Die Sauna feiert ein Comeback

Weil echte Männer besser sind als ein Selfie auf Grinder.

Nach dreiwöchigen Renovationsarbeiten öffnete die Berner Sauna «Sundeck» Ende Oktober wieder ihre Türen – fast haargenau 35 Jahre nach der Ersteröffnung am 31. Oktober 1982. Erich Zgraggen übernimmt neu die Geschäftsleitung von Fredi Kappeler, der in den Ruhestand tritt.

Stolz zeigen Erich und sein Stellvertreter Samuel Rutsch die modernisierten Räumlichkeiten. Die Bar präsentiert sich im schlichten Kleid mit dunklem Holzboden­imitat und einer täuschend echten Betonverschalung. Die 15 Kabinen wurden allesamt erneuert und um eine zusätzliche erweitert. Als Hommage an die treusten Stammkunden sind die Türen mit deren Namen beschriftet: «Christian», «Pierre» oder «Zoltan». Neu gibts eine Kabine mit Sling, die Wände des Trockenbereichs sind in hellem Rosa gehalten. «Die Farbe sieht bei gedimmtem Licht anders aus», sagt Erich lachend. Bewährt haben sich das Sanarium, die Trockensauna, das Dampfbad und die Dachterrasse, die sich vor allem in den wärmeren Monaten grosser Beliebtheit erfreut.

«Man verbrät Stunden mit Hin-und-her-Schreiben, fragt sich, ob die Bilder echt oder gefälscht sind.»

Neu bietet das Sundeck für Jugendliche zwischen 16 und 20 einen «Teenie»-­Tarif für CHF 17 an, junge Erwachsene zwischen 21 und 25 Jahren zahlen CHF 24. Treuepunkte kann man neu mit der «Poinz»-App sammeln. Der Spezial­preis für Jugendliche hängt gemäss Erich mit den steigenden Zahlen junger Besucher zusammen. «Gerade letztes Wochenende fiel mir auf, dass viele Junge hier ihren Abend verbrachten», ergänzt Samuel.

Ein Grund könnte einerseits der Mangel an Schwulenbars und Partys in der Stadt Bern sein, andererseits aber auch eine zunehmende Frustration mit dem Onlinedating, wie Erich vermutet: «Ich stelle vermehrt eine Grindr-­Müdigkeit fest. Man verbrät Stunden mit Hin-und-Her-Schreiben, fragt sich, ob die Bilder echt oder gefälscht sind, und macht schliesslich doch mit niemandem ab, weil es nicht passt oder die Person nicht zurückschreibt.»

Nach AIDS kam das Internet 
Für die Saunen wäre die Entwicklung weg vom Smartphone eine erfreuliche Trendwende. Nachdem die AIDS-Krise in den Achtziger- und Neunzigerjahren für einen Besuchereinbruch gesorgt hatte, waren es in den Nullerjahren die Datingplattformen und in den Zehnerjahren die Smartphone-­Apps, die den Saunen ihre Kundschaft wegnahmen.

Findet eine Rückbesinnung zu den Orten statt, die für schwule und bisexuelle Männer einst die einzige Möglichkeit waren, sich in einem geschützten Raum zu treffen? «Das Internet kann die persönliche Begegnung nicht ersetzen», sagt Erich. «Die Stimme, der Gang und die Körperhaltung sind Eindrücke, die kein Profil wiedergeben kann. Böse Überraschungen wie im Onlinedating gibt es nicht.»

«Wir haben viele Gäste, die kommen nur fürs Wellnessen, um auf der Dachterrasse zu sonnen oder Freunde zu treffen und ein Bier zu trinken.»

Allerdings haben Saunen wie das Sundeck nach wie vor mit dem Schmuddel­image zu kämpfen, dass es hier nur um das Eine gehe. «Das stimmt schlicht und einfach nicht», sagt er. Eine Bekanntschaft beim Saunieren müsse nicht gleich zu Sex führen. «Wir haben viele Gäste, die kommen nur fürs Wellnessen, um auf der Dachterrasse zu sonnen oder Freunde zu treffen und ein Bier zu trinken.»

Klar, es gebe in der Sauna auch immer wieder ältere Männer, die ihre Finger nicht bei sich behalten könnten, doch hier genüge meistens ein freundlicher Hinweis, dass man kein Interesse habe. «Und wenn das auch nichts nützt, dann soll man zu mir kommen. Dann gibts Schelte!», sagt Erich.

Der frisch renovierte Barbereich im Berner Sundeck. (Bild: Samuel Rutsch)

Dem Geschäftsführer liegen eine entspannte Atmosphäre und ein freundlicher Umgang am Herzen. Gerade Männer, die mit Frauen verheiratet sind und eine Sauna heimlich aufsuchen, würden die Anstandsregeln oft vor der Türe lassen und dem Personal beim Hinausgehen wortlos die Schlüssel hinschmeissen. «Gut, ist der Ausgang jeweils automatisch gesperrt. Das zwingt die Herren, den Mund aufzumachen und sich freundlich zu verabschieden, wie wir das auch immer tun», sagt Erich mit einem Augenzwinkern.

Basel: Durchs Internet neue Kunden
Eine ähnliche Beobachtung hat auch Roger M., Inhaber der Sauna «Sunny­day» in Basel, gemacht: «Seit letztem Jahr haben wir vermehrt junge Gäste in der Sauna.»

Ein Grund sei sicherlich die Frustration mit dem Onlinedating. Junge Kunden hätten sich über die Unzuverlässigkeit von Chatpartnern beklagt. «Man sitzt stundenlang am Computer und realisiert nach ewigem Hin und Her, dass der andere nur auf Bilderjagd ist, plötzlich offline geht, oder erst ein Treffen für den darauffolgenden Tag sucht», sagt er.

Ein weiterer Grund könnte aber auch die letztjährige Werbeaktion von Sunnyday sein. Das Personal hatte für die Sauna ein Profil auf diversen Datingplattformen angelegt und gezielt User aus der Region angeschrieben, die ihrer Meinung nach noch nie in der Sauna waren. «Wir fragten sie, weshalb sie noch nie bei uns waren und ob sie uns nicht einmal einen Besuch abstatten möchten», sagt Roger. Die Aktion war so erfolgreich, dass sie diesen Winter wiederholt werden soll.

Zürich: Nachtsauna mit bekannten DJs
Auch Robert Z., Mit­inhaber der «Moustache»-­Sauna in Zürich und des «Mann-o-Mann» in St. Gallen, ist der Ansicht, dass ein Bedürfnis nach Saunen als Treffpunkte für Gleichgesinnte besteht. Im November und Dezember führt er im Moustache jeweils freitagabends ab 23 Uhr eine Nachtsauna mit angesagten DJs durch, darunter Nick Harvey, Marc S oder Chris Rodrigues. «Der Test mit DJ an unserem Jubiläum hat gezeigt, dass eine tolle Stimmung herrscht und die Gäste ein besonderes Erlebnis haben», sagt Robert. Die Einführung der Nachtsauna mit DJ im November war sehr gut besucht. Nach grossen Partys sei sogar mit «grossem Andrang» zu rechnen.

Entwickelt sich die Sauna zum Partyersatz oder kommen die Gäste einfach nach dem Ausgang gerne ins Moustache? «Ich denke, beides trifft zu. Die Nachtsauna mit DJ findet bewusst am Freitag statt, da es dann rund um Zürich weniger Angebote gibt.»

Ob das Thema Nachtsauna mit DJ auch etwas für das «Sundeck» in Bern ist? Erich Zgraggen will erst einmal den Winter abwarten und die Reaktionen der Gäste auf die Renovation hören. Er spielt mit dem Gedanken, 2018 an bestimmten Tagen Mottoabende einzuführen. «Damit lassen wir uns gerne noch etwas Zeit», sagt er schmunzelnd. «In Bern brauchen wir ja bekanntlich etwas länger dafür.»

Artikel von;

Text – Greg Zwygart/Thomas Künzi

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