Eine Verurteilung, eine Nicht-Verurteilung und ein gekündigter Lehrer

Der Blog von Daniel Frey

Zwei Themen haben unseren Blogger Daniel Frey in den letzten anderthalb Wochen beschäftigt: Eine Verurteilung und eine Nicht-Verurteilung aufgrund der Anti-Rassismus-Strafnorm und ein Lehrer, der wegen seiner Homosexualität die Kündigung erhalten hat.

 

Historisches Bundesgerichtsurteil

Wir erinnern uns an den Februar 2020: Nach einem Referendum wurde mit einer Volksabstimmung die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm um das Kriterium der «sexuellen Orientierung» deutlich angenommen und im Juli 2020 in Kraft gesetzt. 15 Monate später beleidigte Alain Soral, der wegen Hassreden in Frankreich bereits etliche Male verurteilt wurde, die lesbische Journalistin Cathy Macherel aufs Übelste. Die Journalistin reichte eine Klage ein und die Lesbenorganisation Schweiz LOS und Pink Cross erstatteten ebenfalls Anzeige. 2023 wurde Soral von der Staatsanwaltschaft Waadt wegen Verleumdung und öffentlichem Aufruf zu Hass verurteilt. Er zog den Entscheid weiter ans Bundesgericht. Und dieses hat nun am 18. April 2024 in letzter Instanz die bereits verhängte Geldstrafe für Verleumdung, die erstinstanzlich verhängt worden war, und verurteilte ihn aufgrund der Rassismus-Strafnorm zu 40 Tagen unbedingter Gefängnisstrafe.

«Das Bundesgerichtsurteil ist historisch – denn es schafft die Grundlage für eine strikte Rechtsprechung bei homo- und bi-feindlichem Hass», kommentierte Alessandra Widmer, Co-Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation Schweiz, das Urteil in einer Medienmitteilung.

Keine Woche später wird der Theologie-Professor Manfred Hauke vom Strafgericht in Bellinzona vom Vorwurf freigesprochen, gegen die Rassismus-Strafnorm verstossen und zu Hass aufgerufen zu haben. Zuvor wurde Professor Hauke von der Tessiner Staatsanwaltschaft zu einer bedingten Geldstrafe von 9450 Franken und einer Busse in Höhe von 1800 Franken verurteilt. Der Professor hatte als Herausgeber der konservativen Monatszeitschrift «Theologisches» einen Aufsatz veröffentlicht, der mit dem Titel «Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen» überschrieben war. So schrieb der Autor des Artikels, der polnische Theologe Dariusz Oko, im Artikel unteranderem: «Es ist auch wichtig zu wissen, dass 20 Prozent der Homosexuellen eine ephebophile oder päderastische Vorliebe haben, was eine typische Störung ist».


Ephebophilie bezeichnet die sexuelle Neigung Erwachsener zu pubertären und postpubertären Jungen.

Päderastie oder Knabenliebe bezeichnet eine institutionalisierte Form von Homosexualität im antiken Griechenland zwischen Männern und männlichen älteren Kindern oder Jugendlichen.


Der Fall war von der Tessiner Justiz auf eine Anzeige von Pink Cross hin aufgenommen worden. Bei der Freisprechung des Strafgerichts in Bellinzona wurde nun auch bemängelt, dass Pink Cross kein Recht habe, sich als Privatklägerin zu konstituieren. Die Einzelrichterin kritisierte zwar das grobe Vokabular des Aufsatzes, konnte aber keinen Verstoss gegen die Rassismus-Strafnorm feststellen. Es habe sich dabei um eine Fachpublikation gehandelt, die sich nicht allgemein über Homosexuelle ausgelassen habe.


«Ein homosexueller Primarlehrer gerät in Pfäffikon ins Visier von wertkonservativen Eltern».

Es war Mitte vorletzter Woche, als uns eine Schlagzeile im Tages Anzeiger aufschreckte: «Ein homosexueller Primarlehrer gerät in Pfäffikon ins Visier von wertkonservativen Eltern». Am 18. April hat die Zeitung unter der Überschrift «Wie Eltern einem schwulen Lehrer das Leben zur Hölle machten» die Vorkommnisse protokolliert: Seit sechs Jahren sei gemäss Lehrplan 21 der Sexualkundeunterricht an der Zürcher Volksschule auf der Primarstufe Pflicht. Dass dieses Thema heikel ist und der Unterricht entsprechend mit «Umsicht» durchzuführen ist, wusste auch der besagte schwule Lehrer – der Tages Anzeiger nennt ihn «Daniel Brunner». Umso härter habe es ihn dann getroffen, als er mit heftigen Vorwürfen von wertkonservativen Eltern gegen seinen Sexualunterricht konfrontiert war. «Allesamt sind sie haltlos, das bestätigte die Schulleitung unter anderem in mehreren Schreiben an die Eltern und die Lehrer», ist im Tages Anzeiger zu lesen. Die Vermutung liegt nahe, dass wohl nicht der Sexualunterricht das Problem dieser Eltern war, sondern die sexuelle Orientierung des Lehrers, stellt doch Homosexualität für christliche Fundis oft eine Gefahr für ihr Weltbild dar.
Jedenfalls liest sich die Zusammenfassung des Tages Anzeiger über das hin und her zwischen diesen Eltern, der Schulleitung und «Daniel Brunner» wie eine Geschichte, die wir noch aus dem letzten Jahrhundert kennen … und die Geschichte endet im Eklat, die Schulleitung knickt ein und trennt sich von «Daniel Brunner».

Einen Tag nach dem Artikel im Tages Anzeiger lässt der Zürcher Oberländer Roman Heggli von Pink Cross zu Wort kommen: «Der Vorfall ist einfach ein Armutszeugnis», zitiert die Zeitung Roman Heggli. «Wir wissen, dass es überall Eltern aus Fundi-Kreisen gibt, die sich generell gegen den Sexualkundeunterricht aussprechen», verrät Roman Heggli den Leser*innen des Zürcher Oberländers. Zudem würden gerade bei einem schwulen Lehrer zusätzlich noch weitere Vorurteile mitschwingen: «Leider gibt es immer noch viele Menschen, die davon ausgehen, dass schwul gleich pädophil bedeutet».

Wie oft werden Lehrer wegen ihrem Schwulsein diskriminiert?

Diese Frage versuchte Watson zu beantworten und fragte bei 15 kantonalen Lehrerverbänden nach. «Kein Einzelfall», ist das erste Fazit des Online-Magazins – um anschliessend zu relativieren: «Zusammenfassend kann man sagen, dass Lehrpersonen eher selten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung durch die Schulleitung oder Eltern diskriminiert werden». Allerdings fehlen in vielen Kantonen entsprechende Anlaufstellen, Zahlen werden keine erhoben.

Am Freitag veröffentlichte der Zürcher Oberländer einen Leser*innenbrief mit dem Titel «Auf perfide Art und Weise rausgeekelt». Yvonne Kern aus Pfäffikon schreibt: «Mich, mittlerweile als betroffene und zutiefst besorgte Grossmutter, macht das Vorgefallene einfach nur traurig, sprachlos und wütend». Ihr Enkelkind habe den Unterricht bei dem auf «haltlose Weise entledigtem Lehrer» sehr gerne besucht. «Auch auf die Sexualkundeprüfung hin habe ich mit meinem Enkelkind gelernt und in den Lernzielen und inhalten weder etwas Anstössiges noch Unhaltbares gefunden.» Es sei für sie absolut unverständlich, dass in der heutigen Zeit ein geschätzter Pädagoge wegen seiner sexuellen Orientierung auf so perfide Art und Weise rausgeekelt wurde.

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