Marc Almond, der ewige Aussenseiter

«I'll live my own life, I'll go my own way, I'll sing my own song, I'll bang my own drum»

Marc Almond? Ist das nicht der Typ mit dem Song «Tainted Love»? Richtig! Für das Synthpop-Duo Soft Cell war das 1981 ein Welthit, den noch heute jeder kennt. Für Marc Almond war das nur der Anfang einer langen und kreativen Karriere als Sänger. Trotz kommerziellem Erfolg, blieb er stets ein Aussenseiter.

Marc Almond kam 1957 in Southport zur Welt. Er war ein kränkliches Kind, litt unter Asthma und Lernschwierigkeiten. Doch schnell wurde seiner Mutter klar, der Junge hat kreatives Talent. Also schickte sie ihn nach Leeds auf die Kunstschule. Dort begegnete er Dave Ball, mit dem er 1977 das Duo Soft Cell gründete. Dave Ball war der Soundtüftler, der mit seinem Synthesizer neue Klänge kreierte während Marc Almond für Gesang und Performance zuständig war. 1980 unterzeichnete das Duo einen Plattenvertrag mit dem Independent-Label Some Bizzare. Für das Label ein guter Deal, denn in nur drei Jahren hatte Soft Cell neun Top 40 Hits und landete mit ihren drei Alben in den Top 20 der UK-Charts. Ihr grösster Hit war aber «Tainted Love», der heute zu den Klassikern aus den 80er-Jahren zählt. 1984 trennten sie sich und kamen erst 2002 wieder zusammen für weitere Soft Cell-Poduktionen.

Marc Almond, 1981. (Photo: Fin Costello/Redferns)

 

Doch schon während seiner Soft Cell-Zeit hatte Marc Almond andere Projekte am laufen. Er gründete die Band Marc and the Mambas, die mit akustischen Instrumenten und ständig wechselnden Musikern arbeitete. Die Mambas waren musikalisch prägend für Marc Almond. Damals entwickelte er seinen typischen Stil der Gothic, Chansons, Cabaret und Pop vermengte, mit düsteren Texten die sich mit Menschen am Rande der Gesellschaft auseinander setzten. Aussenseiter eben, wir er einer war. Seine Fans nannten sich seit dem Gutter-Hearts, nach einem Song von Marc and the Mambas.

Marc Solo

1984 erschien Marc Almonds erstes Solo Album «Vermin in Ermin», was soviel heisst wie Ungeziefer in Hermelin. Ein passender Titel, der Marc Almonds Stil gut beschreibt. Er schaffte es den Glamour und die Gosse zu verbinden. In seinen Liedern spielen Matrosen, Selbstmörder, Huren, Geächtete und gebrochene Herzen, Betrogene und Verlassene die Hauptrollen. Mit «Something’s Gotten Hold of My Heart» hatte er 1988 nochmals einen Nummer 1 Hit. Wie «Tainted Love» war auch das eine Coverversion. Doch diesmal sang er sie im Duett mit dem Originalinterpreten Gene Pitney. Das Album dazu, «The Stars We Are», wurde sein erfolgreichstes Solo-Album.

Der kommerzielle Erfolg blieb danach zwar bescheiden, nicht aber Marc Almonds Kreativität. Er suchte immer wieder neue Herausforderungen. So nahm er ein Album mit Chansons von Jaques Brel auf, einem seiner grossen Vorbilder. Die französischen Texte hat er zusammen mit Paul Buck in die englische Sprache übersetzt. In den 90er-Jahren wechselte er zum grossen Plattenlabel WEA, bei dem er mit dem damals angesagten Hitproduzenten Trevor Horn ein Album aufnahm. 1992 durfte er mit grossem Orchester in der berühmten Royal Albert Hall in London auftreten. Das Konzert gibt’s auch als CD und Video unter dem Titel «12 Years of Tears». Doch im Privatleben waren die 90er für Marc Almond eher schwierig. Er war Medikamenten abhängig und musste in eine Entziehungskur.

Marc in Moskau

Im Jahr 2000 zog Marc Almond nach Moskau. Eine mutige Entscheidung für einen schwulen Mann, sollte man meinen. Doch der Brite fühlte sich wohl in der russischen Metropole. Er blieb drei Jahr und nahm dort das Album «Heart on Snow» auf, mit bekannten russischen Volksliedern, die er ins Englische übersetzte. Als erster westlicher Musiker konnte er mit dem legendären Rossiya Folk Orchestra aufnehmen und auftreten. Acht Jahre später nahm er ein weiteres russisches Album auf («Orpheus in Exile»), mit Liedern des legendären schwulen Sängers Vadim Kozin (1903-1994), der wegen seiner Homosexualität in einem sowjetischen Arbeitslager landete.

Marc Almond schlitterte 2004 nur knapp am Tod vorbei. Er hatte einen schweren Motorradunfall und lag Wochen im Koma. Nur langsam erholte er sich von seinen Verletzungen und einer posttraumatische Belastungsstörung. Er musste wieder lernen zu singen und zu schreiben. Danke der Hilfe von Freunden und Verwandte schaffte er es zurück ins Studio und auf die Bühne. Es folgten weitere Alben und Konzerte.

Das Album «A Lovely Life to Live» von Jools Holland und Marc Almond, 2018

2008 ging er zum ersten Mal mit dem Pianist und Bandleader Jools Hollands auf Tournee. In dessen Live-Musik TV-Sendung «Later … with Jools Holland» war Marc schon öfters Gast und die beiden wurden Freunde. Aber erst 2018 fanden sie Zeit ein gemeinsames Album aufzunehmen. Im Rhythm & Blues-Stil interpretieren sie nicht nur den Soft Cell-Klassiker «Tainted Love», sie schrieben auch gemeinsam neue Songs für das Album «A Lovley Life to Live». Jetzt sind die beiden Herren auf Tournee durch Europa um das Album den Fans vorzustellen.

Marc Almond, der ewige Aussenseiter, ist inzwischen 61 jährig und immer noch sehr aktiv als Sänger. Almond sagte in einem Interview, er sei immer noch etwas Anti-Establishment, fügte jedoch hinzu: «Ich kann nicht mehr wirklich ein Rebell sein. Ich denke, es ist an der Zeit, das jüngeren Leuten zu überlassen.». Marc Almond war zwar seit Beginn seiner Karriere offen schwul, mag es aber nicht als schwuler Künstler bezeichnet zu werden. Er findet, dass dieses Label «die Menschen dazu ermächtigt, ihre Arbeit an den Rand zu drängen und ihre Bedeutung zu reduzieren, was bedeutet, dass es für niemanden von Interesse ist, der nicht schwul ist». Mit seinem bisherigen Leben ist er allerdings ganz zufrieden. «Ich hatte ein erfülltes Arbeitsleben und ein komfortables Privatleben». Seit 40 Jahren fand er immer wieder spannende musikalische Projekte und seit 20 Jahren lebt er in einer festen Beziehung. Genau deshalb ist er ein Idol für viele, die sich ebenfalls als Aussenseiter sehen, Marc lebt vor, dass man auch als Aussenseiter ein glückliches, erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen kann oder wie er 2015 auf seinem Album «The Velvet Trail» sang «I’ll live my own life, I’ll go my own way, I’ll sing my own song, I’ll bang my own drum».

 


Album Teaser

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