Billie Bird: «Auf der Bühne bin ich derselbe Mensch wie im Leben»
Interview mit der Singer-Songwriterin
Letzten Sonntag gab Billie Bird In der Turnhalle im Progr ein aussergewöhnliches Konzert, ein exklusives dazu. Die Singer-Songwriterin hatte einen 25-köpfigen Chor von queeren Menschen und ihren Allys dabei. Wir haben uns mit ihr darüber und ihre Musik unterhalten.
In den Musiktipps von bern*lgbt haben wird das letzte Album «Incendies» von Billie Bird besprochen und sie ist auch in unsere Jahresbesten-Liste aufgenommen, denn wir sind von der Singer-Songwriterin aus der Romandie überzeugt. Billie Bird ist derzeit auf Tournee und gerade unterwegs in Deutschland, als wir sie per E-Mail erreichten. Trotz vollem Programm hat sie sich Zeit genommen auf unsere Fragen zu antworten.
Eine Reisende in Sachen Musik und eine Entdeckerin ihrer selbst
Zu ihrem Künstlernamen hat Billie Bird die Reiseschriftstellerin Isabella Lucy Bird (1831-1904) inspiriert, die eine aussergewöhnlichen Lebensgeschichte als Reisende und Entdeckerin hatte. Das passt, denn auch Billie Bird ist eine Reisende in Sachen Musik und eine Entdeckerin ihrer selbst. Als Kind eines Franzosen und einer Spanierin, das in der Schweiz aufwuchs und merkte, dass das zugewiesene Geschlecht nicht passt, war ihre Reise durchs Leben bisher ein kurviger Weg oder ein «roller-coaster ride», wie sie ihre Konzerte beschreibt. Wer reist, braucht Reiseführer. Auf ihrer persönlichen Reise haben Billie Bird die Bücher der französischen Schriftstellerin, Regisseurin und Feministin Virginie Despentes begleitet. «Als Künstlerin habe ich verschiedene Bücher gelesen, aber einige, die wirklich wichtig waren für mich, waren die von Austin Kleon («Steal like an artist» und «Show Your Work»), und ich liebte das Buch «Your Art Will Save Your Life» der queeren Autorin Beth Pickens».
«Um eine Verbindung zu schaffen und intim zu sein, muss man teilen, sonst gibt es nichts, worauf man aufbauen kann»
Die Höhen und Tiefen in ihrem Leben, die Melancholie, wie die Euphorie, das Verbunden sein mit Anderen, aber auch sich als Aussenseiter zu fühlen, Verlust und Gewinn, all diese Emotionen verarbeitet sie in ihren persönlichen Liedern. Sie nimmt die Zuhörenden dabei an der Hand, damit sie es wagen können, unter die Oberfläche zu schauen, um sich zu konfrontieren, mit dem was sie dort finden. Billie Bird hat die Kraft, dorthin zu gehen, wo es weh tut, wo Kummer, Schmerz und Sorgen die Menschen an ihrem Verstand zweifeln lassen. Und das kann sich eigentlich ganz gut anfühlen. «Natürlich sind Gefühle wichtig!» sagt Billie Bird. «Um eine Verbindung zu schaffen und intim zu sein, muss man teilen, sonst gibt es nichts, worauf man aufbauen kann. Ich weiss, dass es manchmal schwierig und riskant ist, sich jemandem gegenüber zu öffnen, aber für mich ist das der einzige Weg. Und ich habe eine Art Mantras für mein persönliches Leben und mein Künstlerleben, die mir helfen, anzunehmen, wer ich bin und woraus ich gemacht bin. Ich kann meine Biografie, wer ich bin, nicht ändern. Ich bin stolz auf meinen Weg und meine Werte wie die Integrität und meine Grosszügigkeit.»
Neben dem Zulassen von traurigen Gefühlen ist auch der Humor wichtig für Billie Bird. «Ich denke, dass Humor eine fantastische Möglichkeit ist, Verbindungen zu schaffen. Aber es darf nicht erzwungen wirken. Auf der Bühne bin ich derselbe Mensch wie im Leben. Ich mache Witze, ich spreche offen über meine Gefühle, usw. Ich liebe es zu lachen, und ich weiss, dass ich das gut kann. Ich liebe die Vorstellung, dass sowohl Leben wie auch Konzerte tiefgründig sein können, aber auch sehr lustig und vielfältig, wie das Leben eben. Aber ich kann mir sowieso nicht helfen, Witze zu machen, also…»
Les Flamboyantesx
Billie Bird geht ihren Weg nicht allein. Die Zusammenarbeit mit andern ist ihr wichtig. Nur selten entdeckt man auf einer Musiker*innen-Homepage ein Kapitel, das nur den Kollaborationen gewidmet ist. Sie ist auch stark engagiert bei Helvetia rockt, ein Verein der Mädchen, Frauen, inter, non-binäre, trans und agender Menschen unterstützt, selbstbewusst eigene Wege im Musikbusiness zu gehen, Rechte einzufordern sowie mutig und freudig zu experimentieren. Also etwas, das Billie Bird machte und immer noch tut. Eine aussergewöhnliche Kollaboration konnten wir am 20. Oktober in Bern im Rahmen eines bee-flat-Konzerts erleben. Sie trat in der Turnhalle im Progr mit dem Chor Les Flamboyantesx auf. 25 Stimmen von LGBTIA-Menschen und ihren Allys werden sie bei diesem Auftritt unterstützen. Wir hatten uns vor dem Konzert mit ihr unterhalten.
Wie bist du auf die Idee mit dem Chor gekommen?
«Das Festival de La cité in Lausanne bot mir diesen Sommer an, ein spezielles Format für die grosse Bühne des Festivals gestalten. Ich habe schon immer davon geträumt, Konzerte mit einem Chor zu machen, und so kam mir diese Idee wieder in den Sinn. Ich fragte meine Musikerkollegin Laura Livers, ob sie Lust habe, mit meinen Liedern ein neues Repertoire für Chor zu schreiben. Wir habe für das Konzert in Lausanne drei Monate lange super regelmässig geprobt.»
Es scheint gut angekommen zu sein, das Chor-Konzert in Lausanne, wenn du das jetzt auch nach Bern bringst.
«Ja. Und in Bern werden wir sogar eine längere Version des Konzerts anbieten, mit mehr Liedern. Wir haben mit den Proben bereits begonnen.»
Wer sind die Menschen im Chor?
«Der Chor besteht aus queeren Freunden, von denen ich wusste, dass sie singen wollen, einem bereits bestehenden kleinen queeren Chor und FLINTA&G Leuten, die von dem Projekt gehört haben und mitmachen wollten. Es ist eine Mischung aus geübten Sänger*innen und Amateur*innen. Wir haben die Leute sehr schnell gefunden, sie sind so motiviert zu singen und vor allem in einem queeren Kontext, angeführt von queeren Frauen :)»
Und was werden wir hören?
«Meine Songs, aber begleitet von einem Chor mit 25 Leuten. Dazu die Musiker*innen Louise Knobil am Bass, Laura Livers am Synthesizer, die auch den Chor leitet, und Fred Bürki am Schlagzeug. Bei diesem Projekt sind mehr als 30 FLINTA&G auf einer Bühne, also quasi 98 %!
Wieso machst du das?
«Für mich ist dieses Projekt auch politisch, weil queere Menschen auf den Bühnen immer noch unterrepräsentiert sind. Für mich ist das eine fantastische Möglichkeit, uns sichtbar zu machen, besonders in diesen gefährlichen Zeiten. Wir werden von der kollektiven Kraft unserer Queerness, aber auch und vor allem durch unsere Stimmen getragen. Ich bin sehr glücklich, dass ich dieses Konzert wieder durchführen kann.
Wird es weitere Konzerte mit dem Chor geben?
«Ich hoffe, dass es weitere Konzerte geben wird. Der Chor ist super motiviert! Einige von ihnen haben vor dem Konzert in Lausanne im Sommer noch nie auf der Bühne gestanden. Der Name des Chors ist Les Flamboyantesx, aber ich nenne ihn auch «the love squadron», also Liebesschwadron, weil ich von so vielen Leuten aus dem Publikum gehört habe, dass es ein so fantastischer Moment war, voller Liebe und Licht.
Danke für das Interview.