Im Zeichen von Neuem und Altem

Mia Willener von hab queer bern schaut zurück und nach vorne

Das Jahr 2024 ist erst ein paar Wochen alt – und es ist höchste Zeit, auf die vergangenen zwölf Monate zurückzublicken. Es war ein Jahr voller politischer Ereignisse und Veränderungen, angefangen von den Eurogames und der BernPride bis hin zum Wahltag im Oktober. Obwohl das Ergebnis des Wahltags im ersten Moment enttäuschend war und einen leichten Rechtsrutsch mit sich brachte, sollten wir uns davon nicht entmutigen lassen. Stattdessen sollten wir uns auf die Zukunft konzentrieren und uns darauf freuen, was das kommende Jahr bringen wird.

Der Blick zurück

Die Wahlen waren von einer besonderen Stimmung begleitet. Diese widerspiegelte nicht nur die politischen Verschiebungen, sondern auch eine tiefergehende gesellschaftliche Veränderung. Der Wettbewerb um politische Ämter wurde zu einer Arena für Ideen und Visionen, aber eben auch für Schlammschlachten und inhaltslose Symbolpolitik.

Besonders bemerkenswert waren die steigende Präsenz und Sichtbarkeit von queeren Politiker*innen in diesem Wahlkampf. Die Wiederwahl von Nationalrätin Tamara Funiciello und die Überraschung im Kanton Zürich, wo mit Anna Rosenwasser eine prominente feministische Aktivistin aus der queeren Community gewählt wurde, markieren einen bedeutsamen Fortschritt auf dem Weg zu einer diverseren und inklusiveren politischen Vertretung.

Nicht weniger bedeutend war das Engagement queerer Menschen, die sich sowohl für den National- als auch den Ständerat zur Wahl stellten. Das Aufkommen von Kandidat*innen wie Bernhard Pulver, mit dem sich erstmals ein geouteter Ständeratskandidat im Kanton Bern präsentierte, unterstreicht den Wandel hin zu mehr Offenheit und Akzeptanz in der politischen Arena.

Es war erfreulich zu sehen, in wie vielen Parteien queere Menschen für ein Amt kandidierten und wie gross deren Unterstützung aus den meisten dieser Parteien war.

Es macht Mut, zu wissen, dass unsere aktuellen und künftigen Generationen auch punkto Queerness politisch präsent sind und sein werden. Es tut aber auch gut, zu spüren, dass immer häufiger queere Politiker*innen sich getrauen, zu sich zu stehen und sich nicht mehr in Schränken oder hinter Masken zu verstecken.

Der Wahlkampf selbst, geprägt von einem subtilen Kulturkampf, bot eine Bühne für engagierte Diskussionen über Begriffe wie «Woke-Wahn» und «Meinungsfreiheit». Insbesondere von rechtsgerichteten Gruppierungen initiiert, wurden diese Debatten nicht nur in traditionellen Medien, sondern auch verstärkt in den sozialen Netzwerken ausgetragen. Die breite Öffentlichkeit reagierte, nicht überraschend, aber ungewohnt deutlich, auf diese Versuche, den Diskurs zu dominieren, indem sie klare Gegenpositionen einnahm und so für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den vielschichtigen politischen Themen eintrat. Dies ist für unsere Community ein Zeichen, das uns hoffen lässt, im Gegensatz zu den aktuellen weltweiten Entwicklungen.

Die starken Wahlresultate der rechten Parteien wird diese motivieren, uns in unseren Rechten einschränken zu wollen.

Insgesamt war das politische Geschehen im Jahr 2023 von einer interessanten Mischung aus Tradition und Wandel geprägt. Die Wahlresultate und die begleitenden Diskussionen lassen auf eine Zukunft hoffen, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern aktiv gefördert wird, und in der politische Entscheidungsprozesse die breite Palette der Gesellschaft repräsentieren. Nichtsdestotrotz wird uns auch eine schwere Zeit bevorstehen.

Wir sehen dies bereits heute bei der Streichung der Finanzierung der Gewaltprävention durch den Bundesrat oder beim Versuch im Berner Grossen Rat, trans Menschen als Betrüger*innen darzustellen, die aus selbstsüchtigen Interessen die erleichterte Personenstandsänderung ausnützen wollen.

Nach vorne schauen

Aus diesen und anderen Gründen wollen wir 2024 eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen kantonalen Organisationen im Bereich der LGBTIQ+-Community anstreben, insbesondere mit Gruppen wie QUEER THUN oder QueerBienne. Unser Ziel ist es, Synergien zu nutzen und die Kommunikation zwischen den verschiedenen Organisationen zu intensivieren. Obwohl wir bereits einen grossen Erfolg mit der Einführung der «Ehe für alle» verzeichnen konnten, stehen noch viele weitere wichtige queere Themen auf unserer Agenda, die wir vorantreiben möchten. Themen wie zum Beispiel ein Verbot von Konversionstherapien werden bereits heute national wie auch kantonal heiss diskutiert, nicht nur in der Politik. Hier müssen wir dranbleiben, die Bevölkerung steht bei diesem Thema hinter uns. Wir dürfen also nicht zulassen, dass fundamentalistische Kreise ihre Lügen verbreiten können, sondern wir wollen den Menschen die Wahrheit aufzeigen, die Wunden, die solche Behandlungen verursachen, sichtbar machen, dem Leid ein Gesicht geben und die Verantwortlichen beim Namen nennen.

Ein bedeutender Meilenstein wurde bereits von der Grossrätin und Mitglied von hab queer bern, Barbara Stucki, erreicht. Dies betrifft die Erfassung von Hassdelikten und die damit verbundene Sensibilisierung der Kantonspolizei Bern. Die speditive Umsetzung der Erfassung sowie auch der Sensibilisierung der Polizeikräfte im Kanton Bern hat uns nicht nur überrascht, sondern auch den Eindruck vermittelt, dass Teile der Kantonspolizei nur auf den Auftrag gewartet haben. Wir sind bereits gespannt auf die erste Statistik, die bis Ende April 2024 vorliegen soll. Um dieses Anliegen weiter zu stärken, planen wir gemeinsam mit der Kantonspolizei Bern eine öffentliche Aktion am 17. Mai 2024, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT). Diese Aktion soll nicht nur dazu dienen, die Menschen in Bern, möglicherweise im gesamten Kanton, über die Realität von Hassdelikten zu informieren, sondern auch ein Bewusstsein für die Bedeutung von Toleranz und Akzeptanz zu schaffen. Über diese und weitere Aktionen werden wir natürlich regelmässig und ausführlich in der habinfo sowie im Newsletter informieren.

Wir erhoffen uns, in den kommenden Jahren auch mehr Kontakt zur Stadt Bern aufbauen zu können. Insbesondere, da der Berner Stadtrat sehr queer aufgestellt ist und auch regelmässiger Prides stattfinden sollen (hoffentlich auch etwas trockenere). Aber auch, weil wir der Meinung sind, als Rainbow City darf die Stadt Bern auch der hab queer bern hin und wieder etwas Gutes tun.

Neben unseren positiven Fortschritten sehen wir uns jedoch auch zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert. Wir müssen uns aktiv gegen Vorstösse von radikalen Seiten zur Wehr setzen, um die Sicherheit unserer LGBTIQ+-Community zu gewährleisten. Dies erfordert kontinuierliche Überwachung und Engagement, um Diskriminierung und Hass zu bekämpfen. Aber es braucht auch euch, liebe Mitglieder, denn wir sehen nicht alle Diskriminierungen und Angriffe auf unsere Community.

Insgesamt sind wir entschlossen, nicht nur die bereits erzielten Fortschritte zu feiern, sondern auch weiterhin für eine inklusive und sichere Gesellschaft für alle einzutreten. Unsere Bemühungen zielen darauf ab, die LGBTQ+-Gemeinschaft in sich, aber auch gegen aussen, zu stärken, für unsere Rechte einzustehen und das Verständnis und die Unterstützung in der breiten Bevölkerung zu fördern. Dies erfordert von unserer Community nicht nur Einigkeit, sondern auch die Bereitschaft, sich auf unsere Freund*innen in anderen Organisationen einzulassen und uns vermehrt auf unsere Gemeinsamkeiten zu besinnen und Differenzen hin und wieder ruhen zu lassen. Wir wollen aber auch mehr Prides feiern und weniger demonstrieren (müssen).

Wir wollen so lieben und leben, wie wir sind.

Unser Dank gilt aber nicht nur unseren Freund*innen in der Politik; nein unser Dank gilt auch euch, liebe Mitglieder der hab queer bern, dank eurer Unterstützung können wir mit der Politik ins Gespräch kommen, eure Inputs weiterreichen und all die kleinen Schritte gehen, die auf dem langen Weg in eine bessere Zukunft notwendig sind. Dafür sind wir euch dankbar, merci viumau!

Mia Willener, Ressort Politik

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