STOP AIDS – Die Geschichte der Kampagne

Die Schweiz reagierte als eines der letzten Länder auf die Aids-Epidemie.

Als sich Anfangs der 80er-Jahre das HI-Virus – das die Krankheit AIDS auslöst – rasend schnell auf der ganzen Welt verbreitet, wurde sie noch als Schwulen-Seuche bezeichnet. Denn es waren in den ersten Jahren vor allem Schwule, die der tödlichen Krankheit, die durch Sex übertragen wird, zum Opfer fielen. Aber schnell wurde klar, dass der Virus keinen Unterschied macht, welche sexuelle Orientierung der Wirt hat, in dem er sich einnistet um sein zerstörerisches Werk zu vollenden.

Auch die Schweiz, und die Schwulen Szene in unserem Land, waren betroffen. In der Gay-Community herrschte damals Panik und Trauer. Viele Männer steckten sich an und viele sind damals gestorben. Um den Betroffen zu helfen, wurde die Aids Hilfe gegründet, die vom Bundesamt für Gesundheit unterstützt wurde. Ihre Botschaft war einfach und klar. Gegen das Virus hilft nur eins: Safer Sex – also Sex nur mit Kondom. So wurde der Slogan «STOP AIDS» von der Werbeagentur cR kreiert.

Jetzt musste dieser Slogan unters Volk gebracht werden. Doch wie verbreitet man eine Botschaft die von Sex und Tod handelt ohne all zu viele Menschen zu erschrecken? Kreativität war gefragt. Natürlich durfte die Kampagne provozieren, dadurch erreicht man Aufmerksamkeit, aber sie musste auch Hemmungen abbauen und gegen Verklemmtheit ankämpfen. Der rosarote Pariser, der das O in Stop ersetzte, war damals allgegenwärtig. Die Botschaft wurde verstanden.

Die Schweiz reagierte als eines der letzten Länder auf die Aids-Epidemie. Aber dann tat sie es mit einer Kampagne, deren Direktheit die Experten der anderen Länder vor Scham erröten und vor Neid erblassen liess. Selten waren sieben Buchstaben so eindrücklich wie «Stop Aids» mit dem Pariser. Und nie zuvor hatten die Schweizerinnen und Schweizer von einem Bundesamt eine Broschüre über Sex bekommen. Slogans wie «Ohne Dings kein Bums» gehören zu den Jugenderinnerungen einer ganzen Generation

Auch wenn die Zeit für die Schwulen Szene damals schrecklich war, hatte sie dank der Stop-Aids-Kampagne auch ihre positiven Seiten. Es wurde über schwulen Sex gesprochen, über Analverkehr und Blasen. Auf öffentlichen Plakatwänden waren Männerpaar zu sehen. Viele erinnern sich noch an das schöne Plakat von den zwei Männern die im Kornfeld lagen. So ein Bild war vorher nie öffentlich zu sehen. Natürlich gab es Gegenwind aus religiösen und konservativen Kreisen. Sie wollten, dass mehr auf Treue, statt auf Präservative gesetzt wird. Die Empörung war teilweise so gross, dass die Plakate abgerissen und zerstört wurden oder sich Bürgermeister weigerten sie ihn ihrer Gemeinde aufzuhängen.

Der Echtzeit Verlag hat nun ein Buch herausgegeben, das die Geschicht der STOP AIDS-Kampagne aufzeigt. Zu sehen sind die verschiede Kampagnen über all die Jahre. In Textbeiträgen wird die Geschichte von reisenden Ärzten, schwulen Aktivisten, kühnen Beamten und trickreichen Werbern erzählt. Gemeinsam klärten sie ein ganzes Land auf, engagiert und unverblümt. Es ist ein Buch über das Coolste, was die Schweiz hervorgebracht hat: ihren Pragmatismus.

 

Positiv. Aids in der Schweiz.

Klappenbroschur, bebildert, 144 Seiten,
32 Franken, 29 Euro. Erscheint am 22. Januar 2018.

Mit Beiträgen von Michèle Binswanger, Carlos Hanimann, Dominik Imseng, Nadine Jürgensen, Olivia Kühni, Barbara Reye, Alexander Seibt, Gabriel Vetter und Ursula von Arx.

Herausgegeben von Constantin Seibt. Seibt, geboren 1966 in Frankfurt am Main, war Kolumnist und Reporter bei der Wochenzeitung Woz und schrieb danach für den Tagesanzeiger. 2017 gründete er das Onlinemagazin republik.

 

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