DJ Coreys Musik-Tipps für den Dezember 2020
Miley Cyrus, Dolly Parton, Mariah Carey, Pierre Lapointe OST «Happiest Season», Elton Johns, Sophie Ellis-Bextor, Steps, Mariza
Miley Cyrus ist jetzt eine Rockgöre. DJ Coreys Weihnachtsspecial mit Dolly Parton, Mariah Carey, Pierre Lapointe und dem Soundtrack zur lesbischen Komödie «Happiest Season». Die schönste Bescherung: Elton Johns edle Juwelen-Box. Home-Dancing mit Sophie Ellis-Bextor. Euro-Dance-Reloaded: das Comeback von Steps. Die grössten Stimmen des Fado: Mariza verbeugt sich vor Amàlia Rodrigues.
MILEY CYRUS
Plastic Hearts (RCA)
Der Ex-Disney-Star hat die typische Attitüde und Pose von Rockmusik neu für sich entdeckt. Nach dem braven Country-Pop von «Younger Now» setzt die 28-jährige Amerikanerin wieder auf Exzesse und Provokation. Für das Albumcover liess sie sich vom Rock’n’Roll-Fotografen Mick Rock porträtieren, der bereits Rock-Grössen wie Freddie Mercury, Joan Jett und The Ramones ablichten durfte. Die angehende Rock-Göre leistet sich den Luxus, mit Altstars wie Billy Idol, Joan Jett und Stevie Nicks zu duettieren und Oldies-Hits wie «Zombie» von The Cranberries und «Heart Of Glass» von Blondie neue Frische einzuhauchen. Immerhin ist der Dance-Track «Prisoner» mit der britisch-kosovarischen Sängerin Dua Lipa eine schöne Konzession an den Zeitgeist.
DOLLY PARTON
A Holly Dolly Christmas (Butterfly Records)
Die amerikanische Country-Pop-Ikone versüsst die Adventszeit mit einem neuen Weihnachtsalbum als Ergänzung zu ihrem aktuellen Netflix-Weihnachtsmusical «Christmas On The Square», in welchem sie als singender Engel eine ganze Stadt in Weihnachtszauber versetzt. Klar erfüllt «A Holly Dolly Christmas» alle amerikanischen Country- und Weihnachts-Klischees. Aber Dolly Partons enormes Talent und grosses Herz für Musik und Menschlichkeit machen alles wieder wett. Die zwölf festlichen Lieder, darunter fünf Eigenkompositionen, duften herrlich wie Lebkuchen und haben einen wunderschönen weissen dicken Zuckerguss. Ein passendes Cover und eine glänzende Gästeliste (Michael Bublé, Miley Cyrus, Billy Ray Cyrus, Jimmy Fallon und Willie Nelson) runden das Ganze ab.
MARIAH CAREY
Mariah Carey’s Magical Christmas Special
In der Adventszeit geht Mariah Carey in der Regel mit ihrer berühmten Weihnachtsshow auf Tour. Ausgerechnet zum 25-jährigen Jubiläum ihres grossen Weihnachts-Hits «All I Want For Christmas Is You» musste sie wegen der Corona-Krise sämtliche Veranstaltungen absagen. Ihr neues Weihnachts-Special wird heuriges Jahr nur auf Apple TV ausgestrahlt. Die R&B-Diva zeigt sich darin als gute Freundin des Weihnachtsmannes und hat sich als Mission gesetzt, der ganzen Welt ein frohes Weihnachtsfest zu bescheren. Als unangefochtene Weihnachtsqueen hat Mariah Carey hier ein leichtes Spiel. Mit von der Partie sind viele Stars wie Ariana Grande, Tiffany Haddish, Snoop Dogg, Jennifer Hudson und Jermaine Dupri. Auch Careys Zwillingskinder Monroe und Moroccan dürfen natürlich nicht fehlen.
PIERRE LAPOINTE
Chansons hivernales (Les Disques Audiogrammes)
Der Künstler aus Québec kehrt mit einem Weihnachtsalbum zurück. Auf «Chansons hivernales» nimmt Pierre Lapointe sein gespaltenes Verhältnis zu den Festtagen und zum Winter im Allgemeinen unter die Lupe. Auf die Fröhlichkeit folgt die Melancholie, nach dem heiteren Beisammensein und den exzessiven Feiern wird Bilanz gezogen — und dann beginnt die Einsamkeit. Im Song «Six heures d’avion nous séparent», einem Duett mit dem Sänger Mika, löst ein Männerpaar seine Fernbeziehung einfach am Telefon auf. Das Schallplattencover wurde vom berühmten Künstlerpaar Pierre Et Gilles gestaltet. Die Streicherarrangements hat der gefeierte Multiinstrumentalist und Songwriter Owen Pallett komponiert. «Chansons hivernales» ist vielleicht das erste 100%-schwules Weihnachtsalbum der Popgeschichte.
HAPPIEST SEASON
Music From And Inspired by The Film
Für die LGBTQ-Gemeinde gibt es während der Festtage weitere passende Musik und dazu noch einen Film. Die Komödie «Happiest Season» mit der Schauspielerin Kristen Stewart handelt von einer jungen Frau, die ihrer Freundin an den Weihnachtsfeiertagen einen Heiratsantrag machen will. Doch die Sache hat einen Haken: ihre Partnerin hat sich vor ihren konservativen Eltern noch nicht als lesbisch geoutet. Am ziemlich poppig geratenen Film-Soundtrack haben sich ausschliesslich LGBTQ-Künstler, -Hitschreiber und -Produzenten beteiligt. Tegan & Sara, Anne-Marie, Charlie Hanson, Bebe Rexha, Shea Diamond, Sia, Brandy Clark und LP. Das Album wurde vom Grammy-nominierten queeren Songwriter Justin Tranter produziert. «Make You Mine This Season» von Tegan & Sara wird schon jetzt als die lesbische Version von «Last Christmas» von WHAM! bezeichnet.
ELTON JOHN
Jewel Box (EMI/Universal)
Der prominenteste schwule Star hat diesmal ganz tief in sein reiches Songarchiv gegraben. Die 8-CD-Retrospektive «Jewel Box» ist mit 148 Songs, die zwischen 1965 und 2019 entstanden sind (davon 63 unveröffentlicht), und einem Hardcover-Buch ganz üppig geraten. Es handelt sich meistens um Raritäten und verborgene Schätze, die der Meister persönlich in den Liner Notes ausführlich kommentiert. CD 1 und 2 sind den Deep Cuts gewidmet, einer persönlichen Auswahl von Songfavoriten aus 30 Studioalben. CDs 3 bis 5 umfassen Raritäten zwischen 1965 und 1971 und beleuchten die Frühphase mit Johns Band Bluesology und die Anfangszeit mit seinem besten Freund und Texter Bernie Taupin. CDs 4 bis 7 ist eine Sammlung der B-Seiten seiner Singles zwischen 1976 und 2005. Und CD 8 feiert die Songs, die er in seiner Biographie «Me Elton John» zitiert. «Elton: Jewel Box» ist nicht nur ein Fall für Komplettisten und Fans sondern ein Muss für alle angehenden Singer/Songwriter mit einem Faible für Pianoballaden.
SOPHIE ELLIS-BEXTOR
Songs From The Kitchen Disco
Während dem ersten Lockdown hat Sophie Ellis-Bextor ihren früheren Disco-Sound wieder liebgewonnen und ihre Küche in eine Disco umfunktioniert. Jeden Freitag hat sie Videos von ihrer Home-Disco-Partys auf Instragram gepostet. Als Dank an ihre treue Instagram- Gefolgschaft veröffentlicht die britische Disco-Queen mitten in der zweiten (oder ist es schon die dritten Welle?), eine Compilation mit ihren grössten Dance-Hits, zum Teil in der Originalversion, zum Teil in einer Neufassung. Insbesondere ihre tolle Cover-Version des Eurodance-Klassikers «Crying At The Discotheque» von Alcazar erfährt in diesen widrigen Zeiten eine ganz neue Bedeutung und befeuert erst recht die Sehnsucht nach Eskapismus, Euphorie und Tanz.
STEPS
What The Future Holds (BMG)
Schon in ihrer Blütezeit, in den Endneunzigern, war die Musik des britischen Quintett Steps ein ziemlich heimliches Vergnügen und galt dazu noch als uncool. Ihre Leidenschaft für ABBA und Eurovision und ihre Neigung zu absolut unwiderstehlichem campy Kitsch machten Steps immerhin zu Favoriten der britischen LGBT-Gemeinde. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass eine Band, die sich seit ihrer Gründung um musikalische Moden foutiert, heute plötzlich voll im Trend liegt. In diesen unsicheren Zeiten kann ein vertrauter Sound nämlich Glücks- und Geborgenheitsgefühle auslösen. Die ABBA- und Eurovision-Einflüsse sind im wunderbar dramatischen «Something In Your Eyes» alle wieder da. Und Pop-Star Sia hat mit ihrem Produzenten Greg Kurstin die nicht minder dramatische Nummer «What The Future Holds» beigesteuert.
MARIZA
Mariza Canta Amália (Warner)
Mariza, die aktuelle Botschafterin des Fado, verbeugt sich vor ihrem grossen Vorbild Amàlia Rodrigues. Amàlia Rodrigues, die dieses Jahr 100 geworden wäre, gilt heute noch als die Stimme Portugals und ist eine regelrechte nationale Institution. 20 Jahre sind seit Marizas erstem Album vergangen. Inzwischen hat ihre Stimme an Reife und Sicherheit gewonnen, die ihr heute erlaubt, in die Welt der Amàlia Rodrigues perfekt einzutauchen. Mariza erneuert den Fado ihrer Nationalheldin. Die traditionelle Besetzung aus Klavier, Gitarre, Schlagzeug und Kontrabass ergänzt sie um orchestrale Arrangements. Durch ihre Herangehensweise verleiht sie den Klassikern eine ähnliche Melancholie, befreit sie aber von den schweren dramatischen Momenten, indem sie ihnen eine positive, hellere Note verpasst.
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