Das Gegenteil von Bond

Daniel Craig in «Queer» — jetzt im Kino

Der Ex-James-Bond-Darsteller Daniel Craig tut alles dafür, das Macho-Image dieser Rolle abzulegen. Eine queere Rolle soll dabei helfen. In Luca Guadagninos Film «Queer» spiel Craig sowas wie das Gegenteil von Bond. Statt kühler, selbstsicherer und Muskel bepackter Agent, ist die Figur des William Lee ein älterer, unsicherer, wenn nicht sogar lächerlicher Mann, der mit mässigem Erfolg jungen Burschen nachstellt.

«Queer» ist in der englischen Sprache ein Schimpfwort, genauso wie im Deutsch «schwul». Queer bedeute sonderbar, suspekt, pervers, verrückt. Es wurde verwendet, um Homosexuelle abzuwerten. Die damit beleidigten kehrten den Spiess um. Seit den 1990er-Jahren hat die Community sich diese negative Bezeichnung angeeignet und sie ins Positive gewendet. Grundsätzlich gilt immer noch: Queer ist die Abweichung von der Regel. Als William S. Burroughs 1952 seinen Roman «Queer» schrieb, (der erst 1982 veröffentlicht wurde), ginge es dem Autor genau um diese Abweichung. «Queer» spielt in Mexiko-Stadt und folgt dem Amerikaner William Lee auf seiner hoffnungslosen Suche nach Sex und Liebe von Bar zu Bar. Typisch Burroughs ist der Roman eine Mischung aus selbstzerfleischendem Humor und komisch-grotesker Fantasien, die den hässlichen Amerikanern in seiner hässlichsten Form zeigen. «Queer» ist eine eindringliche Geschichte über Besessenheit und Exorzismus, über Sex und Drogen, über das Brechen von Regeln und voller dunkler Geheimnisse.

Burroughs Roman «Queer» galt als unverfilmbar. Nicht für Luca Guadagnino, dem wir schon die grossartige Romanverfilmung «Call Me By Your Name» zu verdanken haben, eine schwelgerische und queere Sommerromanze. In «Queer» gibt es auch Romantik, doch die ist schmutzig mit einem Hang zur Obsession und Perversion. Das ausgerechnet Agent 007 ihrer Majestät mit der Lizenz zum Töten den liebestrunkenen Junkie spielt, mag auf den ersten Blick überraschend wirken. Doch Daniel Craig ist die richtige Wahl für diesen Film. Viele Kritiker*innen finden gar, es sei seine beste schauspielerische Leistung bisher. Wenn man sich Craigs Werdegang als Schauspieler anschaut, dann ist seine Wahl nicht so abwegig. Den Durchbruch schafft Craig nämlich mit einer queeren Rolle. 1998 spielte er in «Love Is The Devil» den Gelegenheitsdieb und Liebhaber des Künstlers Francis Bacon. 2006 angelte Craig sich die legendäre Rolle des James Bond. Eine Rolle, die einen weltberühmt mach, die man aber auch nur schwer wieder loswird. Noch bevor er seinen letzten Bond drehte, spielte er in «Knives Out» einen schwulen Detektiv.

Will Daniel Craig mit diesen queeren Rollen dem konventionellen Männer-Bild, wie es Bond verkörpert, etwas entgegensetzen? «Ich glaube nicht, dass es in meiner Macht liegt, Maskulinität zu dekonstruieren», sagte er in einem Interview mit der FAZ. «Abgesehen davon geht es mir in meiner Arbeit nie um etwas anderes, als so gut wie möglich die Figur zu verkörpern, die ein Regisseur mir anvertraut. Allerdings ist die Konstruktion von Männlichkeit tatsächlich etwas, das mich schon sehr lange fasziniert. Ich beschäftige mich viel damit, was hinter unseren konventionellen Männer-Bildern steht, welche Auswirkungen auf unsere Gesellschaftsstrukturen sie haben und welche Gefahren davon ausgehen. Oder auch, was daran wundervoll ist. Schliesslich ist Männlichkeit nichts, was man per se verteufeln sollte.»

«Queer» ist ein Liebesfilm. Jedoch einer, der die abgedroschenen Klischees nicht bedienen. Die Hauptfigur William Lee verliebt sich in einen viel jüngeren Mann, von dem er zuerst nicht weiss, ob er auch schwul ist. Lee ist nicht jemand, der einfach nur jungen Männern nachstellt und sich dabei übergriffig verhält, wie sonst. Sondern er verliebt sich tatsächlich in diesen Eugene Allerton. Und das geht nicht ohne Peinlichkeiten. «In vielerlei Hinsicht benimmt er sich ja wie ein Teenager. Das fand ich so wunderbar an ihm», meinte Craig. Viel zu reden, geben auch die deftigen Sexszenen zwischen den Männern. Die sind wichtig für den Film, findet Craig. «Die Sexszenen zu vermeiden, wäre ein Fehler gewesen. Es geht nicht darum einfach Sex zu zeigen, sondern was emotional dabei passiert.»

Für seine Darstellung des William Lee wurde Craig für den Golden Globe nominiert. Bekommen hat der Preis ein anderer. Von den Oscars wird «Queer» ignoriert, keine einzige Nomination gab es für Guadagninos Film. Unverständlich. «Queer» ist kein gefälliger Film für das breite Publikum. «Queer» ist fiebrig, rauschhaft, wunderschön, verstörend und ehrlich. Ein Film, der das queere Publikum aber interessieren sollt, zeigt er uns doch, wie Gay-Life in den 50er-Jahren war, dass queer eben auch sonderbar und verrückt bedeutet, dass einen verliebt sein auch im Alter zu peinlichem Teenager-Gehabe verleitet und das Drogen das Ganze nur noch schlimmer machen. Aus LGBT-Community Sicht ist «Queer» das Highlight des Jahres. Nicht verpassen!


QUEER

Italien, 2024 
135 Min.
Regie: Luca Guadagino 
Darsteller*innen: Daniel Craig, Drew Starkey, Jason Schwartzman, Henrique Zaga, Lesley Manville, Omar Apollo, Ariel Schulman, Lisandro Alonso, David Lowery, Michael Cera 

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