DJ Coreys MusikTipps März 2024

Jordan Mackampa, serpentwithfeet, Mahmood, Nabil Harlow, Metteson, Allie X, Kim Petras, Astrit Ismaili, Jazmin Bean, Mannequin Pussy, Hurray for the Riff Raff

Schwuler Classic Funk & Soul mit Jordan Mackampa. Verführerischer Gay-Indie-R&B von serpentwithfeet. Weniger kryptischer Italo-Trap mit Mahmood. Queerer French-Pop gegen toxische Männlichkeit mit Nabil Harlow. Theatralischer Pop aus Norwegen mit Multitalent Metteson. Avant-Synthie-Pop aus Kanada mit der geheimnisvollen Allie X. Schlüpfriger Schlampen-Pop mit Trans-Ikone Kim Petras. Queerer Art-Pop zwischen Arca und Lady Gaga mit dem Performance-Künstler Astrit Ismaili. Hyper-Pop mit dem nonbinären Act Jazmin Bean. Die queeren Indie-Punks von Mannequin Pussy geben Gas im Dream-Pop-Shoegaze-Modus. Die queeren Folk-Miniaturen von Hurray for the Riff Raff.


JORDAN MACKAMPA

Welcome Home, Kid! (AWAL Recordings Ltd.)

Jordan Mackampa, der britisch-kongolesische Musiker mit sanfter und berührender Stimme, ist stolz darauf, black und queer zu sein, auch wenn der Weg dazu manchmal hart und steinig war. Sein zweites Album «Welcome Home, Kid!» spiegelt die Entwicklung wider, die er in den letzten Jahren persönlich und musikalisch durchgemacht hat. Es geht um Erwachsenwerden, Liebe und Selbstakzeptanz. Mit Gospel in seinem Herzen, Soul in seiner Seele und Funk und R&B in den Hüften findet Jordan Mackampa endlich zu sich selbst.


Serpentwithfeet

GRIP (Secretly Canadian/Cargo)

Der US-Amerikaner Josiah Wise alias serpentwithfeet (die Schlange mit Füssen) drückt auch auf seinem dritten Album GRIP seine sexuellen Bedürfnisse und Fantasien in Form von sinnlichem Alternativ-R&B aus. Schon das Albumcover, auf dem sich serpentwithfeet im Bett mit einem muskelbepackten Mann zeigt, lässt keine Wünsche offen. Mit GRIP möchte serpentwithfeet den Black Gay Clubs als Self Spaces ein Denkmal setzen, auch wenn sich der Sound dazu eher für einen Flirt an der Bar oder eine erotische Party in der Horizontale eignet.


MAHMOOD

Nei letti degli altri (Island/Universal Music Italia)

Der italo-ägyptische Sänger und Rapper Mahmood hat immer noch kein Coming Out gehabt, aber er kokettiert nach wie vor sehr gern mit homoerotischen Bildern, Videos und Bühnen-Performances. Auf seinem dritten Album «Nei letti degli altri» («In fremden Betten») bemüht sich der moralische Sieger des diesjährigen Sanremo-Festivals, immerhin sein persönliches und künstlerisches Profil zu schärfen. Wie ein Manga-Darsteller hebt Mahmood an Bord eines magischen Betts ab und begibt sich in die tiefen Galaxien seiner Seele. In seinem bittersüssen Italo-Trap-Universum verarbeitet er seine schwierige Jugend in den Mailänder Vororten und den am eigenen Leib erfahrenen Rassismus.


NABIL HARLOW

Coeur élégant (Manderley)

Nabil Harlow, der französische Ex-Friseur der Stars, hat Schere und Kamm gegen Mikro und Aufnahmestudio eingetauscht. Bereits auf seiner im Jahr 2023 erschienenen Single «Le garçon du quartier» hat Nabil Harlow die Homophobie in den Banlieues stark kritisiert. Sein Debütalbum «coeur élégant» bietet zwölf weitere Chansons zwischen Melancholie und Tanzfläche aus der Sicht eines offen schwulen jungen Manns mit Migrationshintergrund. In «Pour être un homme» rechnet Nabil Harlow mit toxischen Männlichkeitsbildern ab und bricht mehr als eine Lanze für den sensiblen Mann.


METTESON

Look To A Star (Metteson)

Sverre Breivik, wie Metteson bürgerlich heisst, schreibt Songs, singt, schauspielt, tanzt und wird bereits als der neue kommende Queer-Popstar aus Skandinavien gehandelt. Seine erste Liebe gilt dem Theater, Musik ist später zu seiner neuen Leidenschaft geworden. Auf seinem Debütalbum «Look To A Star» verschreibt sich das aufstrebende Multitalent einem dramatischen Synthie-Pop, der neben euphorische Dancefloor- und Eurovision-taugliche Nummern auch Raum für melancholische Stimmungen und zarte Balladen lässt. ABBA, George Michael, Robyn, Perfume Genius und Christine & The Queens haben Metteson offensichtlich inspiriert.


ALLIE X

Girl With No Face (Twin Music Inc.)

Die Kanadierin Alexandra Hughes alias Allie X lebt seit 2013 in Los Angeles und ist im Popgeschäft keine Unbekannte. Sie hat mehrere Songs für Troye Sivans Debüt «Blue Neighborhood» mitgeschrieben, mit u.a. BTS und Mitski kollaboriert und als Support-Act die Bühnen mit Sivan, Dua Lipa oder Charlie XCX geteilt. Das vierte Album von Allie X, «Girl With No Face», ist eine gewagte Analyse der eigenen Identität in absoluter Alleinregie. Allie X unterzieht dem Hedonismus und der Ästhetik der New-Wave-Szene der frühen 80er Jahre eine Frischzellenkur. Ihre eigenen Songs sind zugleich catchy, melancholisch und angenehm bedrohlich. Im Unterschied zum Mädchen vom Albumtitel und auf dem Albumcover ist Allie X Musik alles andere als gesichtslos.


KIM PETRAS

Slut Pop Miami (Amigo Records, Republic Records)

Sex sells und macht unglaublich Spass. Auf «Slut Pop Miami» knüpft Kim Petras an das gleiche Konzept an, das sie 2022 mit der EP «Slut Pop» initiierte. Der weltprominente Trans-Musikstar mit deutschen Wurzeln schlüpft wieder in die Rolle der vulgären Nymphomanin von nebenan und kostet diese zweite Phase der Hypersexualierung voll aus. Unterstützt u. a. vom berühmtberüchtigten Produzenten Dr. Luke lädt Kim Petras zu einer basslastigen Dance-Pop-Orgie ein, die Rimjobs, Deepthroats und andere Sexualpraktiken in den Mittelpunkt rückt. Mit «Slut Pop Miami» werden alle Porno-Fantasien wahr. Ohne eine Prise Humor ist diese EP allerdings eher schwer zu ertragen.


ASTRIT ISMAILI

The First Flower (The Performance Agency)

Astrit Ismaili ist eine queere Performance-Künstler:in aus dem Kosovo, welche in Amsterdam und Basel lebt. Auf ihrem Debütalbum «The First Flower» vertont they in akustischen, elektronischen bis zu bombastischen Arrangements zwischen Dream- und Hyper-Pop die Geschichte der ersten Blume der Welt. Das Ganze ist eine schöne Metapher für die Sehnsucht nach Freiheit, Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung. Ein Thema, das viele Menschen aus der LGBTQI-Community anspricht. Ismalis unkonventioneller Art-Pop zur Kraft der Transformation streichelt nicht nur sanft die Ohren, sondern bringt auch den Arsch zum Wackeln.


JAZMIN BEAN

Traumatic Livelihood (Interscope Records)

Die nonbinäre Londoner Alt-Pop-Künstler:in Jazmin Bean lässt sich optisch und musikalisch nicht leicht einordnen. Ihre Ästhetik erinnert an eine Figur aus einem Manga-Comic oder an die Mörderpuppe aus einem Horror-Film. Ihre Musik bewegte sich bisher zwischen Metal, Hyper-Pop und Grunge. Auf ihrem Album «Traumatic Livelihood» versöhnt sich Jazmin Bean mit der Sucht und den toxischen Beziehungen aus ihrer Vergangenheit. Dabei geht sie in eine deutlich poppigere Richtung. Die spannende Kombination aus hymnischem Indie-Rock, Power-Pop und Folk klingt nach jahrelang perfektioniertem Sound.


MANNEQUIN PUSSY

I Got Heaven (Epitaph Records)

Das queere Indie-Punk-Quartett aus Philadelphia setzt auf seinem vierten Album “I Got Heaven” seine musikalische Entwicklung konsequent fort. Frontfrau Marisa Dabice und ihre Komplizen loten ihre musikalischen Grenzen jenseits ihrer Punk- und Metal-Wurzeln aus und verfeinern ihren Sound mit Pop, Shoegaze, Folk und einem ausgeprägten Sinn für Melodie. Mannequin Pussy schaffen die perfekte Balance zwischen Pop-Punk, Laut-Leise, Elektrisch-Akustisch und Krach-Harmonie. Hier und da schweben die Geister solcher Grunge-Ikonen wie Courtney Love und Billy Corgan von Smashing Pumpkins über der Szenerie.


HURRAY FOR THE RIFF RAFF

The Past Is Still Alive (Nonesuch/Warner)

Auf ihrem neunten Album «The Past Is Still Alive» kehrt Alynda Segarra alias Hurray For The Riff Raff an die Orte ihrer Vergangenheit zurück und wendet sich wieder der reinen Countrymusik ihrer Anfänge zu, die sie im Lauf der Jahre ein bisschen vernachlässigt hatte. In ihren neuen Folk- und Country-Songs erzählt Segarra mit Wärme, Herz und Feingefühl die Geschichten aus dem Leben von armen Kleinstadt-Helden, Ausreisser/innen und anderen Randständigen, wie sie auch einmal war. Produzent Brad Cook (Bon Iver, Waxahatchee) hält die Songs so schlicht und einfach wie möglich. Dank ihm blüht Segarra richtig auf und macht mit «The Past Is Still Alive» das stärkste Album ihrer Karriere.


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Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
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