Kantonspolizei Bern erfasst Hate Crime

Die Community soll ihr dabei helfen

Seit dem 1. Januar dieses Jahres erfasst die Kantonspolizei Bern Hate Crime. Darunter auch die Kategorien sexuelle Orientierung, Geschlechts­identität, -ausdruck und -merkmale. Dafür will sie aktive den Kontakt zur Community pflegen. Wie diese Zusammenarbeit funktionieren soll, wird nicht weiter erklärt.

Wie der Regierungsrat des Kantons Bern anlässlich der diesjährigen Frühlingssession mitteilte, beschränkt sich die Polizei dabei nicht nur auf die statistische Erfassung von Hate Crime gegenüber der LGBTI-Community, sondern bringt die OSZE-Definition von Hate Crime zur Anwendung und wird alle in dieser Definition beinhalteten Kategorien wie Ethnie, nationale Herkunft, Fremdenfeindlichkeit, Religion, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale erfassen.

Zusammenarbeit mit der Community

Bereits im Vorfeld wurden die Mitarbeitenden der Polizei im Umgang mit LGBTI-feindlicher Gewalt und den betroffenen Personen sensibilisiert. Zudem soll aber auch der aktive Kontakt zur Community gepflegt werden. Wie diese Zusammenarbeit funktionieren soll, wird nicht weiter erklärt. Wir haben deshalb bei der Kantonspolizei Bern nachgefragt. «Tatsächlich sind wir dabei, mehrere Massnahmen vorzubereiten und umzusetzen», antwortete auf unsere Anfrage Michael Fichter, Chef Prävention der Kantonspolizei Bern. Dazu gehöre beispielsweise ein Flyer zur Sensibilisierung, der dann auch die Grundlage für Workshops und Diskussionsrunden sein soll. Michael Fichter rechnet damit, dass dieser bis Ende Mai bereitsteht. Er hat versprochen, uns den Flyer und die Überlegungen dahinter in einem Gespräch vorzustellen. Wir bleiben dran!

Der politische Weg

Barbara Stucki

Dass im Kanton Bern Hate Crime gegenüber LGBTI-Personen endlich statistisch erfasst wird, geht auf eine von Grossrätin und HAB-Mitglied Barbara Stucki im Mai 2019 eingebrachte Motion zurück. Der Umsetzung wurde im März 2020 vom Grossen Rat mit 87 Ja- gegen 52 Nein-Stimmen bei 10 Enthaltungen – und gegen den Willen des Regierungsrats – zugestimmt. Zugestimmt hatten damals im Rat die Parteien BDP, GLP, EVP, SP und die Grünen. Die Gegner des Vorstosses, nämlich FDP, SVP und EDU, betonten damals, dass auch sie jegliche Art von Gewalt verurteilen würden, doch eine Statistik bringe den Betroffenen nichts, bloss die Bürokratie würde weiter ausgebaut.

Aktuelle Kriminalstatistik

Gemäss der Ende März veröffentlichten Kriminalstatistik gibt es im Kanton Bern immer mehr schwere Gewaltdelikte. Mit 210 Straftaten hat die Zahl im vergangenen Jahr einen neuen Höchstwert erreicht. Deutlich zugenommen hat dabei die Zahl der Fälle von schweren Körperverletzungen – jede vierte beschuldigte Person war minderjährig. Die Polizei wird deshalb auch in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Jugendgewalt setzen.

Wie viele Personen dabei von queerfeindlicher Gewalt betroffen sind, wissen wir – eben wegen fehlender statistischer Erfassung – nicht. Entsprechende Zahlen aus Deutschland aber sind alarmierend. Gemäss Angaben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat hat es im vergangenen Jahr in Deutschland 1005 Delikte im Bereich «Sexuelle Orientierung» und 417 Straftaten im Bereich «Geschlechtsbezogene Diversität» gegeben. «Statistisch gesehen werden jeden Tag in Deutschland etwa vier queere Personen Opfer einer Straftat – diese Zahlen sind dramatisch und alarmierend und können nur die Spitze des Eisbergs sein», kommentiert Ulle Schauws, Sprecherin für Queerpolitik der grünen Bundestagsfraktion, die Zahlen.«Diese Zahlen aus Deutschland beweisen», sagt Grossrätin Barbara Stucki, «wie wichtig die statistische Erfassung von queerfeindlicher Gewalt ist». Ohne beweisende Zahlen sieht sich die Politik leider nicht in der Pflicht zu reagieren.

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