Judy Garland über dem Regenbogen

Die erste Gay-Ikone bleibt unvergessen

Judy Garland sang die Gay-Hymne «Over the Rainbow», die zur Inspiration für die LGBTQ-Regenbogenfahne wurde. Ihre Beerdingung – ein Tag vor den Stonewall-Aufständen – soll Auslöser gewesen sein für den Kampf, der als Anfang der Bürgerrechtsbewegung der Schwulen, Lesben, Bi und Trans gilt. Am 22. Juni gedenken wir dem 50. Todestag der Gay-Ikone Judy Garland.

Judy Garland, eigentlich Frances Ethel Gumm, erblickte am 10. Juni 1922 in Minnesota (USA) das Licht der Welt. Ihre Eltern führten ein Kino, in dem die ganze Familie in den Pausen mit Tanz- und Gesangsnummern auftrat. In der Hoffnung, für den Film entdeckt zu werden, zog die Familie nach Hollywood. Die 7-jährige Judy hatte ihr Debüt im Film «The Big Revue». Dieser Auftritt verschaffte ihr einen Vertag mit der Filmproduktionsgesellschaft MGM, die sie zum Kinderstar formte. Zu ihrer bekanntesten Rolle wurde die Dorothy in «Der Zauberer von Oz» (1939), der noch heute zu einem der bekanntesten Filme der USA zählt. Sie spielte darin eine Waise aus dem tristen Kansas, die es in die Zauberwelt Oz verschlägt. Dort trifft sie auf verschiedene Aussenseiter, die von Dorothy vorbehaltlos akzeptiert werden. Unter ihnen ein feiger Löwe, der sich selber als ‘Sissy’ bezeichnet und sehr effeminiert – oder eben schwul – agiert. Das führte zum Ausdruck «Friends of Dorothy», mit dem sich in der damalig homophoben Zeit Schwule zu erkennen gaben. Der Song «Over The Rainbow» aus dem Film wurde zum Evergreen und gilt als inoffizielle Hymne der Schwulen und Lesben – auch heute noch. Will sich eine Sängerin bei den Gays beliebt machen, singt sie dieses Lied. Kylie Minogue, Barbra Streisand, Nina Hagen, Nana Mouskouri, Patti LaBelle und viele anderen haben ihn schon aufgenommen. Und natürlich war es auch dieser Song, der zur Idee für die Regenbogen-Flagge führte, mit der sich heute Schwule und Lesben zu erkennen geben.

«Friends of Dorothy». Judy Garland als Dorothy im Filmklassiker «The Wizard of Oz» mit ihren Aussenseiterfreunden. Der Film läuft am Samstag, 15. Juni 2019 um 13.15 Uhr auf SRF zwei.

 

Schwieriger Star

Nach dem Kinderstar-Dasein kommt oft der Absturz. Auch bei Judy Garland. Die junge Schauspielerin galt als äusserst schwierig und war abhängig von Schlaf- und Aufputschmitteln. Doch konnte sie 1944 noch einen weiteren grossen Erfolg verbuchen mit dem Musical «Meet me in St. Louis». Sie verliebte sich in den Regisseur des Musicals, Vincent Minelli, der als heimlich bisexuell galt. Trotzdem heiratete sie ihn. Es war ihre zweite von insgesamt fünf Ehen. Mit Vincent Minelli zeugte sie die Tochter Liza Minelli, die später ebenfalls zur Gay-Ikone wurde. 1950 stand die Ehe mit Minelli kurz vor dem Scheitern und ihr Vertrag mit MGM wurde ihr gekündigt. Ihre Karriere schien am Ende zu sein. Ehemann Nummer Drei, Sidney Luft, verhalf ihr zum Comeback. Er organisierte eine Gesangsshow für sie, mit der sie durch ganz Amerika tourte. Es wurde ein grosser Erfolg! Im Laufe ihrer Karriere gab sie über 1500 Konzerte auf der ganzen Welt. Als legendär gilt ihr Konzert in der New Yorker Carnegie Hall von 1961. Schon damals bemerkte die Presse, dass ihre Konzerte von auffallend vielen «Männern in engen Hosen» – so wurden in dieser Zeit Schwule umschrieben – besucht werden. Das Carnegie Hall Konzert wurde auch als Schallplatte veröffentlicht und gewann fünf Grammys. 2006 hat Rufus Wainwright das legendäre Konzert 1:1 wieder aufgeführt und es als «schwulsten Moment seines Lebens» bezeichnet.

Links: Judy Garland mit ihrer Nachfolgerin als Gay-Ikone Barbra Streisand. Rechts: Ihr Auftritt in der Carnegie Hall, 1962.

«I wanted to believe, and I tried my damnedest to believe, in the rainbow. I tried to get over, and I couldn’t! … So what? Lots of people can’t!»

Judy Garland

 

Judys Tod weckt die Schwulen auf

Ihre letzten Jahre verbrachte Judy Garland in London mit ihrem fünften Ehemann, einem Nachtclubbesitzer. Ihre Drogenabhängigkeit und eine schwere Hepatitis forderten aber ihren Tribut. Am 22. Juni 1969 verstarb sie, im Alter von 47 Jahren, an einer ‘versehentlich’ eingenommenen Überdosis Schlaftabletten. Als der Leichnam am 26. Juni nach New York überführt wurde, säumten über 20’000 Menschen die Strasse. Mehr als die Hälfte davon sollen schwule Männer gewesen sein, die aus ganz Amerika angereist waren, für das letzte Geleit ihrer Ikone. Viel nahmen selbstgebastelte Regenbogenfahnen mit, als Referenz an ihren Song «Over The Rainbow», ihrer Hymne.

Am 27. Juni wurde Judy Garland beigesetzt. Einen Tag später wehrten sich Homosexuelle zum ersten Mal gegen die willkürlichen Razzien der Polizei in Gay-Lokalen. Schwule, Lesben, Dragqueens und Trans-Menschen gedachten im «Stonewall Inn» ihrer Gay-Ikone, als die Polizei auftauchte, um eine Razzia durchzuführen. Dass es ausgerechnet an diesem Abend passierte, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Eine besoffene Dragqueen – oder eine Trans oder eine Butch – es gibt unterschiedliche Legenden – wehrte sich vehement und warf mit Steinen auf die Polizei. Weitere schlossen sich an und ein mehrtägiger Aufstand nahm seinen Anfang, der zur Geburtsstunde der Bürgerrechtsbewegung der Schwulen, Lesben, Bi und Trans wurde. Judy war die Gay-Ikone der 50er- und 60er-Jahre. Auch heute noch kennt jeder aus der LGBTQ-Community Judy Garland oder zumindest ihren Song «Over The Rainbow». Wenn wir in diesem Jahr also 50 Jahre Stonewall feiern und unsere Regebogenfahnen schwingen, gedenken wir gleichzeitig dem 50. Todestag von Judy Garland, die den Gays Mut machte und Inspiration für viele war.

 

Judy Garland singt «Over The Rainbow» als Dragking!

In ihren vielen Fernsehshow sang sie «Over The Rainbow» nur selten. Hier einer dieser raren Auftritt in dem sie als ‘Tramp’ verkleidet ist! “The Judy Garland Special”, 1955.

 

Zwei Gay-Ikonen im Duett

Hollywood Legende Judy Garland hat Barbra Streisand 1963 in ihre TV-Show eingeladen, bevor sie zum grossen Star wurde. Was Judy Garland für die LGBTs vor den Stonewall-Unruhen war, wurde Barbra Streisand für die Generation danach.

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