DJ Coreys MusikTipps für den Mai 2022

Kehlani, Emeli Sandé, Poppy Ajudha, Soft Cell, Miss Kittin & The Hacker, Florence + the Machine, Anitta, Sofi Tukker, Tanzer, George Perris, Sam Vance-Law

Dreimal queerer R&B in den Variationen von Kehlani, Emeli Sandé und Poppy Ajudha. Soft Cell feiern 40 Jahre Elektro-Pop. Miss Kittin & The Hacker feiern 20 Jahre Electroclash. Florence + the Machine tanzt bis zum Umfallen. Die Brasilianerin Anitta ist der nächste queere Latino-Superstar. Schräge Dancefloor-Vögel: Sofi Tukker aus New York und Tanzer aus Australien. Der Grieche George Perris ist der schwule Josh Gobran. Das schwule Break-Up-Album von Sam Vance-Law.


KEHLANI

Blue Water Road (Atlantic Warner)

Das letzte Album von Kehlani datiert auf das Jahr 2020. Im April 2021 hat sich die amerikanische R&B-Sängerin als lesbisch geoutet, nachdem sie in den Jahren zuvor als queer und pansexuell bezeichnet hatte. Auf ihrem neuen Album «Blue Water Road» ist Kehlani endlich im Reinen mit sich selbst und entführt die LGBTQ-Hörerschaft auf eine gleichermassen emotionale, sexuelle und spirituelle Reise. Auf sanft dahinplätschernden Beats mit Streichern, Trompeten und Chören öffnet Kehlani ihr Herz. Sie gesteht ihre eigenen Schwächen ein, bleibt dabei trotzdem optimistisch, lauscht dem Meeresrauschen und geht stets auf der Sonnenseite des Lebens.


EMELI SANDÉ

Let’s Say For Instance (Chrysalis/PIAS)

Nach gescheiterten Beziehungen mit Männern ist Emili Sandé jetzt mit ihrer Pianistin zusammen und scheint ihr Liebesglück gefunden zu haben. Das neue Album «Let’s Say For Instance» entpuppt sich in nachvollziehbarer Weise als künstlerischer und persönlicher Befreiungsschlag. Ein eleganter Mix aus British Soul, Old School R&B, Gospel, Pop, Disco und Klassik zeigt nicht nur Emeli’s grandioses Gesangstalent, sondern auch ihre unglaublichen Skills als Songwriterin und Produzentin. Emeli Sandé hat eine neue Leichtigkeit in ihren Songs entdeckt, die trotzdem nie an Tiefe und Haltung verliert.


POPPY AJUDHA

The Power In Us (Virgin Music)

Poppy Ajudha, eine Mittzwanzigerin mit karibischen Wurzeln, ist vor einigen Jahren in der Londoner Jazz-Szene aufgetaucht. Auf ihrer ersten EP „Femme“ (2018) experimentierte Poppy Ajudha mit Jazz und Soul und sang über ihre Queerness und ihre Rolle als Woman of Colour. Mit ihrem Album-Debüt «The Power In Us» prescht Poppy Ajudha ihren politisch gefärbten Soul-Jazz-Pop vor in Richtung Zukunft. Das Ergebnis klingt wie Adele mit der Attitüde einer Billie Eilish. In „Mothers, Sisters, Girlfriends“ drückt Poppy Ajudha ihr Unbehagen mit den traditionellen weiblichen Rollen aus und plädiert für Selbstbestimmung über den eigenen Körper.


SOFT CELL

Happiness Not Included (BMG)

Zum 40-jährigen Jubiläum ihrer Karriere veröffentlichen Soft Cell ihr sechstes Album. Auf «Happiness Not Included» lassen Crooner Marc Almond und Soundtüftler Dave Balls ihren wehmütigen Elektro-Pop mit Lack und Leder wieder aufleben. Groovende Club-Nummern wie «Polaroid» und «Nighthawks», ein Duett mit Drag-Queen Christeene, wechseln sich ab mit beinahe sakralen Balladen wie «Light Sleepers» (mit Saxofon!!!), «Eden» und «I’m Not A Friend Of God». In der Pop-Hymne «Purple Zone» kommt zu einem regelrechten Gipfeltreffen der Synthie-Pop-Titanen: Soft Cell und Pet Shop Boys, zum ersten Mal zusammen in einem Song, zitieren sich selber und blicken mit einem Augenzwinkern zurück.


MISS KITTIN & THE HACKER

Third Album (Nobody’s Bizzness)

Zu Beginn der Nuller Jahre avancierte Electroclash, eine Kombination zwischen Punk-Ästhetik, Synthie-Pop, NDW, Italo-Disco und Trash, zum nächsten grossen Club-Sound. Unter den Electroclash-Held*innen befinden sich Fisherspooner, Peaches, Ladytron, Tiga, Felix Da Housecat und selbstverständlich auch Caroline Hervé (alias Miss Kittin) und Michel Amato (alias The Hacker). Die DJs und Musiker*in erweiterten den Synthie-Pop mit distanziertem und gelangweiltem Sprechgesang. Dreizehn Jahre nach «Two» entwerfen Miss Kittin & The Hacker acht neue pulsierende Electroclash-Perlen, die sowohl im Club wie im eigenen Wohnzimmer funktionieren.  


FLORENCE + THE MACHINE

Dance Fever (Polydor)

Das Ein-Frau-Projekt der Britin Florence Welch geht in die fünfte Runde. Auf «Dance Fever» regiert diese grosse Stimme mit dem Hang für die grosse Geste, Pathos und Bombast wieder. Florence Welch verbindet Dance- und Folk-Elemente mit der Attitüde eines Iggy Pop und mit dem Geist von grossen Songschreiberinnen wie Lucinda Williams oder Emmylou Harris. Für ihre Texte und für das Albumcover hat sie sich diesmal von tragischen Heldinnen aus der präraffaelitischen Zeit, aber auch von düsteren Gothic-Fiction-Texten oder von Horrorfilmen inspirieren lassen. «Dance Fever» hat Florence Welch mit Jack Antonoff (Taylor Swift, Lana Del Rey, Lorde) und Dave Bayley von Glass Animals produziert.


ANITTA

Versions Of Me (Warner Records Inc.)

Die brasilianische Sängerin Anitta wuchs in einer Favela in Rio de Janeiro auf. Heute ist sie einer der grössten Popstars Lateinamerikas. Sie hat ein Duett mit Madonna auf deren Album «Madame X» eingespielt und hat u.a. mit Drag Queen Pabllo Vittar, Maluma und Cardi B gearbeitet. Anitta bezeichnet sich als Feministin, bisexuelle LGBTQ-Vertreterin, Black-Lives-Matter-Aktivistin und Gegnerin Bolsonaros. Mit dem neuen Album «Versions Of Me» wird ihr der Sprung zum neuen globalen Latino-Pop-Superstar sehr wahrscheinlich gelingen. Anitta beherrscht nicht nur das ganze Spektrum des Latino-Pop von gestern und heute, sondern hat auch ein Händchen für Dance-Pop-Nummern à la Dua Lipa.


SOFI TUKKER

Wet Tennis (Sofi Tukker, LLC, Ultra Records)

Sofi Tukker, das Duo aus New York bestehend aus Sophie Hawley-Weld und Tucker Halpern, ist bekannt durch ihren schrägen Mix aus Elektro, Euro-Dance und Pop. Die beiden wissen bestimmt um ihren erhöhten Camp- und Trash-Faktor, den sie schlussendlich in der LGBTQ-Gemeinde zum Durchbruch verhalf. Auf ihrem Album «Wet Tennis» ist davon weniger zu spüren. Sofi Tukker wollen als Dance-Act endlich ernst genommen werden und nicht mehr so albern klingen. Ihre Vergangenheit wollen sie trotzdem nicht ganz zu verleugnen.


TANZER

Disco Automatic (Tanzer)

Die australische queere Musikerin, Tänzerin und DJ Tanzer hat am diesjährigen ESC-Vorentscheid in San Marino teilgenommen. Leider konnte ihr Song Publikum und Jury nicht überzeugen. Aber mit ihrem grossen Hang für Camp und Glamour hat Tanzer inzwischen die Herzen der LGBTQ-Gemeinde erobert. Die EP «Disco Automatic» enthält sechs originale Songs und fünf Remixes. Es gibt flotte Euro-Pop-Songs wie «Deep Fried Disco» und «Tango». Und natürlich viel Disco-Sound in allen möglichen Variationen, von Space-Disco bis zu Soul-Disco und Art-Disco.


GEORGE PERRIS

No Armor (Destin Productions)

Griechenland hat schon einige internationale Stars hervorgebracht, wie z.B. Nana Mouskouri und Demis Roussos. Georg Perris ist ein 38-jähriger Sänger im Stil der Crooner in der Tradition von Frank Sinatra und Michael Buble. Meines Erachtens erinnert er eher an Josh Groban. Im Unterschied zu diesem setzt George Perris mehr auf echte Emotionen als auf Kitsch und Bombast. Auf dem englischsprachigen Album «No Armor» interpretiert George Perris mit griechischer Sensibilität und angenehmer Zurückhaltung Klassiker von ABBA, Nana Mouskouri, Joni Mitchell bis Billie Eilish.


SAM VANCE-LAW

Goodbye (Virgin)

Bereits auf seinem Debütalbum «Homotopia» von 2018 überraschte Sam Vance-Law mit kammermusikalischen Pop-Songs aus 100%iger schwuler Perspektive. Damals kultivierte der aus Kanada stammende Wahlberliner sein ausschweifendes Dandy-Leben in Deutschlands Hauptmetropole. Auf dem ebenfalls sehr autobiographischen Nachfolgeralbum «Goodbye» erzählt Sam Vance-Law ungefiltert und schnörkellos vom Ende seiner grossen Liebe und gibt sich vollständig dem Trennungsschmerz und Liebesleid hin. Auch wenn er sich weigert, seine Musik zu klassifizieren, bleibt der Songwriter mit der sanften Baritonstimme seinem Kammer-Pop und seinen Klavierballaden grundsätzlich treu.     


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Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
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