Das leichte Herzklopfen vor dem Auflegen ist DJ Zadas bis heute geblieben. Bestimmt hast du ihren Namen schon mal gelesen, steht er doch seit Jahrzehnten auf Partyflyers. Sibylle, wie DJ Zardas als Privatperson heisst, legt immer noch regelmässig an der TanzBar auf, das nächste Mal am 25. Januar. Ludwig, ebenfalls langjähriger DJ, hat sich mit ihr über die gemeinsamen Leidenschaften, das DJing und die Musik, unterhalten.
Sibylle und ich kennen uns schon seit Jahrzehnten, haben auch schon zusammen aufgelegt. Als DJ Zardas beschallte sie mit ihrer Musikauswahl Partys wie die Frauendisco im anderLand, die Welle und immer noch die TanzBar. Doch DJing ist ihr Hobby. Beruflich war Sibylle zuerst in verschiedenen kaufmännischen Stellen tätig, unter anderem lange im HR-Bereich. Als Quereinsteigerin wechselte sie dann in die Informatik, wo sie viele Jahre als IT-Supporterin im Bildungsbereich arbeitete. Aktuell ist Sibylle in einem Dienstleistungsunternehmen für Analytik angestellt, wo sie unter anderem Dokumentationen für den Bereich Informatik erstellt und überarbeitet. Im Weiteren ist sie als ehrenamtliche Mitarbeiterin auf einer Palliativabteilung tätig, wo sie mithilft Schwerkranke und sterbende Menschen zu betreuen. Nebst der Musik gehört ihre Leidenschaft dem Sport (insbesondere Badminton), dem Reisen und dem Lesen verschiedenster Bücher.
Sibylle kam mit dem Velo zu mir nach Hause. Wir setzten und an den Tisch und begannen zu plaudern. Zuerst tauschten wir uns aus über gemeinsame Bekannte, über unsere Liebsten und die nächsten Reiseziele. Wir stellten fest, dass wir nicht nur die Leidenschaft für Musik teilen, sondern auch weitere Gemeinsamkeiten haben. Wir können beide nicht Autofahren und haben trotzdem die Welt bereist. Doch bald kamen wir auf unser Lieblingsthema zu sprechen: die Musik.
Was sind deine ersten Kindheitserinnerungen an Musik?
Musik ist ein grosser Bestandteil in meinem Leben, seit ich denken kann. Ich wuchs bei Pflegeeltern auf und dort lief das Radio von morgens bis abends, allerdings jeweils nur die klassischen Sender. So kannte ich bereits in jungen Jahren praktisch das ganze Repertoire vieler klassischer Komponisten. Meine Pflegemutter war sehr musikalisch. Sie sang in verschiedenen Chören, zum Teil auch solo und spielte Geige. Ich habe typischerweise mit dem Erlernen von Blockflöte begonnen und landete dann beim Klavierspiel. Daheim wurde stets rege musiziert. Popmusik wurde bei mir erst später ein Thema. Natürlich waren es zuerst ABBA, die ich in meiner Pubertät entdeckte. Mit der Zeit kamen dann rockigere Gruppen wie Kiss und Status Quo dazu. Mit diesen musikalischen Vorlieben hatte ich jedoch bei meiner klassik-orientierten Mutter einen schweren Stand. Von ABBA war sie hell begeistert, doch bei anderen, rockigeren Klängen, rümpfte sie die Nase. Wenn ich diese Art von Musik hören wollte, musste ich in mein Zimmer oder warten bis ich sturmfrei hatte.
Pubertät ist auch die Zeit, die eigene Sexualität zu entdecken. Wie war das bei dir zuhause? Hattest du ein Coming-out?
Das war bei uns kein Thema. Ich kam mit Freundinnen nach Hause, doch dass später die eine oder andere meine Partnerin war, wurde entweder stillschweigend akzeptiert oder einfach zur Kenntnis genommen. Ich wusste nicht wirklich, was meine Familie dachte, fühlte mich jedoch nie benachteiligt oder diskriminiert, auch wenn nicht darüber gesprochen wurde. Meine leibliche Mutter hatte viele Jahre einen besten Freund der schwul war. Er war auch einer der ersten in der Schweiz, der an Aids gestorben ist. Ich fand es erleichternd, auch toll, dass bei meiner Familie Homosexualität offensichtlich kein Thema war und dass sie mich so akzeptierten wie ich bin, was nicht unbedingt selbstverständlich war in den 80er-Jahren.
Wann gingst du zum ersten Mal in den Ausgang?
Das war eine Schülerdisco, da war ich ungefähr dreizehn Jahre alt. Natürlich begann in diesem Alter auch das Thema mit den Jungs. Eigentlich hätte ich doch für den einen oder anderen schwärmen müssen, was ich auch versuchte. Doch es blieb bei den Versuchen, mein Interesse galt schon damals den Mädchen. Meine «erste Liebe» hatte ich bereits im zarten Alter von elf Jahren mit einer gleichaltrigen Schulkameradin. Den feurigen Liebesbrief, den ich von ihr bekam, zerriss ich und spülte ihn aus Wut die Toilette runter, als es aus war. Eines der wenigen Dinge in meinem Leben die ich bereue! 😉
Wann hast du zum ersten Mal aufgelegt und wie war’s?
Das war ungefähr mit neunzehn. Meine erste Freundin hatte viele Platten und konnte in der damaligen «Frauenbeiz» einmal auflegen. Ich durfte mit und schnupperte so zum ersten Mal DJ-Luft. Viele Erinnerungen habe ich nicht mehr an dieses eine Mal, doch es hat mir sehr gut gefallen. Erst ein paar Jahre später wurde ich dann tatsächlich DJ. In derselben Frauenbeiz machten sie einmal im Monat Disco und dort legte ich regelmässig auf und konnte so meine ersten Erfahrungen sammeln. An diesen kleinen Raum kann ich mich noch gut erinnern. Das DJ-Pult stand beim Fenster in der Ecke, die zwei Plattenspieler übereinander. Der obere war so hoch, dass ich ihn fast nicht bedienen konnte, da ich nicht unbedingt zu den Grössten zähle. 1993 gründeten wir dann die «Frauendisco im anderLand», welche über viele Jahre grossen Erfolg hatte. Später kam dann noch die Frauendisco Welle dazu, mit ebensolchem Erfolg und so wuchs die Anzahl an Engagements stetig, mit der Zeit auch an anderen Anlässen schweizweit.
Früher haben die Leute sogar ihre Ferien verschoben, um ja keine Frauendisco im anderLand zu verpassen.
Ach ja, das anderLand in der Matte war toll! Da haben wir viele schöne Partys erlebt. Das war in den 90er-Jahren. Damals erlebte die Club-Kultur ihren Höhepunkt. Vom DJ-Pult aus kann man die Party-Gäste gut beobachten. Was hat sich verändert in all den Jahren?
Der Beginn der Party hat sich verschoben. Damals startete die Party um 21 Uhr und der Laden war voll. Heute läuft mehrheitlich vor Mitternacht nicht viel. Früher haben die Leute sogar ihre Ferien verschoben, um ja keine Frauendisco im anderLand zu verpassen. Das würde heute niemand mehr machen, denke ich. Das Tanzen an sich hat vielleicht bei den Jungen auch nicht mehr denselben Stellenwert wie in anderen Jahrzehnten. Viele wollen einfach zusammen sein, quatschen, Musik hören, Billard spielen usw.
Früher wurden explizit Frauendiscos organisiert. Deine Tolerdance-Anlässe dagegen waren stets offen für alle. Diese Trennung, das Separieren von Geschlechtern, haben wir damals auch hinterfragt. Daher hatten wir die Idee, zusätzlich an den 5. Samstagen im Monat eine weitere Disco zu organisieren, die offen war für alle. 2003, nach zehn Jahren, war dann Schluss mit der Frauendisco im anderLand. Wir veranstalteten danach noch zwei, drei Revival-Partys, die letzte 2019 vor der Corona-Pandemie. Nach so vielen Jahren hat sich jedoch einiges verändert und eine reine Frauendisco zu veranstalten, ist ein Relikt aus früheren Zeiten. Auch ich habe mich in all den Jahren verändert – hoffentlich…! 😊.
Auch die Musik hat sich verändert. Wir legten früher neben den Oldies auch Neuheiten auf, diese Neuheiten sind heute zu Oldies geworden. Wie wir beide 😉. Trotzdem arbeiten wir immer noch als DJ. Bevor ich in den Club zum Spielen gehe, frag ich mich manchmal, wieso ich das noch mache. Doch sobald ich dort bin, sind die Bedenken weg und es macht mir einfach Spass.
Mir geht es genauso. Aber um ehrlich zu sein, die ganz grosse Leidenschaft ist es mittlerweile nicht mehr. Ich habe mehr als zwei Jahrzehnte oft und an vielen verschiedenen Orten aufgelegt, war Mitorganisatorin der Frauendisco im anderLand, habe auch bei der WELLE regelmässig mitgeholfen, war Mitbegründerin der Frauen-Bistro-Bar AIDA, die wir Ende der 90er-Jahre einige Jahre betrieben haben. In den späteren 2000er-Jahren, versuchte ich zudem ein paarmal Oriental-Partys auf die Beine zu stellen – mit mässigem Erfolg 😉. Ich habe auf verschiedene Arten diesbezüglich meine Leidenschaften während vielen Jahren (aus)gelebt. Heute sieht das anders aus. Meine Interessen haben sich etwas verlagert, weg von der Party bis tief in die Nacht hinein zu anderen Aktivitäten, die tagsüber stattfinden oder zumindest nicht bis morgens um 4 Uhr dauern. Was geblieben ist, ist meine Leidenschaft für Musik.
Meine Interessen haben sich etwas verlagert, weg von der Party bis tief in die Nacht hinein zu anderen Aktivitäten, die tagsüber stattfinden oder zumindest nicht bis morgens um 4 Uhr dauern. Was geblieben ist, ist meine Leidenschaft für Musik.
So lange ich noch als DJ unterwegs bin, halte ich mich auf dem Laufenden, was es für Neuheiten gibt, was aktuell angesagt ist – ich bin also immer noch up-to-date. Ich interessiere mich ebenfalls, was in anderen Ländern grad top ist, um mich zu inspirieren. Früher verbrachte ich Stunden im Plattenladen, um neue Musik zu hören und zu finden. Damals musste man für ein, zwei Stücke die ganze Schallplatte bzw. später die ganze CD kaufen. Heute ist das wesentlich einfacher mit der Digitalisierung. Daher habe ich mich vor gut zehn Jahren von der Schlepperei der CD-Koffer verabschiedet und bin auf Laptop umgestiegen. Ich nenne dies meine musikalische «Altersvorsorge», da ich so die schweren CD-Koffer nicht mehr tragen muss, was mein Rücken freut. Zudem eröffnet es viel mehr Möglichkeiten an Auswahl von Musik. Tausende Stücke verschiedenster Stile und das alles auf einem Gerät, das du nur in den Rucksack packen kannst – einfach super!
What?! Ich schäme mich! Ich lege immer noch mit den altmodischen CDs auf. Der Aufwand umzustellen war mir bisher einfach zu gross.
Ja, der Aufwand alles von den CDs zu digitalisieren war gross, das stimmt. Und braucht Zeit!
Ich hatte 2013 einen Unfall, mein rechtes Knie war damals rundum beschädigt und ich musste mich einige Monate schonen und war daher ans Haus gefesselt. Das war die Gelegenheit, dachte ich mir, und so hatte ich viel Zeit, das Projekt Digitalisierung in Angriff zu nehmen und auf Laptop umzustellen, was mir trotz des Aufwandes grossen Spass gemacht hat. Da ich, wie gesagt, auch nicht Autofahre, ist es praktisch, nur mit einem Laptop an die Party zu gehen und darüber bin ich happy. Die Vorbereitungen vor einer Party sind jedoch nicht mehr so aufwändig wie früher. Die Erfahrung hat mich gelehrt, was funktioniert und was nicht. Ich weiss, welche Stücke in sind und gut ankommen, was ich spielen muss, um eine Party in Schwung zu bringen. Das Auflegen darf jedoch nicht zur Routine werden. Wenn irgendeines Tages das leichte Herzklopfen vor einem Auftritt ausbleibt, ist es Zeit aufzuhören. Doch aktuell ist dies noch nicht der Fall. Doch nicht jede Party läuft gleich gut. Manchmal hat es nicht viele Leute, was das Auflegen schwieriger und anstrengender macht. Dennoch, ob 40 oder 200 Leute, es sind Gäste, die Eintritt zahlen, also möchte ich all denen die kommen, auch etwas bieten. Nebst der Freude ist es doch auch ein Job, für den ich eine Gage erhalte.
Wir teilen die Leidenschaft für Musik. Doch das, was ich an Partys auflege, ist nicht unbedingt das, was ich zuhause höre. Was hörst du für Musik zuhause?
Ich liebe orientalische Musik und höre gerne melodiösen Trance. Auch die klassische Musik gehört in mein privates Repertoire. Wie bei allen gibt es auch bei mir Lieder, die mit Erinnerungen, Erlebnissen und Beziehungen verknüpft sind, die mich begleiten, eine Art Soundtrack zum Leben.
Welche Songs spielst du an Partys immer wieder, deine Evergreens?
Das «Übliche» wie zum Beispiel «I Will Survive» von Gloria Gaynor oder «Sing Hallelujah» von Dr. Alban. Und natürlich ABBA, das geht immer! Es gibt viele Songs, die zeitlos und unvergänglich sind, die Stimmung machen und die Menschen auf die Tanzfläche bringen. Früher spielte ich ab und zu Schlager, manchmal sogar den «Zillertaler Hochzeitsmarsch», doch das geht heute nicht mehr. Die Geschmäcker sind so verschieden wie es die Menschen sind. Alle zufrieden stellen kann man eh nicht. Was ich auflege, muss nicht allen gefallen, jede(r) DJ hat ihren/seinen persönlichen Stil. Wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben und den eigenen Stil zu pflegen, was ich auch mache.
Und wie siehst du deine Zukunft als DJ? Ich legte kürzlich an eine Party von queerAltern auf, die begann um 18 Uhr und um 21 Uhr war schon wieder Schluss. Es hat voll Spass gemacht!
Bei sowas wäre ich mittlerweile auch sehr gerne dabei, wenn es denn einmal eine Gelegenheit gibt! Am Nachmittag oder Vorabend aufzulegen ist doch gut, da ist man am nächsten Tag weniger kaputt. 😊 Zudem ist dies eine willkommene Abwechslung. Unser Publikum wird schliesslich mit uns älter.
Das nächste Mal lege ich am 25. Januar an der TanzBar im queerfeministischen Raum der Reitschule auf. Ein «nächtlicher» Event, bei dem ich mich jeweils auf ein möglichst altersmässig gemischtes, tanzfreudiges Publikum freue.
Die Jungen könnten da auch coole Tanzschritte von den Rainbow Dancer lernen. Wie sagt man so schön? Auf alten Pfannen lernt man kochen. Das gilt auch für Tänzer*innen und DJs! Merci Sibylle für das schöne Gespräch mit dir.
Danke gleichfalls, Ludwig!
TanzBAR
Samstag, 25. Januar 2025
20.30 Uhr, queerfeministischer Raum Bern
Alles ist tanzbar in der TanzBAR. Von 20.30 bis 22.30 Uhr lockt tolle Standard- und Lateinmusik Hobbytänzer:innen aufs Parkett. Ab 22.30 heisst es Discotime queerbeet mit DJ Zardas für alle Tanzfreudigen. Das ultimative Tanzerlebnis in einem heterofriendly Ambiente für die LGBTIQA+ Community.
Eintritt: CHF 12.- / 8.-