Kann denn Liebe Sünde sein?

«Im Schatten der Träume» jetzt im Kino

1938 sang Zarah Leander im Film «Der Blaufuchs» das Lied «Kann denn Liebe Sünde sein?» Der Film war ein Flop, das Lied hingegen wurde ein Hit und Evergreen. Den Liedtext geschrieben hat der offen schwule Bruno Balz. Doch offen homosexuell zu sein während der Naziherrschaft, war schwierig und kostet ihm fast das Leben. Regisseur Martin Witz hat einen Dokumentarfilm über das bewegte Leben von Bruno Balz und seinen musikalischen Partner Michael Jary gedreht.

Bereits als 17-Jähriger wusste Bruno Balz, dass er homosexuell ist. Er besuchte 1919 Magnus Hirschfeld Berliner Institut für Sexualforschung und füllte dort den «psycho-biologischen Fragebogen» aus, den Hirschfeld für seine sexualwissenschaftlichen Studien entwickelt hatte. Mit seiner Forschung und Aufklärung legte Hirschfeld den Grundstein für den politischen und gesellschaftlichen Kampf um die Gleichberechtigung von Homosexuellen. Bruno Balz engagierte sich in der Homosexuellenbewegung und war auch Aktmodell für homoerotische Zeitschriften. Zudem konnte er in solchen einschlägigen Zeitschriften bereits Gedichte, Aufsätze und Erzählungen veröffentlichen. Auch als Textdichter, wie er sich selbst nannte, begann er. 1923 erschien seine erste «schwule Schallplatte» mit dem hübschen Titel «Bubi lass uns Freunde sein».

Die Zeitschrift «Schweizerisches Freundschafts-Banner» setzte das Bruno Balz-Gedicht WIR WACHEN am 1. Februar 1934 auf ihre Titelseite. Bruno Balz mit 19 und kurz vor seinem Tod. «Bubi lass uns Freunde sein», Balz erster Song der veröffentlicht wurde. Mehr Infos: www.bruno-balz.com

 

Mit dem Aufkommen des Tonfilms Ende der 20er-Jahre, kommt Bruno Balz Karriere als Textdichter in Fahrt. Mehr als 1000 Lieder wird er in seiner Karriere schreiben. In dieser Zeit begann auch der Aufstieg der Nationalsozialisten. Doch Faschismus verträgt sich mit offen gelebter Homosexualität schlecht. Balz war jedoch in seinem Job zu gut, als dass die Nazis auf ihn hätten verzichten können. Beim «Schwulenklatschen» der Nazis wurde er 1936 trotzdem zum ersten Mal verhaftet. Nach acht Monaten im Gefängnis kam er mit drei Auflagen frei: Sein Name wird aus allen Veröffentlichungen gestrichen, Fotos von ihm dürfen nicht mehr publiziert werden und er muss heiraten. Für letztere Auflage stellte ihm das Regiem die «Nazi-Marionette» Selma zur Seite. Klar, dass Selma ihn auch ausspionierte, verkehrten bei ihm zuhause doch viele Freunde, Künstler und Künstlerinnen, welche den Nazis nicht geheuer waren.

Zwei dieser Freunde waren Zarah Leander und Michael Jary. Bereits der erste Song, den er 1937 für die Filmdiva schrieb, wurde ein Hit: «Der Wind hat mir ein Lied erzählt». Im selben Jahr lernte er auch den Komponisten Michael Jary kennen. Die beiden Männer arbeiteten bis in die 1960er Jahre als kongeniales Duo zusammen und schrieben zahlreiche Lieder für Zahra Leander, aber auch für Heinz Rühmann, Pola Negri, Evelyn Künneke, Peter Alexander, Heidi Brühl und vielen mehr.

«Davon geht die Welt nicht unter»

1941 landete Balz zum zweiten Mal im Gefängnis. Die SS stellte ihm eine Falle in der Gestalt eines jungen Verehrers. Balz wurde ins Gestapo-Hauptquartier gebracht, wo er auch gefoltert wurde. Die Verhaftung passierte kurz vor Drehbeginn des Propaganda-Films «Die große Liebe» mit Zarah Leander. Die Filmproduktionsgesellschaft UFA und Michael Jary intervenieren bei der Gestapo. Sie brauchen dringend Lieder für den Film, und das könne nur der Balz. So wurde er freigelassen mit der Bedingung, innerhalb von 24 Stunden die Filmsongs zu schreiben. In jener Nacht entstand: «Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen» und «Davon geht die Welt nicht unter». Seine bekanntesten Songs. Es sind hoffnungsvolle Lieder, die ihn im Gefängnis am Leben gehalten haben, aber auch dem Publikum Hoffnung gaben. Hoffen auf den Endsieg — wie es das Propaganda-Ministerium interpretierte —, oder doch eher hoffen, dass die Nazi Zeit endlich vorbei ist und die Hetze gegen Homosexuelle aufhört, wie es vermutlich eher im Sinn von Balz ist.

Links: Bruno Balz und Michael Jary arbeiten an neuen Songs. Recht: Bruno Balz mit Zarah Leander Mitte der 60er-Jahre.

 

«Niemand kennt mich. Zehn Jahre nach meinem Tod werden auch meine Lieder vergessen sein», soll Bruno Balz gesagt haben. Er irrte sich. Bruno Balz hat die Nazis überlebt und seine Lieder die Zeit. Der Autor dieses Artikels ist 1983 erstmals Bruno Balzs Werk begegnet. Damals nahm Nina Hagen den Song: «Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen» auf. Bis heute werden viele seiner Lieder immer wieder neu interpretiert.

Mit dem Ende der Naziherrschaft hörte die Homo-Hetze nicht auf. Für Homosexuelle war die Nachkriegszeit keinen Deut besser. Doch davon geht die Welt nicht unter und Wunder geschehen. Anfangs der 60er-Jahr fand Bruno Balz endlich die so oft im Schlager besungene «grosse Liebe». Er war vierzig Jahre jünger, Schauspieler, Künstler und hiess Jürgen Draeger. Seine Ehefrau wollte partout keine Scheidung, sie befürchtete einen Statusverlust. Balz «verbannte» sie in seinem Haus in eine separate Wohnung. Seine «wahre» Ehe mit Jürgen Draeger hielt der Zeit stand. Zudem konnte Balz miterleben, wie Homosexualität 1969 entkriminalisiert wurde und wie Anfangs der 70er-Jahre die Homosexuellenbewegung, deren Beginn er als Jugendlicher miterlebt, endlich weitergeführt wurde. Als Bruno Balz 1988 starb wurde Jürgen Draeger zum Alleinerben, mit der Bestimmung, erstmal 10 Jahre lang nichts zu sagen. Mit der Jahrtausendwende wurde es Zeit, Bruno Balz wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Diese Bemühungen mündeten jetzt in den Dokumentarfilm «Im Schatten der Träume» über Bruno Balz und Michael Jary.

«Im Schatten der Träume»

Der Texter Bruno Balz und der Komponist Michael Jary haben als erfolgreichstes Duo des deutschen Kinos und Schlagers unsere Popkultur über Jahrzehnte geprägt. Das Leben von Balz und Jary selbst könnte das Drehbuch zu einem Melodram liefern: Die Wilden Zwanziger, Kino-Glamour, ikonische Songs, Gestapo-Haft, Bombenhagel, Neuanfang in den Fünfzigern und die swingenden Sechziger – bis heute ist die Musik von Bruno Balz und Michael Jary lebendig. Der Schweizer Regisseur Martin Witz hat daraus den Dokumentarfilm «Im Schatten der Träume» gemacht. Er kombiniert Szenen aus bekannten Spielfilmen mit privaten Fotografien, seltenen Interviews, Erinnerungen von Zeitzeugen und -zeuginnen. Sachkundige wie der Musikhistoriker und Unterhaltungskünstler Götz Alsmann erläutern kenntnisreich und hintergründig die Entstehungsgeschichten der weltberühmten Lieder und Filme – und warum die Musik von Jary und Balz so verblüffend zeitlos ist. «Im Schatten der Träume» denkt über ‹Unterhaltung› nach, über Glamour, Ideologie, über Politik und Poesie: Eine Zeitreise durch vier Jahrzehnte Populärkultur, die mit Swing, frechen Berliner Chansons und Liebesliedern einen weiten musikalischen Bogen spannt.


«Im Schatten der Träume»

CH/DE, 2024
91 Minuten
Regie & Buch: Martin Witz
Produzenten; Ivan Madeo, Carl-Ludwig Rettinger
Mit Götz Alsmann, Manfred Herzer, Micaela Jary, Claudio Maniscalco, Rainer Rother, Klaudia Wick, Bibi Johns, Carol Schuler (Gesang)

Jetzt im Kino!

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