Das Herz schlägt auch in der Krise
Die Schweizer Erstaufführung des AIDS-Dramas «The Normal Heart»
Ab dem 6. Oktober zeigt Theater Central das Stück «The Normal Heart», in dem der Autor und Aktivist Larry Kramer seine autobiografischen Erfahrungen wären der AIDS-Krise Anfangs der 80er-Jahre verarbeitet. Das Stück ist heute noch relevant, weil es zeigt, wie wichtig es ist, sich gegen Diskriminierung und Unterdrückung zu wehren und eine starke politische Bewegung für die Rechte und Gesundheit von LGBTQ-Personen aufzubauen.
Die AIDS KRISE
Anfangs der 1980er-Jahre wurden in der Gay-Community von New York plötzlich Männer krank und starben kurz darauf. Die Krankheit hatte noch keinen Namen, wurde aber bald als Schwulen-Seuche bezeichnet. Da sich mit dem Virus – der später den Namen HIV/AIDS bekam – vor allem Männer, die Sex mit Männern hatten ansteckten, wurde sie von der breiten Öffentlichkeit, sprich der heterosexuellen Mehrheit, ignoriert und anfangs nicht ernst genommen. Sogar von einer Strafe Gottes war die Rede, für das angeblich sündige Leben der Homosexuellen. Nach dem gesellschaftlichen Befreiungsschlag durch Stonewall und der nachfolgenden Gründung der ersten politischen Gruppen in den 70er-Jahren, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzten, bedeutete die AIDS-Epidemie ein massiver Rückschlag. Nicht nur christliche Fundamentalisten, auch viele Homosexuelle selbst, empfanden den Virus wie eine Strafe. So viele sind damals der Krankheit zum Opfer fallen, das wir heute davon sprechen, das fast eine ganze Generation von Schwule wegstarb. Diese Erfahrung hat in unserer Community bis heute Wunden hinterlassen.
Larry Kramer (1935-2020), ein jüdisch-amerikanische Schriftsteller («Faggots», 1978), Dramatiker und schwuler Aktivist, gründete 1982 eine Organisation, die das Bewusstsein dafür schärfen soll, dass diese Krankheit eine bestimmte Gruppe von Menschen dahinrafft. Die Erfahrungen, die Kramer dabei machte, hat er in einem Theaterstück verarbeitet. «The Normal Heart» wurde 1985 in New York uraufgeführt und ist seither immer wieder auf der ganzen Welt gespielt worden. Ab dem 6. Oktober wird es nun erstmals in der Schweiz gezeigt, in Bern, in einer Inszenierung vom Theater Central unter der Regie von Alec Brœnnimann.
Das Theaterstück
In «The Normal Heart» geht es um Alexander «Ned» Weeks. Er gründet mit einer Gruppe von Männern eine Organisation, um HIV-Patienten zu unterstützen. Während seinen Bemühungen muss Ned gegen die Ignoranz und die Diskriminierung durch die Gesellschaft kämpfen. Unterstützung erhält er von der seit ihrer Kindheit an Polio erkrankten Ärztin Emma Brookner, die sich im Alleingang und gegen die explizite Anweisung ihrer Arbeitgeber intensiv um die infizierten kümmert und versucht, Herkunft und Verlauf der Erkrankung zu erforschen. Ned bittet auch seinen Bruder Ben um Hilfe bei der Finanzierung seiner Krisenorganisation. Bens Haltung gegenüber seinem Bruder ist jedoch bloss eine passive Unterstützung, was letztlich seine Homophobie entlarvt. Mit seinen Mitstreitern für die Rechte und für die Hilfe von AIDS-Opfern, läuft auch nicht alles rund. Und dann ist Ned auch noch zum ersten Mal in seinem Leben verliebt! Er beginnt eine Beziehung mit dem New York Times-Autor Felix Turner, der sich ebenfalls mit AIDS angesteckt hat. Bis die Bühne dunkel wird und der Vorhang fällt, werden Ned und die anderen Personen viele dramatische, aber auch versöhnliche Augenblicke erleben, sich verlieben und sich streiten, denn ein normales Herz schlägt auch während der grössten Krise.
Die Personen im Theaterstück sind zwar fiktiv, beruhen aber auf Menschen und ihren wahren Geschichten, denen Larry Kramer bei seinem Kampf gegen AIDS begegnet ist und von denen er manche beim Sterben begleitet hat. Die Handlung entspricht also den autobiografischen Erinnerungen des Autors. Er gründete 1981 nicht nur die Gay Men’s Health Crisis (GMCH), die weltweit erste und bis heute grösste Non-Profit-Hilfsorganisation für Opfer von AIDS. 1987 gründete er ausserdem ACT UP, deren Hauptziel es war politischer Druck durch Lobbyarbeit, Demonstrationen und öffentliche Reden auszuüben.
Das Stück gilt als eines der wichtigsten Werke zur Darstellung der AIDS-Epidemie und ihrer Auswirkungen auf die LGBTQ-Gemeinschaft. Es zeigt die Notwendigkeit, sich gegen Diskriminierung und Unterdrückung zu wehren und eine starke politische Bewegung für die Rechte und Gesundheit von LGBTQ-Personen aufzubauen. Aus genau diesen Gründen ist «The Normal Heart» heute so relevant wie damals.
Die Herz-Trilogie
Für das Theater Central ist «The Normal Heart» der Auftakt zu ihrer Herz-Trilogie. 2024 und 2025 werde sie drei Stücke im Theater Remise Bern produzieren, welche zusammen einen Zyklus bilden. Jedes Stück ist eine in sich geschlossene Produktion. Daraus ergibt sich jedoch ein Gesamterlebnis, da die Geschichten den Bogen von Schmerz über Heilung zur Utopie schaffen. Die zweite Produktion, «Mütter und Söhne» von Terrence McNally, ist für März 2025 angesetzt. Darin geht es um Katharina, die 20 Jahre nach dem Verlust ihres an HIV verstorbenen Sohnes auf dessen früheren Partner trifft. Sie versuchen, den gemeinsamen Verlust der Vergangenheit zu verarbeiten und die Entfremdung in der Gegenwart zu überbrücken. Katharines Aussicht, Teil einer Regenbogenfamilie zu werden, ist der Beginn eines Heilungsprozesses, in welchem eine neue Zukunft gestaltet werden kann. Den Abschluss der Trilogie bildet die Produktion «Romeo & Julia – Variation» im Herbst 2025. Das Stück, frei nach Shakespeare, schlägt eine utopische Gesellschaft vor, welche die Geschlechterkonventionen hinter sich gelassen hat. In dieser Gesellschaft darf der Mensch, mit all seinen Stärken und Schwächen, einfach Mensch sein.
«The Normal Heart»
von Larry Kramer
Gemeinsam für die Rechte aller – eine Geschichte voller Hoffnung und Stärke
Schweizer Erstaufführung
Vorstellungen
SO, 6. Oktober, 17:00h, Premiere
MI, 9. Oktober, 20:00h
FR, 11. Oktober, 20:00h, mit anschliessendem Publikumsgespräch
SA, 12. Oktober, 20:00h
SO, 13. Oktober, 17:00h
FR, 22. November, 20:00h
SA, 23. November, 20:00h
SO, 24. November, 17:00h, Dernière