Politik im Schneckentempo – wählen wir also richtig!

Gedanken zu den National- und Ständeratswahlen

Am 20. Oktober ist Wahlsonntag! Höchste Zeit, dass wir uns mit Politik beschäftigen! Gedanken zu den Wahlen im Herbst von Daniel Frey aus der AG Politik und Gesellschaft von hab queer bern.

Rückblende auf den 14. Dezember 2018: Schlussabstimmung zur Parlamentarischen Initiative «Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung». 121 Parlamentarier*innen stimmen für die Annahme der Anpassung der Rassismus-Strafnorm, 67 bei acht Enthaltungen dagegen. Für die Vorlage stimmten die Grünen, die SP, die Grünliberalen, die FDP, die CVP und die BDP. Geschlossen dagegen stimmt die SVP. Enthaltungen gab es bei der SVP, der FDP und der CVP.

Eingebracht hatte die Gesetzeserweiterung der SP-Politiker Mathias Reynard im März 2013. Es dauerte also fast sechs Jahre, bis diese Vorlage sämtliche politischen Instanzen passiert hatte und schlussendlich vom Parlament angenommen wurde. Diesen deutlichen Entscheid konnten allerdings die EDU und weitere homophoben Gruppen nicht akzeptieren und ergriffen das Referendum – die freie Meinungsäusserung sei in Gefahr, mensch dürfe doch noch sagen dürfen, «dass Homosexualität nicht normal» sei. Wir werden nun an der Urne über die erweiterte Rassismus-Strafnorm abstimmen müssen.

Politik im Schneckentempo

Gesellschaftliche Begebenheiten können sich schnell ändern. Diese Tatsache musste auch Mathias Reynard feststellen. Während seine Parlamentarische Initiative zur Erweiterung der Rassismus-Strafnorm um den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung während eben fast sechs Jahren durch die politischen Instanzen wanderte, wurde nicht nur ihm bewusst, dass in der Rassismus-Strafnorm der Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität fehlt. Der kurz vor der Schlussabstimmung im Parlament eingebrachte Vorschlag, doch grad im «gleichen Aufwisch» in der Rassismus-Strafnorm auch die Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität zu schützen, hatte keine Chance!

Diese äusserst langfädige Geschichte beweist: Es ist nicht nur wichtig, dass wir wählen, sondern auch welche Parteien und welche Personen wir wählen.

Realitätsfremde Politik

Im Juni 2018 hat Beat Flach sein Postulat «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Rechtliche Anknüpfung an das Geschlecht abschaffen» eingereicht. Damit wollte der grünliberale Nationalrat vom Bundesrat prüfen lassen, wie der Verzicht auf einen Geschlechtseintrag rechtlich umgesetzt werden könnte.

In seiner Begründung schrieb Beat Flach, dass der generelle Verzicht eines personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrags «ideal» wäre: Unsere Bundesverfassung halte fest, dass «alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind». Dennoch gebe es nach wie vor viele Bestimmungen, die für Mann und Frau unterschiedliche Rechtsfolgen vorsehen, ohne dass dafür ein triftiger Grund bestehe.

Im Juni dieses Jahre hat der Nationalrat das Postulat mit 99 gegen 76 Stimmen abgelehnt. Heftigste Gegnerin des Postulats war Verena Herzog. In ihrem Votum bekräftige die SVP-Nationalrätin, dass zwar «selbstverständlich» alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Doch reihe sich das Postulat «in eine ganze Serie von Forderungen, Vorstössen und Ideen ein, die einzig auf die Auflösung und Gleichmacherei jeglicher natürlicher Geschlechtlichkeit» abziele.

Nationalrätin Herzog fällt immer wieder mit einem eigenartigen Bild über LGBT-Personen auf. Das entspreche aber nicht der allgemeinen Haltung der SVP, versichert Thomas Fuchs, Mitglied von hab queer bern. Unsere Frage, ob er schon das Gespräch mit ihr gesucht habe, beantwortet er mit: «Das bringt nichts – sie ist unbelehrbar».

Somit sollten wir all die «Herzogs» einfach ignorieren? «Nein», findet Regina Kunz von der Politgruppe von hab queer bern und ergänzt: «Bleiben Herzog und Konsorten in Amt und Würden, werden wir uns schon bald wieder die gleichen homo- und transfeindlichen Sprüche anhören müssen».

Wählen WIR also richtig! Allerdings: «WIR ist erstmal nur das Stimmvolk, davon wiederum der Anteil, der überhaupt gewählt hat, davon der Anteil, der eine bestimme Partei gewählt hat – das sind dann wohl immer noch (zu) viele «Herzogs», aber nicht mehr WIR», wie Henry Hohmann, politischer Beobachter von TGNS, schmunzelnd vorrechnet.

Daniel Frey, AG Politik und Gesellschaft

Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.