
«IN THE CLOSET» von Li Tavor
Ausstellung in der Stadtgalerie vom 9. Mai bis 28. Juni 2025
«In the closet» ist eine Metapher aus der queeren Geschichte. Sie sagt aus, dass eine homosexuelle Person kein Outing hatte, sich demnach noch «im Schrank» versteckt. Ein Synonym also, für das Verbergen der eigenen Identität, die aus Scham in den privaten Räumen bleibt. In der Einzelausstellung «In the Closet» setzt sich Li Tavor mit diesen queeren Codes auseinander.
Li Tavor (*1983 in Basel) ist Architekt*in, Komponist*in, Performer*in und Künstler*in. In ihrer künstlerischen Praxis befasst sie sich mit den Beziehungen zwischen Klang, Architektur und deren Wahrnehmung. Tavor thematisiert, wie der gebaute, gesellschaftliche oder kulturelle Raum als vermeintlich objektive Grösse begründet wird und sucht nach subjektiven Zugängen, um die damit verbundenen Normen und Standards zu hinterfragen. In Tavors installativen Sound- und Videoarbeiten wird körperlich erfahrbar, wie die unterschiedliche räumliche Situierung die individuelle Wahrnehmung beeinflusst. In der Einzelausstellung «In the Closet», die in der Stadtgalerie zu sehen ist, widmet sich Li Tavor queeren Codes, die mit dem eigenen Körper sowie der Grenze zwischen privaten und öffentlichen Räumen assoziiert sind: Kleidung, Tätowierungen, Hormone, Kunst oder Inneneinrichtungen dienen der Kommunikation, Selbstverwirklichung und Identifikation und werden von queeren Kulturen zur subversiven Abgrenzung oder gegenseitigen Erkennbarkeit eingesetzt.
Queere Kulturen und Identitäten, haben zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Techniken entwickelt, um in einer oft feindlichen Umwelt die eigene Identität zu wahren und sich vor anderen queeren Personen erkennbar zu machen. Im Zentrum der Ausstellung steht das Wechselspiel von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Schutz und Verletzlichkeit – verkörpert durch den «Closet» als Symbol, Raum und Objekt.
Die Metapher des «Closets», für die die deutsche Sprache bis heute keinen vergleichbaren Ausdruck kennt, hat ihre Wurzeln in der queeren Geschichte des 20. Jahrhunderts, bezieht sich aber auch auf ältere kulturelle Vorstellungen von Geheimhaltung, Scham und privaten Räumen. Sie steht für das sich Verstecken und Unsichtbar machen, aber auch für einen Raum, der letztendlich «Verlassen» werden muss – denn «coming out» ist das Ziel und Leitmotiv queeren Lebens, zumindest in einem westlichen Selbstverständnis. Dieses ist jedoch kein einmaliger, sondern ein fortwährender Prozess und das «in the closet»-Sein, begleitet queere Menschen in der Regel ihr gesamtes Leben.
Die Ausstellung erstreckt sich über die drei Räume der Stadtgalerie Bern und verbindet Objekte, Fotografie und Videoarbeiten zu einer ortsspezifisch konzipierten Gesamtinstallation. Elemente eines Schranks – wie Türen, Spiegel, Kleiderstangen und Bügel – werden in skalierten Grössen (überdimensioniert oder miniaturisiert) als Skulpturen inszeniert. In Epoxidharz getränkte, glänzende Kleidungsstücke werden über die Schrankelemente drapiert. Die Kleidungsstücke sind teilweise unkonventionell zusammengenäht, etwa ein kleines T-Shirt mit einem überlangen Ärmel, und zeigen Subversionen suggerierter Körpernormen durch massenproduzierte Kleider. Bewegte Bilder und Fotografien verweisen auf die körperliche Präsenz im Closet. Türdurchgänge und Fensterflächen werden Vorhängen ähnlich mit Latexbahnen versehen und schirmen die Ausstellungsräume nach aussen ab. Li Tavor strebt mit der begehbaren Gesamtinstallation eine intime immersive Raumwirkung an.
PROGRAMM
Vernissage
Donnerstag, 8. Mai 2025, 18 Uhr
Reflect your Closet
Samstag, 10. Mai 2025, 12–16 Uhr
Zur Ausstellung entwickelte die angehende Kunstvermittlerin Nina Baumann eine Fragensammlung, die dazu anregt, Kleidung bewusst wahrzunehmen: Mit einem Kartenset lädt sie spielerisch dazu ein, über den eigenen Kleiderkonsum zu diskutieren, über Identitätsausdruck nachzudenken sowie mit Kleidungsstücken verbundene Normen und gesellschaftlichen Vorstellungen zu überdenken. Komm mit deinen stilbewussten Grosseltern, deiner immer bunt angezogenen Freundin oder deinem Nachbarn, den du nur in Jogginghose kennst. An diesem Nachmittag gibt es die Möglichkeit, sich aktiv mit Freund*innen und Unbekannten in der Ausstellung über die eigene Beziehung zu Kleidung auszutauschen und das Kartenset einzuweihen.
Rundgang mit Übersetzung in Gebärdensprache
Donnersatg, 12. Juni 2025, 18 Uhr
Eva-Maria Knüsel, Leiterin Stadtgalerie, führt durch die Ausstellung In the Closet. Mit Simultanübersetzung in Gebärdensprache von Janet Fiebelkorn, Gebärdendolmetscherin. Der Rundgang richtet sich an alle hörenden und nicht-hörenden Interessierten.
Untitled (Promote Homosexuality)
Samstag, 28. Juni 11–19 Uhr
Filmprogramm, kuratiert von Renée Steffen & Li Tavor (Special Affects Collective)
Als Erweiterung der Ausstellung In the Closet bringt dieses eintägige Filmprogramm eine Sammlung von Werken zusammen, die die sich verschiebenden Grenzen zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, privatem und öffentlichem Raum, Begehren und Selbstbestimmung erkunden: Die Filme reflektierten die Art und Weise, wie queere Identitäten geprägt, verborgen, ausgedrückt und neu angeeignet werden – sei es durch persönliche Erinnerungen und archivarische Fragmente («L Is for the Way You Look», «Hide and Seek»), durch traumhafte Fantasien («Pink Narcissus») oder durch radikale politische Diskurse («Nicht der Homosexuelle ist pervers …»). Vom Museum als Ort queerer historischer Verstrickungen und kolonialer Erben («The Attendant») bis zur Underground Leatherdyke-Szene der 1990er Jahre («Bloodsisters») verfolgen die Filme das komplexe Zusammenspiel zwischen kulturellen Codes, Selbstrepräsentation und Subversion.
«IN THE CLOSET»
Li Tavor
Ausstellung vom 9. Mai bis 28. Juni 2025
Stadtgalerie PROGR
Waisenhausplatz 30, 3011 Bern
www.stadtgalerie.ch
Öffnungszeiten Mittwoch – Freitag 14–18 Uhr; Samstag 12–16 Uhr