjähriges Schwerpunktthema: Intergeschlechtlichkeit.
In einer Welt, in der queere Menschen noch immer marginalisiert, unsichtbar gemacht und angegriffen werden, ist QUEERSICHT ein Ort der Hoffnung und des Widerstands. Das QUEERSICHT-Organisationsteam sieht ihr Filmfestival als ein kraftvolles Manifest, eine politische Botschaft und ein Aufruf zur Solidarität. Das Festival soll uns in unserer Bubble der queeren Glückseligkeit jedoch auch aufrütteln, denn unsere Rechte sind weder selbstverständlich noch sicher. Aktuell kann überall auf der Welt beobachtet werden, wie das Pendel zurückschwingt.
Unsere Lebensrealitäten und Fantasien, von damals wie von heute, versucht das Festival mit Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen einzufangen. Zwar hat die Programmgruppe von Queersicht viele Filme ausgewählt, die bereits bei UNCUT oder im regulären Kinoprogramm zu sehen waren und die wir auf bern*lgbt bereits vorgestellte haben. Weiter unten findet du Links zu den Filmen inklusive Trailer. Doch sind im Festivalprogramm auch ein paar Berner Premieren und Perlen dabei, die mensch nicht verpassen sollten.
Schwerpunktthema Intergeschlechtlichkeit
Eröffnet wird das Festival mit dem Film «Rosalie», der das Schwerpunktthema Intergeschlechtlichkeit setzt – ein Thema, das in unserer Gesellschaft nach wie vor tabuisiert und verdrängt wird. Im Film von Stéphanie Di Giusto geht es um eine Frau im Frankreich des 19. Jahrhunderts, deren Gesicht und Körper von Geburt an stark behaart sind. Aus Angst vor Ablehnung muss sie sich immerzu rasieren – bis zu dem Tag, an dem Abel sie wegen ihrer Mitgift heiratet, ohne ihr Geheimnis zu kennen. Doch Rosalie will als Frau angesehen werden, trotz ihrer Besonderheit, die sie nicht länger verbergen will. Wird Abel in der Lage sein, sie zu lieben, wenn er die Wahrheit herausfindet?
Weiter Film dies sich mit Intergeschlechtlichkeit befassen sind «Fitting In» und «We have never been modern» sowie die drei Dokumentarfilme «She They Us», «Who am I not» und «Every Body». Am Sonntag findet nach der Vorführung von «Every Body» eine Podiumsdiskussion mit Vertretungen von InterAction Schweiz statt. Dies ist eine Gelegenheit, aktiv in den Dialog zu treten, Fragen zu stellen und Solidarität zu zeigen.
Im queeren Buchstabenwurm ist das «A» ein stiller und wenig bekannter Buchstabe. Er steht für asexuell. Dieses Jahr wird er mit «Slow» im Programm sichtbar. Der Film der litauischen Regisseurin Marija Kavtaradze erzählt die Geschichte des asexuellen Dovydas und der Tanz-lehrerin Elena auf eine sehr feinfühlige und empathische Art. Natürlich finden auch alle andere Buchstaben im queren Alphabet in den Filmen statt.
Diverse Höhepunkte
Das Schöne bei QUEERSICHT ist, dass die Filme nicht nur aus den unterschiedlichsten Weltregionen kommen, genauso divers sind auch die Protagonist*innen. So erzählt der japanische Film «Old Narcissus» die Geschichte von Yamazaki, einem 74-jährigen Kinderbuchautoren. Dieser stolze Schwule mit Hang zur Exzentrik heuert den 25-jährigen Escort Leo an, um seinen SM-Fetisch zu befriedigen. Yamazaki verliebt sich und hofft, dass er mit Leo zusammen sein und seine Vergangenheit durch Leos Jugendlichkeit wiedererleben kann.
Die argentinisch/schweizerische Co-Produktion «Reas» erfindet das Musical neu. Die queeren Darsteller*innen tanzen und singen über ihre Vergangenheit im Gefängnis in Buenos Aires, lassen ihr Leben als Fiktion wieder aufleben und erfinden durch Fantasie und Vorstellungskraft eine mögliche Zukunft für sich selbst – in Trance-Balance, beim Voguing und in der Rockband.
Die Doku «Lesvia» aus Griechenland erzählt von der Insel, auf der in der Antike das Lesbisch-sein so zu sagen erfunden wurde: Lesbos. Die Doku beginnt mit der Erinnerung an den August 1980, in welchem die Regisseurin und Hauptperson zum ersten Mal auf ihrer Geburtsinsel reist. Mit der Zeit ergeben die Einblicke in die persönliche Geschichte von Tzeli Hadjidimitriou ein ausführliches Porträt von vierzig Jahren lesbischer Gemeinschaft in Griechenland und deren Geschichte.
Im Film «Opponent» geht es um Iman und seine Familie, die aus dem Iran flieht und in einem Geflüchtetenheim in Schweden landen. Um das Warten auf die Aufenthaltsbewilligung zu überbrücken, tritt Imam dem örtlichen Wrestling-Club bei. Erfolge stellen sich rasch ein, doch ebenso schnell machen auch Gerüchte die Runde, und er wird mit den tieferliegenden Gründen für seine Flucht konfrontiert.
Aus Russland kommt der Dokumentarfilm «Queerdom» über die Performancekünstlerin Jenna. Mit ihren radikalen und provokanten Performances will sie die Wahrnehmung der Menschen von Schönheit und Queerness verändern. Doch die Invasion Russlands in die Ukraine hat auch Einfluss auf Jennas Leben. Der bildgewaltige Dokumentarfilm wurde am ZFF mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
Eine sehenswerte Doku ist «This Is Ballroom». Er porträtiert die Ballroom-Kultur in Rio de Janeiro. Dramen, Voguing-Performances und die Kunst des Schattens – 50 Jahre nach ihren Anfängen in New York. Wunderbare Bilder, aufregende Schnitte, mitreissende Musik und spannende Geschichten.
Kurze und nicht so kurze Filme
Ein Highlight sind auch in diesem Jahr die drei Kurzfilmblöcke. Diese kleinen filmischen Juwelen bieten in wenigen Minuten intensive und abwechslungsreiche Einblicke in queere Lebenswelten. Sie fordern uns heraus, bringen uns zum Lachen und Weinen und erinnern uns daran, dass selbst in den dunkelsten Zeiten das Licht der Hoffnung und des Widerstands nicht erlischt. Welches der beste Kurzfilm ist, entscheidest du. Die Rosa Brille für den besten Kurzfilm (Prämie CHF 2000.–) und für den kontroversesten (Prämie CHF 500.–) wird am 13. November um 19 Uhr im PROGR verkündet. Auch du kannst tolle Preise abstauben!
Neben der drei Kurzfilmblöcken gibt es auch einen mit langen Kurzfilmen, spricht ca. 25 Minuten lang. Nachdem QUEERSICH letztes Jahr vom Publikum viele schöne Rückmeldungen für diesen Block erhielt, präsentieren sie solche auch dieses Jahr wieder. Welche das sind erfährst du auf queersicht.ch
Quiz, Lounge, Party, Konzert und Brunch
QUEERSICHT will auch ein Treffpunkt für die queere Community sein. 2024 wird das Kino REX zur pulsierenden Festivalzentrale: Das Rex-Foyer im coolen 50s-Look lädt dazu ein, nach den Filmen ins Gespräch zu kommen, Ideen zu teilen und Allianzen zu schmieden.
Allwissende Film- und Popkultur-Nerds treffen sich am Samstag um 20 Uhr im Kino Rex zum fabulösen QUEERSICHT-QUIZ. Miss dich mit den schärfsten Geistern und den hellsten Kerzen aus der Community. Es werden Fragen rund um queere Filme und Popkultur gestellt. Gespielt wird allein oder in Teams von bis zu drei Personen. Durch den Abend führt die stets erheiternde Nella Pecorella mit ihrer Quiz-Crew. Danach wird es noch eine REXtone Party geben.
Die QUEERSICHT -Party mit den DJs The Last Zebra, Kobra, Dibbasey und Tiger Disco steigt am Samstagabend im Stellwerk. Die Party endet um 5 Uhr morgens. Wenn du dich wachhältst, kannst du dich um 9.30 Uhr bereits zum Brunch verabreden. Der QUEERSICHT -Brunch wird im DuNord serviert, und du kannst dir vegan oder fleischig den Magen füllen. Wer zu den Spätaufstehenden gehört, kann auch erst um 13 Uhr ins DuNord. Eine Reservation wird jedoch empfohlen! www.du-nord.ch
Das Festival verdient einen gebührenden Abschluss – deshalb holt QUEERSICHT in Kooperation mit bee-flat die Band Blanco Teta am Mittwoch, 13. November auf die Bühne der Turnhalle im Progr. Blanco Teta ist ein experimentelles Rockprojekt mit der Aggressivität und Einfachheit des Punks, aber mit einem Twist – eine Geräuschkulisse mit einem transfeministischen Konzept, so die Band über ihre Musik.
QUEERSICHT in Biel
Zum ersten Mal in ihrer Geschichte geht QUEERSICHT auf Tour, wie sie selbst sagen. Doch die Wortwahl ist etwas übertrieben, denn auf ihrer Tour machen sie nur einen Halt, und zwar in der Stadt Biel-Bienne. Im Filmpodium werden vom 14. bis 17 Dezember vier Filme aus dem QUEERSICHT-Programm gezeigt: «Close To You» mit Elliot Page in seiner ersten Hauptrolle als Transmann, «Eat The Night» aus Frankreich über Drogendealer und Online-Spiele, «Marinette», ein Bio-Pic über die queere französische Fussballerin Marinette Pichon und der feinfühlige Film «Slow», der vom asexuellen Dovydas und der Tanzlehrerin Elena erzählt, die einen Wege zu ihrer eigenen Intimität finden.
Film ab: Sicher dir die Tickets für die Filme und die Party jetzt auf www.queersicht.ch
Trailers
Filme aus dem QUEERSICHT Programm mit Trailer, die wir hier bereits vorgestellt haben:
«Close To You»
«Crossing»
«Dorothy Arznei: Pioneer, Queer, Feminist»
«Gondola»
«Love & Revolution»
«Marinette»
«Problemista»
«Rivière»
«The Inspection»
«Woman Of …»