DJ Coreys MusikTipps für den November 2022

Darren Hayes, Betty Who, Tegan & Sara, Carly Rae Jepsen, Quinn Christopherson, Thus Love, Thibaut Pez, Oete, Marco Mengoni, Wilhelmine und Martin Bruchmann.

Lieber spät als nie: das schwule Album von Darren Hayes. Geboren, um gross zu werden: Betty Who. Nur nicht erwachsen werden: Tegan & Sara. Dance-Pop für oder gegen die Einsamkeit: Carly Rae Jepsen. Neue Trans-Stimmen des Indie-Pop: der Singer-Songwriter Quinn Christopherson und das Trio Thus Love. French-Pop aus queerer Sicht: Thibaut Pez und Oete. Genderfluider Pop-Sound aus Italien: Marco Mengoni. Queere Song-Poet*innen aus Deutschland: Wilhelmine und Martin Bruchmann.


DARREN HAYES

Homosexual (Powdered Sugar Productions Ltd.)

Als singende Hälfte des australischen Pop-Duos Savage Garden durfte Darren Hayes in der zweite Hälfte der 90er-Jahre einen Erfolg nach dem anderen verbuchen, z. B. dank Hits wie „To The Moon and Back“, „Truly Madly Deeply“ und „Affirmation“. 2002 startete Darren Hayes mit «Spin» eine Solo-Karriere, die leider nicht an die Erfolge von Savage Garden anknüpfen konnte. Er wurde von seinem damaligen Label als zu schwul empfunden und deutlich weniger promotet. Das stürzte ihn in ein psychisches Loch. 20 Jahre später, befeuert durch den Erfolg queerer Künstler*innen wie Troye Sivan und Lil Nas X, kann Darren Hayes endlich für sein Schwulsein in persönlicher und musikalischer Hinsicht einstehen. «Homosexual» feiert das nächtliche schwule Leben in den Clubs und fühlt sich wie ein wahrer Befreiungsschlag an.


BETTY WHO

BIG! (BMG)

Jessica Anne Newham, besser bekannt als Betty Who, bezeichnet ihren Sound als eine Kreuzung zwischen einer lesbischen Singer-Songwriterin und Britney Spears. Näher betrachtet ist sie eher das queere Pendant zu Pop-Grössen wie Pink, Katy Perry und Robyn. Ihr viertes Album, dessen Titel «Big!» eine Anspielung auf ihre hünenhafte Grösse ist, sprüht positive und mitreissende Pop-Vibes aus allen Poren heraus. Die Botschaft ist einfach, aber ebenso überzeugend wie die Musik. Es geht um Selbstakzeptanz und um den langen Weg, mit sich ins Reine zu kommen.


TEGAN AND SARA

Crybaby (Superclose Music Inc.)

Die lesbischen Zwillingsschwestern Tegan und Sara Quinn gehören zweifellos zu den grössten internationalen Indie-Pop-Ikonen. Mit ihrem zehnten Album «Crybaby» brechen die Kanadierinnen ein mehrjähriges musikalisches Schweigen. In der Zwischenzeit haben Tegan und Sara ihre Memoiren «High School» veröffentlicht, die neuerdings in der gleichnamigen Fernsehserie bei Amazon Freevee adaptiert wurden. Auch auf «Crybaby» schimmert die Grunge- und Rave-Kultur der 90er-Jahre leicht durch. Die süssen Pop-Melodien und die mitreissenden Ohrwurm-Refrains sind ebenfalls geblieben. Tegan und Sara blicken ein bisschen sentimental auf die Vergänglichkeit der Jugend zurück und huldigen mit ihren unmittelbaren Songs der Schönheit und dem Ernst des Lebens.


CARLY RAE JEPSEN

The Loneliest Time (School Boy / Interscope)

Zehn Jahre nach ihrem weltweiten Durchbruch mit dem Mega-Hit “Call Me Maybe” meldet sich die kanadische Pop-Prinzessin mit ihrem mittlerweile sechsten Album zurück. Auf “The Loneliest Time” hält Carly Rae Jepsen zum Teil am bunten Bubblegum-Pop ihrer früheren Scheiben «Dedicated» und «Emotion» fest. Aufgrund ihrer grossen Einsamkeit während der Corona-Zeit schlägt sie neu deutlich melancholischere und düstere Töne an. Das Titelstück, ein bittersüsser Disco-Song mit dem grossen Rufus Wainwright, fängt diese gegensätzlichen Aspekte am besten ein.


QUINN CHRISTOPHERSON

Write Your Name in Pink (PIAS)

Auf seinem Debütalbum “Write Your Name in Pink” erzählt der Singersongwriter aus Alaska von seinem Coming Out als Transmann und den Diskriminierungen aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung und indigenen Wurzeln. Seine Indie-Dream-Pop-Balladen sind ein Bekenntnis von entwaffnender Ehrlichkeit, Verletzlichkeit und Traurigkeit. So thematisiert er sein komplexes Verhältnis zu seiner Mutter und Episoden von Mobbing in der Schule. Quinn Christopherson blickt nicht mit bösem Blut, sondern mit Wärme und Dankbarkeit auf seine schwierigen vergangenen Zeiten zurück.


THUS LOVE

Memorial (Captured Tracks)

Die Band Thus Love aus Brattleboro, Vermont, besteht aus drei Trans-Künstler*innen: Echo Mars, Lu Racine und Nathaniel Van Odsol. Das Trio wohnt auch zusammen unter dem gleichen Dach, wo sie in einem improvisierten Home-Studio ihr Erstling «Memorial» aufgenommen haben. Das Werk ist ein roher Diamant des Indie- und Post-Punk und evoziert angenehm den Geist von The Smiths, The Church und Echo & The Bunnymen. Nicht nur im Sound, sondern auch optisch zeigen Thus Love ihre Zuwendung zur wehmütigen, dunklen Seite der 80er-Jahre.


THIBAUT PEZ

Soleil noir (Sur un trapeze)

Mit der grandiosen EP «Garçon formidable» hielt Thibaut Pez vor drei Jahren einen bunten Einzug in die französische Pop-Szene. Als offen schwuler Künstler eroberte der Pariser auf Anhieb die Herzen der LGBT-Community. Auf der Nachfolge-EP «Soleil noir» erkundet Thibaut Pez das Spannungsverhältnis zwischen Licht und Schatten und gewährt einen tiefen Einblick in die widersprüchlichen Seiten seiner Persönlichkeit. Ein Hauch von Melancholie durchzieht die ganze EP, in welcher unverkennbar die Einflüsse von Thibauts grossem Idol Mylène Farmer herauszuhören sind. Ihrem alten Song «Sans Logique» gibt Thibaut Pez einen modernen und persönlichen Twist.


OETE

Armes et paillettes (Roy Music)

Die queere Pop-Szene Frankreichs ist um einen neuen flamboyanten Stern reicher geworden. Oete, der eigentlich Thibaut Blond heisst, kämpft mit Glanz und Glamour auf einem Parkett aus Pop, Disco, Funk, New Wave und Chanson. Wie der David Bowie in seiner androgynen Phase ist Oete von einem grossen Durst nach Emanzipation und Selbstverwirklichung getrieben. Sein Debütalbum «Armes et paillettes» ist allen wärmstens zu empfehlen, die Fishbach und die Christine And The Queens der ersten Stunde lieben.


MARCO MENGONI

Materia (Pelle) (Sony)

Pop-Star Marco Mengoni häutet sich erneut. Der zweite Teil seiner Trilogie «Materia» ist ein Album für die Clubs, ein Album zum Tanzen, wo die Haut («Pelle) als Synonym für Kontakt und Wärme steht und die Balladen deutlich in der Minderheit sind. Der genderfluide Italiener verabschiedet sich vom Vintage-Sound von «Materia (Terra)» und zaubert eine zeitgenössische Version seines Italo-Pop hervor. Er wurde von zurzeit angesagten Hip-Hop-, Dance- und Electro-Pop-Produzenten unterstützt. Die queeren Acts La Rappresentante di Lista (LRDL) und Populous sind auch mit von der Partie.


WILHELMINE

Wind (Warner Music Group)

Bereits auf ihrer ersten Single „Meine Liebe“ und der darauffolgenden EP „Komm wie du bist“ (2020) ging Wilhelmine ganz offen mit ihrer Homosexualität um. In ihren Liedern vermählt Wilhelmine intime Momente ihrer Biografie mit elektronischen Beats und eingängigen Melodien. Mit ihrem Debüt „Wind“ hievt die Berlinerin mit der sanften, klaren Stimme ihren modernen Deutschpop auf einem höheren und professionelleren Level. Wilhelmine hört sich angenehm gefühlig und nahbar an. Trotz Themen wie Trennungsschmerz, Familie und Selbstfindung verbreitet die 32-Jährige meistens eine sehr optimistische Stimmung, die ansteckend wirkt.


MARTIN BRUCHMANN

Wer wäre ich heute, wenn ich damals nicht gegangen wär

Martin Bruchmann aus Leipzig steht seit mehr als zehn Jahren als Schauspieler für Film und Fernsehen vor der Kamera. Im Februar 2021 hat er sich im Rahmen der #ActOut-Kampagne, zusammen mit über 180 deutschen Filmschaffenden als Teil der LGBTQ-Community geoutet. Bruchmann ist aber auch ein feinfühliger und passionierter Singersongwriter. Auf seiner aktuellen EP und dem gleichnamigen Kurzfilm beleuchtet er das schwierigste und persönlichste Kapitel seiner Existenz. Martin Bruchmann ist mit 13 von zu Hause abgehauen. Er musste sich aus toxischen, familiären Beziehungen lösen. Er zog freiwillig in ein Kinderheim, wo er seine Liebe zur Musik endlich ausleben durfte. Die fünf Songs sind sehr emotional und tiefgehend und gehören zum Besten, was der neue Deutschpop heutzutage anbieten kann.


SENDUNG HÖREN


Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
https://queerupradio.ch

Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.