Eine queere Mutter fotografiert queere Kids

«Queer Kids»

Christina Caprez hat in ihrem neuen Buch 15 Porträts über queere Kids geschrieben. Judith Schönenberger hat sie dafür fotografiert. Wir haben uns mit der Fotografin darüber unterhalten, wie es ist, queere Kids zu fotografieren und wie sie das erlebt hat.

Im November wurde das neue Buch «Queer Kids» der Autorin Christina veröffentlicht. Sie ging der Frage nach, was es heute bedeutet, als junger Mensch queer zu sein. 15 Kinder und Jugendliche, die sich ausserhalb klassischer Geschlechterstereotype bewegen, erzählen aus ihrem Leben: das Grundschulkind, das genau weiss, dass es ein Mädchen ist, obschon alle denken, es sei ein Junge. Der schwule Jugendliche auf dem Land, der in der Schule isoliert ist und im Chat Gleichgesinnte findet. Und die nonbinäre Aktivist*in, die ihre «Falschsexualität» selbstbewusst nach aussen trägt.

Die Kids haben sich nicht nur den Fragen der neugierigen Soziologin und Historikerin Christina Caprez gestellt, sie haben sich auch von Judith Schönenberger fotografieren lassen. Beide, die Journalistin Caprez wie auch die Fotografin Schönenberger haben schon für das Buch «Familienbande» zusammengearbeitet. Ludwig Zeller von bern*lgbt hat sich mit Judith Schönenberger unterhalten. Sie lebt und arbeitet als Künstlerin, freischaffende Fotografin und Dozentin für Bildnerisches Gestalten und Fotografie in Bern.


Wie kam es dazu, dass du zur Fotografin für das Buch Queer Kids wurdest?
Ich kenne Christina Caprez schon seit über 20 Jahren. 2012 haben wir gemeinsam das Buch «Familienbande» gemacht, das ebenfalls im Limmat Verlag erschienen ist. Als ich von Christinas neuem Buchprojekt gehört habe, habe ich regelrecht auf ihren Anruf gewartet. Als es dann tatsächlich so weit war, habe ich mich riesig gefreut, wieder mit ihr zusammenzuarbeiten.

Wie hast du dich auf das Fotografieren der Queer-Kids vorbereitet?
Christina und ich haben uns mehrfach getroffen, um zu besprechen, wie und wo die Porträts entstehen sollten. Ein grosses Thema war dabei, dass sich nicht alle Kids klar erkennbar auf den Bildern zeigen wollten oder konnten – und trotzdem sollten sie sichtbar sein. Uns war ausserdem wichtig, dass die Porträts einen roten Faden haben und die Jugendlichen möglichst viel mitbestimmen können.

Was hast du gedacht, wie es sein wird, und wurde es dann auch so oder total anders?
Ich war überrascht, wie offen alle waren. Die Atmosphäre im Fotostudio war sehr angenehm, auch wenn einige – ich eingeschlossen – anfangs ein wenig aufgeregt waren. Teilweise haben wir beim Shooting die Lieblingsmusik der Kids gehört, was nicht nur die Stimmung gelockert, sondern auch meinen musikalischen Horizont erweitert hat. ; )

Charlie, Lara und Lou fotografiert von Judith Schönenberger für das Buch «Queer Kids»

 

Wie bist du vorgegangen beim Fotografieren? Hast du den Text vor dem Fotografieren schon gekannt, oder hast du die Kids erst beim Fotografieren kennengelernt?
Das war ganz unterschiedlich: Manchmal hatte ich bereits eine Rohfassung des Textes gelesen, manchmal wusste ich fast gar nichts über die Jugendlichen. Aber unabhängig davon bin ich ihnen immer mit grosser Neugier begegnet.

Was ist der Unterschied, ob man Kids oder Erwachsene fotografiert? Worauf muss man bei Kindern besonders achten?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich denke, es hängt weniger vom Alter ab, sondern eher vom Typ Mensch. Manche stehen von Natur aus gerne vor der Kamera, während andere erst einmal eine Aufwärmrunde brauchen, um locker zu werden.

Wie schafft mensch es, mit Fotografie das Queere zu zeigen, einzufangen?
Das kommt ganz von allein durch die Persönlichkeit der Porträtierten rüber. : )

Was war dir wichtig beim Porträtieren der queeren Kids?
Mir war es besonders wichtig, dass sie sich wohlfühlen und sich so zeigen können, wie sie es möchten.

Es waren vermutlich sehr unterschiedliche junge Menschen. Hast du neben der Queerness auch andere Gemeinsamkeiten entdeckt?
Optisch waren die Jugendlichen sehr unterschiedlich, aber in ihren Erlebnissen gab es Parallelen. Viele haben ähnliche Erfahrungen gemacht, und sie alle waren unglaublich reflektiert – das hat mich wirklich beeindruckt.

Wie hat die Arbeit dich als (Regenbogen-)Mutter beeinflusst? Welche Erkenntnisse hast du daraus gewonnen?
Die vielen Mobbinggeschichten und manche Reaktionen von Erwachsenen haben mich oft sprachlos gemacht. Die Arbeit hat mich darin bestärkt, wie wichtig es ist, den Kids gut zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Das ist mir nicht nur als Mutter, sondern auch in meiner Arbeit als Lehrerin am Gymnasium und im gestalterischen Vorkurs ein grosses Anliegen.

Wie haben die Kids auf die Bilder reagiert?
Die Jugendlichen waren alle sehr glücklich mit ihren Porträts – sowohl mit dem Text wie auch mit dem Porträtfoto. Natürlich ist es manchmal schade, dass von so vielen Fotos nur eines ausgewählt wurde. Aber die Tatsache, dass sie nun in der ganzen Schweiz zu sehen sind, hat allen grosse Freude bereitet.

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