DJ Coreys MusikTipps März 2023

Adam Lambert, Pink, Rebecca Black, Caroline Polachek, Fever Ray, Miss Grit, Jen Cloher, Kelela, Sabrina Bellaouel, Annett Louisan

Der beste queere Cover-Sänger der Welt: Adam Lambert. Power-Pop und Country-Balladen: die neue Pink ist wieder die alte. Die späte Genugtuung der Rebecca Black. Caroline Polachek weckt die Begierde in jedem Pop-Fan. Synthie-Pop mit genderfluider Haltung: Fever Ray. Die Verschmelzung von Mensch und Maschine aus der Sicht von Miss Grit. Die Australierin Jen Cloher besinnt sich auf ihre indigenen Wurzeln. Sanftes Wabern zwischen den Stilen mit den R&B-Visionärinnen Kelela und Sabrina Bellaouel. Zwischenzeiten: Annett Louisan erzählt vom Erleben der mittleren Jahre.


ADAM LAMBERT

High Drama (Warner Music UK)

Für einmal hält der Inhalt, was Titel und Coverbild versprechen. Auf seinem fünften Album «High Drama» kostet Adam Lambert seinen Hang für Drama und Theatralik in vollen Zügen aus. Bereits seit seinem «American Idol»-Debüt im Jahr 2009 und später als Freddie-Mercury-Ersatz auf allen Weltbühnen hat der 41-Jährige sein immenses Interpretationstalent unter Beweis gestellt. Auf dem reinen Coveralbum «High Drama» zieht Adam Lambert aufs Neue alle Register seines Könnens. Er gibt sich verletzlich, melancholisch, lasziv, aggressiv und überdreht. Die musikalische Umsetzung passt sich den verschiedenen Stimmungen perfekt an. Bei der Songauswahl bedient er sich unter anderem bei sieben Sängerinnen (Bonnie Tyler, Sia, Pink, Billie Eilish, Lana del Rey, Tina Turner, Dinah Washington), beim ersten offen schwulen Rockstar Amerikas Jobriath und bei der schwulen Ikone der 80er-Jahre Boy George.


PINK

Trustfall (RCA)

Die Frauen-Power-Pop-Sängerin, Akrobatin, LGBT-Ikone und Tierschützerin ist seit über 20 Jahren auf Erfolg abonniert. Ihre Alben und Konzert-Tickets gehen auch heute weg wie warme Weggli. Auf ihrem neunten Album «Trustfall» bleibt sich Pink grundsätzlich treu. Es ist zwar schon sehr mutig, das Album mit einem so persönlichen Song wie «When I Get There» zu starten, in welchem sie ihren kürzlich verstorbenen Vater bittet, ihr einen Platz im Jenseits zu reservieren. Aber schon kurz danach kann sie mit «Trustfall», «Runaway», «Turbulence» oder «Never Gonna Not Dance Again» die von ihr erwartete Gute-Laune-Stimmung wiederherstellen. Mit den Features von The Lumineers, First Aid Kit und Chris Stapleton bewegt sich Pink immer mehr in Richtung Country und klingt plötzlich ganz erwachsen.


REBECCA BLACK

Let Her Burn (Rebecca Black)

2011 wurde die damals 13-jährige Rebecca Black wegen des offenbar überdurchschnittlich schlechten Songs “Friday” an den Netz-Pranger gestellt. In der Folge musste sie eine Zeit von Depressionen und Mobbing in der Musikindustrie durchleben. Inzwischen hat sich die 25-jährige queere Amerikanerin von der Schmach erholt und hält unbeirrt an ihrem Traum einer Musik-Karriere fest. Das selbst vertriebene Album «Let Her Burn» befeuert ein aufregendes Spannungsverhältnis zwischen süssem Teenie-Pop und tanzbarem Electro-Hyper-Pop für Erwachsene. Rebecca Black steigt wie Phoenix aus der Asche und kann es 2023 mit Pop-Kolleginnen wie Tove Lo und Charli XCX locker aufnehmen.


CAROLINE POLACHEK

Desire, I Want To Turn Into You (Perpetual Novice/Membran)

Caroline Polachek startete im Jahr 2008 als Teil des Indie-Pop-Duos Chairlift und konnte mit «Bruises» einen ersten Indie-Pop-Hit landen. Ihr Pop-Gespür als Solo-Künstlerin hat ihr später diverse wichtige Kollaborationen, u.a. mit Charli XCX, Christine & The Queens und Dua Lipa, gesichert. Auf «Desire, I Want To Turn Into You» stehen der Gesang der klassisch ausgebildeten Sängerin und deren unbändige Kreativität im Mittelpunkt. Kein Song gleicht dem anderen, originelle Song-Ideen purzeln einfach aus ihr heraus und bereichern ihren detailbesessenen Hyper-Pop. Caroline Polachek vermengt das Zugängliche mit dem Unvorhersehbaren und überrascht mit Kinderchören, einem Dudelsack, Elektro-Beats und sommerlichen Flamenco-Gitarren.


FEVER RAY

Radical Romantics (PIAS)

Fever Ray ist das Soloprojekt der Schwedin Karin Dreijer, die früher mit ihrem Bruder Olof das Duo The Knife bildete. Karin ist zweifache Mutter, queer, geschieden und genderfluid. Auf «Radical Romantics» nutzt Fever Ray ihren facettenreichen Synthie-Pop als Vehikel für ihre Texte um Queerness, Sexualität und Identität. Dieses Konzeptalbum über die Mythen der Liebe berührt Herz und Kopf und funktioniert sowohl auf der Tanzfläche als auch im Schlafzimmer. Bruder Olof ist seit acht Jahren wieder dabei und teilt sich die Produktionsarbeit u.a. mit dem Duo Trent Reznor und Atticus Ross (Nine Inch Nails), dem portugiesischen DJ und Produzent Nídia, Johannes Berglund sowie Vessel.


MISS GRIT

Follow The Cyborg, (Mute)

Margaret Sohn alias Miss Grit ist eine nicht-binäre Musikerin aus New York. Die Inspiration für ihr Debütalbum «Follow The Cyborg» hat Miss Grit aus den Kult-Filmen «Ex Machina» von Alex Garland und «Her» von Spike Jonze geholt, die sich mit künstlicher Intelligenz befassen. Miss Grit vertont den ewigen Kampf zwischen Mensch und Maschine mit abwechslungsreichem Indie-Rock zwischen treibenden Rhythmen und Träumereien. Das Thema Künstliche Intelligenz ist für sie aber auch ein Vorwand, um ihre koranischen Wurzeln und ihre nicht-binäre Identität in den Griff zu bekommen.


JEN CLOHER

I Am The River, The River Is Me (Marathon Artists / H’Art)

Die Ex-Freundin von Courtney Barnett erweist sich auf ihrem neuen Album als politisch engagierte und sensible Singersongwriterin. Die australische Folk-Indie-Rockerin singt über ihre Sexualität, besinnt sich auf ihre Maori-Wurzeln und protestiert mit warm-rauer Stimme gegen die Ausbeutung der Natur und den Kolonialismus. Der Albumtitel bezieht sich auf ein altes Maori-Sprichwort, wonach wir alle Teil dieses wunderschönen Planeten sind. Mit «I Am The River, The River Is Me» findet Jen Cloher wieder den Zugang zu ihrer Heimat und zu ihrer Community.

KELELA

RAVEN (Warp)

Raben sollen Mut und Entschlossenheit schenken, wenn wir neue Wege einschlagen wollen. Für die amerikanische R&B-Künstlerin Kelela steht der Rabe bzw. Raven im Titel ihres zweiten Albums für ihre Fähigkeit, zwischen verschiedenen musikalischen Polen, genauer zwischen minimalistischem Soul, R&B, Two-Steps und Drum’n’Bass, zu wandeln. Eine andere Interpretation des Albumtitels bezieht sich auf den Begriff ‘rave’, also tanzen und feiern. Auf «Raven» kombiniert Kelela Spiritualität mit körperlicher Ausdruckskraft. Sie meistert diese Gratwanderung zwischen verschieden vermeintlichen Gegensätzen bravourös. «Raven» ist das sinnliche und atmosphärische Fest einer selbstbewussten schwarzen queeren Frau.


SABRINA BELLAOUEL

Al Hadr (InFiné)

Die französisch-algerische Produzentin und Sängerin Sabrina Bellaouel führt auf ihrem Debütalbum traditionelle arabische Musik in eine urbane, westliche R&B-, Hip-Hop- und Club-Landschaft zusammen. Dieses Klangmosaik wird durch die brillante Virtuosität Bellaouels mit Nuancen ausgeschmückt, die ungewöhnlich und zugleich vertraut klingen. Auf einem Bett von Samples, Bläsern, Geigen und Keyboards singt Sabrina Bellaouel in drei Sprachen zarte Harmonien oder spricht sie Reime. An den 13 Tracks beteiligten sich Danceproduzent Basile3, Club-DJ und Schriftsteller Crystallmess, Jazzmusiker Monomite und Popsängerin Bonnie Banane.


ANNETT LOUISAN

Babyblue (Ariola/Sony)

Fast 20 Jahre nach ihrem Debüt «Bohème» legt Annett Louisan ihr zehntes Album vor. Auf «Babyblue» verschreibt sich die 45-Jährige den fabelhaft arrangierten deutschen Chansons der 60er- und 70er-Jahre. Mit ihrer unverkennbaren Kleinmädchenstimme reflektiert sie selbstkritisch und selbstironisch über das Leben einer Mittvierzigerin zwischen Midlifecrisis, Alltagsbeobachtungen und den vielen Facetten der Liebe. Mit Ex-Rosenstolz Peter Plate und ihrem neuen Produzenten Tim Tautorat, einem der angesagtesten Namen in der aktuellen deutschen Indie-Pop-Szene, sind Annett Louisan pointierte Lebensweisheiten und witzige Texte gelungen. Mit Babyblue gewinnt Annett Louisan lyrisch und musikalisch noch mehr an Profil. Weiter so, bitte.


SENDUNG HÖREN


Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
https://queerupradio.ch

Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.