Glitter Nummer 5 ist da

Queere Literatur auf 130 Seiten

Wenn du morgens mit einem Kater aufwachst und dich fragst, woher der Glitter kommt, der überall an deinem Körper klebt, hast du letzte Nacht vermutlich mit einer Dragqueen geknutscht. Nach der Lektüre von 130 Seiten Glitter brummt dir der Schädel vielleicht auch, aber in deinem Hirn funkelt der Glitter queerer Literatur. Besorg dir die fünfte Ausgabe von der «Gala der Literaturzeitschriften» und bring Glitter in deine Bibliothek.

Die Herausgeber*innen von Glitter mokieren, dass sich deutsche Verlage, trotz existentieller Bedrohung, kaum verändert haben. Entsprechend hinken moralische Vorstellungen und progressives Denken des Literaturbetriebs denjenigen anderer Kunstsparten hinterher. In der Musik, im Film und im TV sind queere Inhalte sichtbar und gegenwärtig, bei der erzählende und lyrische Literatur im deutschsprachigen Raum ist hingegen Sendepause. «Mehr queere Literatur!» fordern die Macher*innen von Glitter und machen vor wie es geht. «Wir rücken queere Realitäten in den Mittelpunkt und machen damit Literatur wieder relevant: Als Akt der Selbstermächtigung von uns queeren Autor*innen und als Resonanzraum, in dem sich Literaturbetrieb und Gesellschaft reflektieren und die Selbstwahrnehmungen diversifizieren können».

Im letzten Jahr stiess der Ruf von Glitter auf Resonanz. Die Glitter-Autorin erster Stunde, Antje Rávik Strubel, wurde mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. «Sie hat somit ein kleines bisschen auch für uns mit gewonnen. Das behaupten wir hier jetzt einfach einmal», freut sich Glitter im Editorial zur neuen Ausgabe der Zeitschrift. Die Glitter ruht sich aber nicht auf den Lorbeeren aus, sondern kämpft weiter für mehr Sichtbarkeit. Denn sie findet, das Literatur das Potenzial hat im kulturellen Bereich den Ton anzugeben, weil sie Sprache ist, weil sie Sprache versteht und zu nutzen weiss – weil Sprache unser Denken prägt und umgekehrt. Doch Glitter hält fest, dass sie nicht nach Hegemonie streben, wie es Politiker*innen bis weit nach links aus Angst ihre Vormachtstellung zu verlieren, gerne von queeren Aktivist*innen behaupten. «Nein, wir wollen viel, aber nicht mehr als alle anderen: Wir wollen teilhaben an Kultur, Gesellschaft und Politik. Schlicht und einfach, weil es uns gibt, und schon immer gab. Viel zu lange wurden wir in normierte Schränke weggesperrt. Nun ist es an der Zeit, dass wir Türen auftreten, die allen voran alte, weisse, heterosexuelle, cis Männer lieber verschlossen halten würden – weniger aus böser Absicht als aus antrainierter patriarchaler Ignoranz».

Die Glitter zum Fünften

Queere Themen gehen nicht nur Queers etwas an! Wenn der Literaturbetrieb – von den Schreibschulen über die Journalist*innen bis zu den Verlagen – das endlich einsieht, wird die Literatur um einige Dimensionen erweitert werden. Wie sich das darstellen könnte, lässt sich auf den rund 130 Seiten Glitteratur entdecken. Diverse Autor*innen haben Texte für die 5. Ausgabe von Glitter geschrieben. Hier eine Auswahl von dem was dich erwartet:

In den Schlaglichtern von «Anka II» lässt Sonja M. Schultz in atmosphärischer Sprache die intensiven Bilder einer Dorfjugend und die ambivalente Zuneigung zweier Freundinnen zueinander aufleben. In «cry boy cry» cruist Tom Tautorus in bissig poplitera­rischer Manier und im Bronski-Beat-Sound mit einem Ich-Erzähler im Puls der Nacht durch Bahnhöfe und eine fragmentierte Ich-Wirklichkeit. Der Erzähler in Kadir Özdemirs «Ich kann immer noch umkehren» durchläuft auf High Heels im Dorf seiner Ahnen eine sprachlich präzise und tiefgründige Sinnsuche nach Identität und Zugehörigkeit. Jessica Jurassica, die in Bern lebende Musikerin, Künstlerin, Autorin und Barkeeperin findet in «Meine heimliche Liebe zu Bruder Antonius» poin­tier­te Zärtlichkeiten in sich selbst und vor dem Küchenfenster.

Auch Schweizer Autor*innen sind dabei. Der Berner Nick Lüthi, des sich mit der Ethik von Algorithmen beschäftigt, führte ein Zwiegespräch mit einem Bott. Die in Zürich geborene und heute in Berlin lebende Zora del Buonos lässt den Spirit der queeren Szene des vergessenen Berlins Anfang der Neun­zi­ger­jah­re intim aufleben. Julia Rüegger findet in «Kunst der Vorbereitung» eine unbarmherzig ehrliche und prägnante Sprache für gesellschaftliche Körperbildfetische und all die Dinge, die vor der echten Liebe auf uns warten. Norwin Tharayil versetzt in «Tagsüber halte ich still für dich» abstrakt und wortgewaltig Schweizer Frühgeschichte mit Reflektionen über familiäre Symbiosen und Dysfunktionalitäten. In Queering Röstigraben wagt Glitter zum ersten Mal den Sprung in die Romandie. In Zusammenarbeit mit Paulette éditrice haben sie vier queere Autor*innen aus der fran­zösischsprachigen Schweiz eingeladen, Kurztexte beizusteuern, die Annette Hug übersetzt hat.

Wer im Glitter blättert findet nicht nur Buchstaben sondern auch coole Illustrationen von der im Berner Seeland aufgewachsenen Natyada Tawonsris. Die Illustrationen in der 5. Ausgabe sind an ihr Comic «b the cowboi – cowboi bæmshi» angelehnt, wurden für die Glitter aber überarbeitet und neu angeordnet, sodass eine eigene, collagenartige Erzählung entsteht. Der Comic thematisiert das Aufwachsen in einem konservativen Dorf als queere, nicht-cis, nicht-weisse Person sowie den Wunsch danach, auszubrechen. Also, brich auch du aus und lass dir etwas Glitter ins Hirn streuen!


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Und hier kannst du die Zeitschrift bestellen:
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