DJ Coreys MusikTipps Dezember 2023

Matt Rogers, Billy Porter, Adam Mac, MIKA, Eddy de Pretto, Emeli Sandé, Renée Rapp, Maddie Zahm, Wrabel, Jon Darc, Nemo

Merry Gay Christmas mit Matt Rogers. Billy Porter ist die schwarze Mona Lisa. An der Schnittstelle zwischen Disco und Country: Adam Mac. MIKA macht es auf Französisch. Eddy de Pretto sehnt sich nach Liebe und Zärtlichkeit. Emeli Sandébleibt eine unheilbare Romantikerin. Renée Rapp hat Songs für alle queeren Gemütslagen. Ehrliches und Persönliches von Maddie Zahm und Wrabel. Mehr Queer Art Pop von Jon Darc. Finding Nemo: Das Bieler Ausnahmetalent auf dem Weg zu seinem wahren Selbst.


MATT ROGERS

Have You Heard of Christmas (Capitol Records)

Wenn schon Mariah Carey die unangefochtene Weihnachtskönigin ist, ist Matt Rogers dann mindestens der schwule Weihnachtsprinz. Der Komiker, Schauspieler und Sänger, der in New York geboren wurde und in Los Angeles lebt, ist bereits ein Star in der US-LGBT-Community. Mit «Have You Heard of Christmas» weitet Matt Rogers seine beliebte gleichnamige Comedy-Show auf ein ganzes Album aus. Es geht um eine tragikomische Auseinandersetzung eines schwulen Mannes in seinen besten Jahren mit dem Thema Weihnachten. Mit seinem musikalischen Partner Brett McLaughlin, der auch an Troye Sivans Hit «Rush» beteiligt war, kombiniert Matt Rogers Lichterglanz und Feststimmung mit schwuler Pop-Extravaganza. Die beliebten Queer-Acts MUNA und VINCINT feiern mit.


BILLY PORTER

Black Mona Lisa (Island Records/Republic Records)

Billy Porter ist ein echtes Multitalent: Musical-Darsteller, Schauspieler, Sänger, Songwriter und Mode-Ikone. Das geneigte Publikum kennt ihn unter anderem aus der Serie „American Horror Story“, dem Musical „Kinky Boots“ sowie der Serie „Pose“ über die New Yorker Ballroom-Szene während der AIDS-Krise. Zu Beginn seiner Musikkarriere im Jahr 1997 war die Musikindustrie noch sehr homophob und ein schwarzer, schwuler Mann war gar nicht willkommen. Auf «Black Mona Lisa» übt Billy Porter süsse Rache an den damaligen Haters und Ignoranten. Das Album ist ein Manifest für Selbstermächtigung und Selbstakzeptanz und eine Zeitreise in eine Ära, wo House, Disco und R&B in den schwulen Clubs dominierten.


ADAM MAC

Disco Cowboy (MacPfund Music)

Das frühe Coming Out von LGBTQ-Country-Stars wie z.B. TJ Osborne, Brandi Carlile und Brandy Clark hat Adam Mac bestimmt geholfen, eine Karriere als schwulen Country-Sänger in Nashville zu machen. Die Countrymusik-Industrie zeigt sich heute zwar toleranter, kann mit einem schrägen Vogel wie dem 33-Jährigen aus Kentucky aber nicht immer etwas anfangen. Z.B. hat sie ihm einen Auftritt als Headliner bei einem grossen Open-Air in seiner Heimatstadt nur unter der Bedingung angeboten, auf das schwule Ding zu verzichten. Zurecht hat Adam Mac dankend abgelehnt. Für ihn hätte sich das wie ein Verrat an sich selbst angefühlt. Denn Schwulsein, die Bodenständigkeit von Country und der Glanz und Glamour von Disco sind untrennbar mit seiner Persönlichkeit und Kunst verbunden. Das hat Adam Mac auf seinem Album «Disco Cowboy» sehr gut verinnerlicht und umgesetzt.


MIKA

Que ta tête fleurisse toujours (MIKA PUNCH)

Die 00er-Jahre waren eine gute Zeit für Camp. Insbesondere MIKA und Scissor Sisters wurden damals berühmt für exaltierte Gesten, ausgefallene Kostümierungen und dramatisch überdrehten Falsett-Gesang. Mit operntauglicher Stimme und Hits wie „Grace Kelly“, „Underwater“, „Relax (Take It Easy)“ und „We Are Golden“ eroberte der Brite mit libanesischen Wurzeln die internationalen Musik-Charts. In Frankreich und Italien ist er heute immer noch ein Superstar. Auf seinem neuen Album «Que ta tête fleurisse toujours» (Möge Dein Kopf für immer aufblühen) macht MIKA alles 100% auf Französisch. Von melancholisch bis heiter entfalten sich seine französischen Texte in luftigen Arrangements und unwiderstehlichen Pop-Melodien. Das Album ist ein Appell an die Kreativität und an das Bunte und Kraftvolle, das nur Pop-Musik in uns wecken und bewegen kann.


EDDY DE PRETTO

Crash coeur (Otterped Records)

Auf dem Vorgängeralbum “A tous les bâtards” räumte Eddy de Pretto mit den Klischees von Männlichkeit auf, kritisierte die katholische Kirche für ihren Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen und akzeptierte seine eigene Homosexualität. Auf “Crash cœur”, das auf seinem eigenen Label erscheint, ist kein Platz mehr für Gesellschaftskritik. Das Album dreht sich vielmehr um das Thema Liebe in all seinen unterschiedlichen Facetten. Auf dem bunten Coverbild lutscht Eddy de Pretto genüsslich an einem herzförmigen Lollipop. Er vollzieht zudem eine musikalische Kehrtwendung in Richtung Pop und R&B, die ihm bestimmt viel Airplay bescheren wird. Den Eröffnungssong “R+V” hat er seinen schwulen Helden Arthur Rimbaud, Paul Verlaine, Elton John, Jean Genet, RuPaul, Freddie Mercury und Andy Warhol gewidmet.


EMELI SANDÉ

How Were We To Know (Chrysalis Records/Cargo)

2022 machte Emeli Sandé publik, dass sie eine Frau liebte. Das Coming Out ermutigte sie ausserdem, nicht nur ihre Hautfarbe und die afrikanische Kultur, insbesondere ihre sambischen Wurzeln, zu akzeptieren, sondern auch einen musikalischen Neubeginn zu wagen. Mit «Let’s Say For Instance» unterzog sie ihren emotionsgeladenen R&B einer entspannten Pop-Frischzellekur. Auf «How Were We To Know» scheint die 36-jährige Schottin jedoch, an ihr rekordbrechendes Debüt «Our Version Of Events» (2012) anknüpfen zu wollen. Emeli Sandé ist und bleibt eine unheilbare Romantikerin, die vor grossen Gesten nicht zurückschreckt und gern dick aufträgt. Mit ihrem eingängigen Mix aus Pop, Soul und R&B beweist Emeli Sandé, dass die Sprache der Liebe manchmal auch ein bisschen laut sein kann.


RENÉE RAPP

Snow Angel (Deluxe) (Interscope Records)

In der Serie “The Sex Lives Of College Girls” spielt Renée Rapp mit Leighton einen queeren Hauptcharakter. Das hat ihr Coming Out als bisexuell wahrscheinlich erleichtert. Die 23-Jährige aus North Carolina macht inzwischen auch Musik. Auf «Pretty Girls», der Single zum Kernstück des Albums «Snow Angel», feiert Renée Rapp stolz ihre Queerness. Das Musikvideo dazu hat niemand Geringeres als Cara Delevingne gedreht. Die weiteren Songs auf dem Album oszillieren zwischen euphorischen Pop-Songs bis zu zärtlichen Balladen und thematisieren auch Renées persönlichen Erfahrungen mit Beziehungen, Existenzängsten, Selbstzweifeln und ADHS. In den USA wird sie mittlerweile «Gaylor Swift» genannt.


MADDIE ZAHM

Now That I’ve Been Honest (Dollgirl Records/AWAL)

Maddie Zahm ist eine 24-jährige Sängerin und Songwriterin, die im US-Bundesstaat Idaho aufgewachsen und dann nach Los Angeles umgezogen ist, um dort ihren Fuss in die Musikbranche zu fassen. Nach einer erfolglosen Teilnahme an der Casting Show American Idol ging sie mit ihren Songs “Fat Funny Friend” and “You Might Not Like Her” auf TikTok viral. Mit ihrem Debüt „Now That I’ve Been Honest“ legt Maddie Zahm ein persönliches «Coming of age»-Album vor. Auf einer Zwölf-Song-Reise erzählt sie vom Kirchentrauma in ihren Jugendjahren, von ihren ersten queeren Erfahrungen und den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens. Ihr Songwriting deckt eine breite Palette zwischen intimen Balladen und Radio- und Dancefloor-tauglichen Songs ab.


WRABEL

based on a true story (Big Gay Records/Nettwerk)

Der 34-jährige Wrabel stammt aus Houston in Texas. Seit zwölf Jahren lebt er in Los Angeles. Er ist offen schwul und hat sein eigenes Label unmissverständlich „Big Gay Records“ gennant. Wrabel hat zuerst Songs für Stars wie P!NK, Kesha oder auch Adam Lambert geschrieben. 2021 ist sein Debüt «these words are all for you too» erschienen und soeben hat er sein zweites Werk «based on a true story» herausgebracht. Auf beiden Alben trägt Wrabel sein Herz auf der Zunge. Seine Texte sind von entwaffnender Offenheit und Intimität, egal ob er sein Alkohol-Problem oder seine Verletzlichkeit thematisiert. Seine Piano-Balladen erinnern ein bisschen an den Eurovisions-Sieger Duncan Laurence, mit dem er auch schon zusammengearbeitet hat.


JON DARC

Cross (Jon Darc)

Mit dem sphärischen Song «The Womb» (2022) tauchte Jon Darc in die Tiefen der Ozeane ein. Mit der EP «Cross» legt der queere Art Pop Künstler aus Berlin einen ersten «Grown-up»-Songzyklus vor. Ich würde es eine klangliche Odyssee in das eigene Ich nennen. Das Kreuz und weitere religiöse Symbole und Themen wie Engeln, Reinheit und unser (heiliger?) Vater durchziehen sämtliche Songs wie ein roter Faden. Jon Darc begibt sich mit fragiler bis emotionaler Stimme auf eine Reise in eine surreale und verstörende Traumlandschaft, wo das Sakrale und das Profane aufeinandertreffen, und bittet um Erlösung. Ein weiterer Pluspunkt geht an die Sound-Ästhetik, die zwischen Melancholie und leichter Euphorie bis zu Bedrohlichkeit reicht.


NEMO

This Body (Nemo)

Im Januar 2016 wurde Nemo schlagartig bekannt durch eine Radioshow von SRF Virus, nachdem das Video mit dem Auftritt des damals jungen Nobody viral gegangen war. Auf der EP «Momänt-Kids» sang bzw. rappte sich Nemo durch fünf beschwingte und glückliche Mundart-Pop-Songs wie z.B. «Himalaya». Trotz der gelassenen Stimmung brodelte es in Nemos Innersten aber wie in einem Vulkan. Das Geheimnis ist nun gelüftet. Das Bieler Multi-Talent, das inzwischen in Berlin lebt und neu in Englisch singt, hat sich nämlich via Instagram als non-binär geoutet. In «This Body» erzählt Nemo in melancholischen Tönen, wie es ist, sich im eigenen Körper nicht wirklich daheim zu fühlen. Damit ist Nemo eine sehr berührende Selbstfindungs- und Selbstakzeptanz-Hymne gelungen.


Bonus

GOSSIP

Crazy Again (Columbia)

Nach 12 Jahren ist die beste queere Band der Welt zurück. Sie waren mit Rick Rubin in Studio und haben eine neues Album aufgenommen. «Real Power» wird im März 2024 erscheinen. Als Vorgeschmack gibt es schon mal eine Single. «Crazy Again» ist zwar nicht so wild, wie wir es von Gossip gewöhnt sind, die in den 00er-Jahren Punk mit Disco vermischten, doch das ist OK, schliesslich sind Beth Ditto, Brace Paine und Hannah Blilie auch etwas älter und ruhiger geworden. Doch der Power ist immer noch da!


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Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
https://queerupradio.ch

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