DJ Coreys MusikTipps April 2023

Miley Cyrus, Ellie Goulding, Cub Sport, 100 gecs, Nakhane, Yves Tumor, Lana Del Rey, Boygenius, Billie Bird, Zaho de Sagazan, Malonda

Miley Cyrus träumt von Kalifornien. Ellie Goulding sehnt sich zurück auf den Dancefloor. Die club-house Sensation der Sydney World Pride 2023: Cub Sport. Ein musikalischer Wirbelsturm: das queere Duo 100 gecs. African Disco: Das existentialistische Sex-Album von Nakhane. Die längsten Album-Titel ever haben Yves Tumor und Lana Del Rey. Die queere Folk-Rock-Supergroup der Stunde: Boygenius. Das heilende Album von Billie Bird. Zum Chanson gewordener Electro-Pop: Zaho de Sagazan. Mit Hildergard Knef in der Disco: Malonda.


MILEY CYRUS

Endless Summer Vacation (Smiley Miley /Columbia Records)

Liebe hat es nicht immer gut mit dem pansexuellen Ex-Kinder- und Ex-Country-Pop-Star gemeint. Die über zehn Jahre dauernde, turbulente On-off-Beziehung zu Liam Hemsworth wurde zwar im Dezember 2018 mit dem Ja-Wort besiegelt. Doch nur acht Monate später folgte das Aus für das einstige Traum-Paar. Und vor drei Jahren wurde die Scheidung vollendet. Auf «Endless Summer Vacation» strahlt Miley Cyrus nach einer Zeit der Niedergeschlagenheit wieder Selbstliebe aus und schenkt sich und ihren Fans neues Selbstbewusstsein. Mit ihrem musikalischen Liebesbrief an Los Angeles und Kalifornien gewinnt sie ihren Lebensmut vollständig zurück und sorgt für einen positiven Wendepunkt in ihrer Karriere. Mit der Emanzipationshymne «Flowers» und der Dance-Nummer «River» sind ihr zwei veritable Monster-Hits gelungen.


ELLIE GOULDING

Higher Than Heaven (Universal)

Die Britin Ellie Goulding wendet sich auf ihrem fünften Album einem euphorischen Dance-Pop in reinster Form zu. Die blonde Pop-Fee verwandelt sich in eine regelrechte Sehnsuchts- und Eskapismus-Maschine. Mit den Hit-Produzenten Greg Kurstin, Jessie Shatkin, Koz und Andrew Wells wirft Ellie Goulding einen kunterbunten Songsstrauss mit grossen Melodien, packenden Refrains und positiven Texten in die tanzwütige Menge. «Higher Than Heaven» lässt alle direkt in den Disco-Himmel aufsteigen. Und Ellies wiedererkennbare glasklare Stimme macht das sogenannte i-Tüpfelchen aus.


CUB SPORT

Jesus At A Gay Bar (Cub Sport / Believe)

Die australische Indie-Pop-Band Cub Sport besteht aus Zoe Davis, Dan Puusaari und dem verheirateten Männerpaar Tim Nelson und Sam Netterfield. Cub Sport sind seit ihrer Gründung im Jahr 2010 nicht nur Teil der australischen LGBTQI-Community, sondern sie packen Gender- und Sexualitätsfragen auch in ihre Songs ein. Sie haben sich für die Ehe für alle eingesetzt, noch bevor es legal war. Ihren Auftritt an der ersten WorldPride in Sydney haben Cub Sport also wirklich verdient. Ihr neues Werk «Jesus At A Gay Bar» ist vielleicht deswegen auch ein reines Party-Album geworden, ein euphorisierendes Feuerwerk aus House-Rhythmen, Herz und Gefühl.


100 gecs

10000 gecs (Atlantic)

Hyperpop ist vielleicht die queerste Musik-Stilrichtung von allen. Auch beim queeren Duo 100 gecs um Trans-Frau Laura Les und deren Musikpartner Dylan Brady verschwimmen die Genre-Grenzen vollkommen. 100 Gecs reiten mit hochgepitschten Stimmen durch die Genres und ziehen wie ein Wirbelsturm durch die Musiklandschaft hinweg. Auf ihrem neuen Album «10’000 gecs» erzeugt das Supernerds-Duo einen perfekten Chaos aus Pop-Punk-, Ska-, Grunge-, Emo- und Nu-Metal-Einflüsse. Was sich auf dem Papier fürchterlich liest, besitzt manchmal eine erstaunliche Ohrwurmqualität.


NAKHANE

Bastard Jargon (Star Red Music Ltd)

Auf dem eher düsteren Debütalbum «You Will Not» (2018) sang Nakhane darüber, wie es war, als queerer nichtbinärer Mensch in einer christlich-fundamentalistischen Familie in Südafrika aufzuwachsen. Erst nachdem sie sich von ihrem Glauben losgesagt haben und nach London umgezogen sind, konnte Nakhane den Spass am Leben und Sex für sich entdecken. Auf «Bastard Jargon», das Nakhane als sexexistenzialistisches Album bezeichnet, schmeisst Nakhane eine Dance-Pop-Party mit Disco-Titan Nile Rodgers als Executive Producer. Diverse tolle Features wie Perfume Genius und Moonchild Sanelly, die südafrikanische Hip-Hop-R&B-Päpstin für weibliche Selbstermächtigung, werten das Album auf.


YVES TUMOR

Praise A Lord Who Chews But Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds) (Warp/Rough Trade)

Das fünfte Album der in Turin lebenden Künstler:in trägt nicht nur einen langen Titel, sondern ist ein Lustspiel mit den musikalischen Rock- und Funk-Klischees, ein Experiment mit den Extremen und Übertreibungen. Auffällig ist die Rastlosigkeit im Schaffen von Yves Tumor. In den neuen Songs werden die Geister von Prince, Lenny Kravitz, David Bowie und Iggy Pop heraufbeschwört und Glam-Rock, Post-Punk, Funk und Darkwave zu einer musikalischen Orgie aufgetürmt. Für ihre Verhältnisse zeigt sich Yves Tumor aber erstaunlich poppig und zugänglich.


LANA DEL REY

Did You Know There’s a Tunnel Under Ocean Blvd? (Universal / Interscope)

Seit dem Debüt «Born To Die» (2012) hat sich Lana Del Rey allmählich zur Botschafterin eines dunklen, aber zeitgleich glamourösen Indie-Rocks hinaufgearbeitet. Auf ihrem achten Album hütet sie sich zum Glück davor, ihren ikonischen Stil zu verdrehen. Indes perfektioniert Lana Del Rey ihr Bild als Retro-Gestalt und ihre musikalische Hommage an das Hollywood-Amerika der 50er- und 60er-Jahre. In 75 Minuten singt und seufzt sich die Singersongwriterin gelangweilt durch ein Repertoire aus Jazz, klassischen Klavierballaden, Gospel, Soul und Hip-Hop. Am Schluss erweist sich Lana Del Rey einmal mehr als der mutigste und kühnste Pop-Star ihrer Generation.


BOYGENIUS

The Record (Universal)

Die Songschreiberinnen Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus bündeln ihre Kräfte zu einer ersten queer-weiblichen Indie-Rock-Folk-Supergroup zusammen. Auf «The Record» feiern die drei Künstlerinnen ihre Freundschaft und ihr Talent. Im Unterscheid zu männlichen Supergroups drängt sich niemand in den Vordergrund. Es gibt keine Frontfrau, keine Divas und keinen Zickenkrieg. Indessen sind alle gleichberechtigt und unterstützen sich gegenseitig mit ihren Stimmen, sei es bei reduziertem Singersongwriter-Pop, rockigeren Nummern oder Folk-Balladen.


BILLIE BIRD

Incendies (Mouthwatering Records)

Nach einigen sehr spannenden Singles, die in dieser Rubrik besprochen wurden, bringt die queer-feministische Singersongwriterin aus der Waadt endlich ihr erstes Album heraus. Elodie Romain hat ihren Künstlernamen Billie Bird in Erinnerung an Isabella Bird gewählt. Wie die berühmte Reiseschriftstellerin und Abenteurerin des 19. Jahrhunderts weiss auch Billie Bird ganz genau, was sie will. «Incendies» ist ein sehr persönliches Werk, mit welchem Billie Bird in die Tiefe der menschlichen Seele eintaucht. Es ist primär aus dem Schmerz und der Trauer entstanden, aber in ihm wohnt die Kraft der Wiedergeburt und des Neubeginns inne. «Incendies» ist ein intensives Hörerlebnis, das die perfekte Balance zwischen den organischen und den elektronischen Elementen hält.


ZAHO DE SAGAZAN

La symphonie des éclairs (Disparate/Virgin Music France)

Die Newcomerin Zaho De Sagazan aus Nantes ist erst 23, aber in Frankreich wird sie schon jetzt wie ein Star gefeiert. Zaho De Sagazan verbindet wie keine andere vor ihr die Exzentrik einer Caroline Ringier oder Brigitte Fontaine, klassische Chansons à la Jacques Brel oder Barbara mit elektronischer Musik à la Kraftwerk. Auf ihrem Debüt «La symphonie des éclairs» orientiert sich Zaho De Sagazan deutlich spürbar an einem Pfad aus Cold Wave und Club-Sound. Dabei wird ihr dunkles Timbre von den Spielereien der Produzenten Alexis Delong und Pierre Cheguillaume, beide Mitglieder der Band Inuït, kraftvoll unterstützt.


MALONDA

Mein Herz ist ein dunkler Kontingent (Springstoff)

Die in Essen geborene Achan Malonda ist Songschreiberin, Sängerin, Autorin, politische Aktivistin, Musical-Darstellerin und noch einiges mehr. Auf ihrem Debütalbum «Mein Herz ist ein dunkler Kontinent» steht Malonda auf den Schultern von Grace Jones und Hildegard Knef. Mit ihren Vorbildern hat sie eine tiefe Stimmlage gemeinsam. Mit ihren Songs baut Malonda Brücken zwischen Disco und Chanson. Das Album beginnt mit einer Hymne auf die feministische Ikone „Hedy Lamarr“ und endet mit einer anti-rassistischen Neujahresansprache. Dazwischen singt Malonda über Einsamkeit, Beziehungsprobleme und ihr Begehren als Schwarze deutsche Frau.


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Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
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