Sechs Fragen und die Antworten darauf – von links bis rechts

Wahlen 2019

hab queer bern hat fünf queere Kandidatinnen und Kandidaten für den Nationalrat aus der Region Bern zu LGBT-Themen befragt. Hier sind die Antworten von Vera Diener (JUSO), Lisi Dubler (Grüne), Mia Willener (BDP), Joel Hirschi (FDP) und Janosch Weyermann (SVP).


Welches ist das wichtigste Thema, dass du für die LGBTIQ-Gemeinschaft im Nationalrat umsetzen wirst?

Vera Diener: Mir liegt eine umfassende, nicht heteronormative Aufklärung am Herzen. Junge Menschen sollten in Zukunft selbstbewusst und selbstbestimmt ihr Liebesleben und ihre Sexualität erforschen und ausleben können, ohne sich voller Selbstzweifel zu hinterfragen, wenn sie nicht cis-hetero-sexuell sind. Aufklärung muss endlich mehr sein als kichernd Kondome über Bananen zu rollen.

Lisi Dubler: Die Community ist im Parlament kaum vertreten und nicht sichtbar, dies spiegelt sich auch in der Politik wieder. Die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und der Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung sind Themen die ich angehen will.

Mia Willener: Die Gleichstellung, wie sie in der Bundesverfassung gewährleistet wird, muss schnellstmöglich und kompromisslos umgesetzt werden, dadurch werden gleichgeschlechtliche Paare, aber auch trans‑, inter‑, nicht-binäre- und agender Menschen – zumindest amtlich – weniger diskriminiert.

Joel Hirschi: Am wichtigsten ist mir, dass die «Ehe für alle» auch in der Schweiz eingeführt wird. Wenn zwei Menschen füreinander Verantwortung übernehmen wollen, sollte der Staat dies auch ermöglichen egal welche sexuelle Orientierung man hat.

Janosch Weyermann: Generell mehr Respekt und Akzeptanz von LGBTIQ in unserer Gesellschaft zu schaffen, damit all unsere Forderungen möglichst bald erfolgreich umgesetzt werden können.

 

Vera Diener: SP-Gemeinderätin in Schwarzenburg, Co-Präsidium der SP Schwarzenburg und Mitglied der JUSO.
Lisi Dubler: Co-Präsidentin Junge Grüne Kanton Bern.

Nachdem EDU und JSVP das Referendum gegen die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm mit dem Schutz der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ergriffen hat, müssen wir im Februar an der Urne über die Gesetzesanpassung abstimmen. Bereits vom Parlament abgelehnt wurde der Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität. Wie denkst du darüber?

Vera Diener: Ich bin wütend auf diese Ewiggestrigen. Sie und ihre Wählerschaft sind der Beweis für die Notwendigkeit dieser schützenden Gesetze.

Lisi Dubler: Eine Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, wie sie mit Minderheiten umgeht. Ich hoffe, die Gesetzesrevision wird an der Urne angenommen und ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass alle Menschen vor Diskriminierung geschützt werden.

Mia Willener: Die Strafnorm wird vom Souverän angenommen die Gegner werden zwar versuchen, mit einem dreckigen und vermutlich verlogenem Abstimmungskampf, die Hardliner für sich zu gewinnen, dies wird meiner Meinung nach nur mässig erfolgreich sein, eher noch kontraproduktiv.

Joel Hirschi: Mit der Erweiterung der Rassismus-Strafnorm wird niemandem das Wort verbietet. Lediglich Hass gegen LGBTQ-Menschen zu verbreiten wird verboten. Dass der Aspekt der Geschlechtsidentität nicht ins Gesetz aufgenommen wurde ist nicht erfreulich. Dennoch bin ich der Meinung, dass das jetzige Gesetz ein guter erster Schritt ist.

Janosch Weyermann: Wer die freie Meinungsäusserung einschränken will, tritt für Unfreiheit ein, genau das wollen LGBTIQ-Personen doch nicht – sie wollen frei sein. Diese Freiheit muss mit Mut und Überzeugungsarbeit angestrebt und verteidigt werden. Dazu gehören auch der Wille und die Weitsicht, sich mit unangenehmen Äusserungen auseinander setzen zu können, ohne gleich die Polizei einzuschalten. Die Antirassismus-Strafnorm wie auch die allfällige Erweiterung sind für mich nichts anderes als gefährlicher Gesinnungsterror.

Joel Hirschi: Vertreter der Jungfreisinnigen im Vorstand der FDP Stadt Bern.
Mia Willener: Mitglied der BDP Kanton Bern.

Es kann nicht sein, dass wir gleichgeschlechtlichen Paaren uns nochmals mit einer «abgespeckten» Version der Hetero-Ehe abfinden müssen. Zur Öffnung der Zivilehe «für alle» gehört auch der gleichberechtigte Zugang zur Fortpflanzungsmedizin. Bist du unserer Meinung?

Vera Diener: Absolut. Das Geschlecht der Ehepartner*innen darf keine Rolle spielen. Diskussionen über Pro und Contra von umstrittenen Methoden wie der Leihmutterschaft müssen unabhängig vom Geschlecht der Ehepartner*innen diskutiert werden. Dasselbe gilt für die Ehe an und für sich. Inwiefern sollen sich Eheschliessungen auf Steuern, Erbschaften usw. auswirken? Braucht es die Ehe in dieser Form überhaupt noch oder ist sie ein Relikt aus vergangenen Zeiten und sollte durch ein zeitgemässes Konstrukt ersetzt werden?

Lisi Dobler: Der Vorschlag zur «Ehe für alle», wie er jetzt vorliegt ist für mich ungenügend. Dass der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin verwehrt bleibt, schafft neue Ungleichheiten.

Mia Willener: Siehe Frage eins. Die Gleichstellung vor dem Gesetz ist an und für sich in der Bundesverfassung gegeben. Wer sich heute noch dagegen wehrt, ist entweder ein religiöser Fundi und/oder ein Mensch der dringend Hilfe benötigt, vielleicht auch nur eine Umarmung …

Joel Hirschi: Mit der Ehe soll auch der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin erfolgen. Damit wäre aber auch die Einführung der Leihmutterschaft relevant, um den Kinderwunsch für schwule Paare zu erfüllen. Diese Art der Fortpflanzungsmedizin sehe ich mit gemischten Gefühlen. Der Staat müsste klare Regeln schaffen, um die Leihmutter zu schützen.

Janosch Weyermann: Klar, ich setzte mich ohne Wenn und Aber für eine absolut gleichwertige «Ehe für alle» ein, wozu meiner Meinung nach, auch ein vollwertiger Zugang zur Fortpflanzungsmedizin gehört.


Wir unterstützen die Forderungen nach einem Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen an Kindern, deren Geschlecht nicht eindeutig zuweisbar ist und aus gesundheitlichen Gründen nicht unmittelbar wichtig sind. Was denkst du über ein solches Verbot?

Vera Diener: Es ist enorm wichtig, dass die Kinder diese Entscheidung bewusst und ohne Druck selber treffen können, wenn sie so weit sind. Ich unterstütze dieses Verbot also.

Lisi Dubler: Ich befürworte ein solches Verbot. Diese Operationen sind meist nicht selbstbestimmt und stellen einen grossen Eingriff in die persönliche Entwicklung dieser Menschen dar.

Mia Willener: Es ist bedenklich, dass zwar die rituellen Beschneidungen von Mädchen verboten ist, bei Jungen aber nicht. Genauso fragwürdig ist es, dass es hingegen ok sein soll, die Neugeborenen in die westliche Binärität hineinzuoperieren, ohne die geringsten ethischen Bedenken seitens unseres Staates oder der Medizin und in krassem Widerspruch zu unserer Verfassung. Es braucht kein neues Verbot, es braucht eine Überarbeitung der bekannten Fälle und Verurteilungen wegen schwerer Körperverletzung sowie seelischer Grausamkeit.

Joel Hirschi: Ein solches Verbot fände ich auch richtig. Solange das Kind nicht an Leib und Leben bedroht ist, sollte eine geschlechtsangleichende Operation erst durchgeführt werden, sobald das Kind selber über seinen Körper entscheiden kann.

Janosch Weyermann: Ich unterstütze die Forderungen nach einem solchen Verbot ebenfalls, da ich in solchen Operationen einen klaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kinder sehe. Die betroffenen Kinder sollen später selbst entscheiden können, welches Geschlecht sie haben möchten und ob sie sich dafür einer Operation unterziehen wollen oder nicht.

Janosch Weyermann, Berner Stadtrat und Vizepräsident GaySVP.

Mit der Motion «Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister» fordert SVP-Nationalrätin Verena Herzog, dass sich die Änderung des Geschlechts an den «biologischen und medizinischen Fakten und Realitäten» zu orientieren habe. Sie schreibt im Text zur Motion: «Wenn sich diese Änderung lediglich auf das persönliche Empfinden abstützen soll, öffnen wir Tür und Tor für Beliebigkeit und Rechtsunsicherheit». Wir wissen, dass die Geschlechtsidentität nicht unbedingt mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen muss. Wie ist da dein Standpunkt?

Vera Diener: «Das Jahr 1939 soll Verena Herzog bitte im Bällelibad abholen kommen, sie hat sich im 2019 verirrt.» Solche Aussagen gehören, wenn überhaupt ins Museum. Sicher nicht in die Politik.

Lisi Dubler: Dass das biologische Geschlecht von der Geschlechtsidentität abweichen kann, ist eine Tatsache. Eine Anpassung des Geschlechts im Personenstandsregister muss möglich sein!

Mia Willener: Zu den Voten von Frau NR Herzog fallen mir leider keine öffentlichkeitstauglichen Worte ein, ausser dass sie sich vielleicht mal in die Realität begeben sollte und mit dem zynischen Pseudokinderschutz, den sie betreibt, aufhören sollte.

Joel Hirschi: In diesem Fall gleich von der Schaffung von Rechtsunsicherheit zu reden finde ich überspitzt. Es handelt sich um eine Minderheit, welche von diesem Gesetz Gebrauch machen wird und diese wird wohl kaum zum Zusammenbruch des Staates führen.

Janosch Weyermann: Ich unterstütze den Standpunkt, dass die Geschlechtsidentität eines Menschen nicht unbedingt mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen muss und würde die Motion dementsprechend klar ablehnen.


Welches ist dein absolut wichtigstes politische Ziel?

Vera Diener: Die Linken sind zu akademisch geworden. Darum wählen viele Büezer*innen rechts. Mein Ziel ist es, linke Ideen wieder stammtischfähig zu machen. Egal ob Queerdiskriminierung, Klimakrise, Altersvorsorge, wir haben Lösungen für eine bessere Welt. Geflüchtete Menschen im Mittelmeer ersaufen zu lassen, ist hingegen keine Lösung, sondern ein Verbrechen.

Lisi Dubler: Die Gleichstellung aller Lebensformen ist für mich ein zentrales Anliegen. Es kann nicht sein, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft, sexuellen Orientierung oder sozialem Hintergrund diskriminiert werden.

Mia Willener: Die Schweizer Politik farbiger, diverser und (ein klein wenig) jünger zu machen.

Joel Hirschi: Mein wichtigstes Ziel ist es, dass sich die Schweiz als weltoffenes und fortschrittliches Land behaupten kann. Dafür müssen wir aber weiterhin bessere Rahmenbedingungen schaffen. Sei dies in der Gesellschafts- wie auch in der Wirtschaftspolitik.

Janosch Weyermann: Ich setzte mich ein für eine freie, unabhängige und weltoffene Schweiz mit einer zufriedenen LGBTIQ-Gemeinschaft, deren Forderungen hoffentlich schon bald erfolgreich umgesetzt werden.


Weltfrieden wäre schön!

Quasi die Spitzenkandidatin für die Politgruppe von hab queer bern ist Barbara Stucki. Überraschend – aber klar – wurde sie im März 2018 in den Grossrat des Kantons Bern gewählt. Nun ist die grünliberale Politikerin dabei, die nächste Stufe ihres raketenhaften Aufstiegs in der Politik zu zünden und kandidiert für den Nationalrat. Wir haben uns mit Barbara unterhalten. Hier geht es zum Interview!

Barbara Stucki: Grossrätin Kanton Bern und Mitglied der Politgruppe von hab queer bern.

DER Text wurde uns zur verfügung gestellt von HAB Queer Bern

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