DJ Coreys Musiktipps für den Juni ’20

Lady Gaga, Charli XCX, Alma, Diplo, Indigo Girls, Moses Sumney, Owen Pallett, Serpentwithfeet, Ricky Martin, Populous

Chromatica: Lady Gagas Tanzfläche-Geständnisse. Charli XCXs Hymnen aus der Quarantäne. Das queere Energiebündel aus Finnland: Alma. Diplo: Der LGBT-freundliche Superstarproduzent setzt nun auf Country-Dance. Album Nummer 16 für die unverwüstlichen Indigo Girls. Moses Sumney sinniert über die Grauzonen des Lebens. Owen Palletts «Island» vermählt orchestrale Perfektion und Intimität. Serpentwithfeet erteilt eine Lektion in experimentellem Soul. Ricky Martin macht «Pausa» vor der Party. Ein schwuler Produzent gegen die Macho-Kultur und für Geschlechtergerechtigkeit: Der Italiener Populous.


LADY GAGA

Chromatica (Interscope Records)

Nach einem fulminanten Karrierestart mit ständig wechselnden, ausgefallenen Outfits und Looks suchte die extravagante Pop-Diva plötzlich nach Echtheit. Mit «Joanne» und «A Star Is Born» setzte Lady Gaga auf Country, Nähe und Verletzlichkeit. Eine Kehrtwendung, die mit ihrem ersten Oscar gekrönt wurde. Auf ihrem neuen Werk verarbeitet Lady Gaga ihre Depressionen, chronische Leiden und Vergewaltigungstraumata in Form von eingängigen House-Electro-Pop-Hymnen. Damit beweist sie, dass Künstlichkeit auch ehrlich sein kann. Chromatica steht für einen utopischen Ort, wo Lady Gaga und alle Little Monsters ihre Schmerzen einfach wegtanzen können. Schon deswegen ist «Chromatica» das wohl schwulste Album ihrer gesamten Karriere geworden.


CHARLI XCX

How I’m Feeling Now (Warner Bros Ltd.)

Das 27-jährige Pop-Multitalent hat die Corona bedingte Quarantänezeit genutzt und innert eines Monats ein komplettes Album eingespielt. «How I’m Feeling Now» ist bei ihr zuhause in ihrer Wahlheimat Los Angeles entstanden. Am kreativen Prozess durften sogar ihre Fans mit der Einsendung von Song-Ideen, Beats oder Ähnlichem teilhaben. Trotz der beschränkten Mittel sind Charli XCX elf perfekte Pop-Hymnen mit ausgiebigem Autotune- Einsatz gelungen, die mit Elektro-Pop, Hip-Hop und 90s-Dance krass liebäugeln. Mit «How I’m Feeling Now» zeigt Charli XCX, dass der Do-It-Yourself-Modus und die Arbeit im Home Office ihrer Kreativität keinen Abbruch getan haben.


ALMA

Have U Seen Her (Epic/Sony)

Die 24-jährige Finnin mit leuchtend grünen Haaren, XXL-Klamotten und dem Herz auf der Zunge ist eine willkommene Alternative zu den zahlreichen Plastik-Pop-Sternchen ihrer Generation. Im Pop-Zirkus ist das queere Energiebündel mit der Powerstimme kein Neuling mehr. Sie hat sich als Songschreiberin für Miley Cyrus, Ariana Grande, Lana Del Rey und Charli XCX einen guten Namen gemacht. Und mit den eigenen Hits «Chasing Highs», «Karma» und «Dye My Hair» hat sie bereits ein gutes Händchen für Hooks und unwiderstehliche Pop-Melodien an den Tag gelegt. Auf ihrem Album «Have U Seen Her» bringt Alma Pop-Affinität und Punk-Attitüde unter einen Hut und sprengt gerne Genregrenzen auf.


DIPLO

Diplo Presents Thomas Wesley Chapter 1: Snake Oil (Mad Decent, Columbia/Sony)

Der amerikanische DJ und Produzent Diplo gehört bestimmt zu den Superstars der elektronischen Tanzmusik. Mit seinen EDM-Beats hat er Songs von Madonna, Beyoncé, Usher, Bruno Mars, usw. veredelt. Als er von einem Jahr einen Remix von Country-Trap-Hit «Old Town Road» von Lil Nas X angefertigt hat, hat Diplo die Zeichen des Zeitgeistes erkannt. Mit seinem neuen Projekt «Diplo Presents Thomas Wesley Chapter 1: Snake Oil» läutet er seine Country-Phase ein. Mit Country hat das nicht wirklich viel zu tun, auch wenn Diplo in den Medien in voller Cowboy-Montur erscheint. Ihm ist aber zugutezuhalten, dass er für eine angenehme Integration und Diversifikation im vorwiegend weissen undkonservativen Country-Genre sorgt, indem er LGBTQ-Lieblinge Lil Nas X und Orville Peck sowie Afroamerikaner wie Blanco Brown und den Rapper Young Thug mit ins Boot holt. Das ist clevere Musik für die Massen.


INDIGO GIRLS

Look Long (Indigo Girls Inc., Rounder Records)

Seit der Gründung der Band in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre sind die Indigo Girls, das Duo um Amy Ray und Emily Saliers, zu globalen Queer-Ikonen avanciert und wurden sowohl für ihre musikalischen Talente als auch für ihren Einsatz für Minderheiten, die Umwelt und gegen die Todesstrafe ausgezeichnet. Ihr 16. Album «Look Long» bietet nach wie vor sehr soliden Folk und Country-Rock mit hier und da Blues-, Soul- und Bluegrass-Elementen. Die zauberhaften Melodien und der perfekte, göttliche Harmoniegesang bleiben heute noch ihr grosses Markenzeichen.


SERPENTWITHFEET

Apparition (Secretly Canadian)

serpentwithfeet alias Josiah Wise ist ein klassisch ausgebildeter Sänger und Musikwissenschaftler aus Brooklyn, NYC. Seine Stimme setzt er wie ein richtiges Instrument ein und steht im Mittelpunkt seiner Songs. Er schreibt dunkle queere Liebeslieder mit theatralischen Texten, die von Vergänglichkeit und Tod, aber auch von Hoffnung handeln. Musikalisch bewegt er sich zwischen Gospel, Elektronik und experimentellem Soul. Nach seinem von der Kritik hoch gelobten Debütalbum «Soil» (2018) veröffentlicht er nun die EP «Apparition», die im Vergleich dazu schon eine Spur eingängiger und zugänglicher geworden ist.


MOSES SUMNEY

Grae (Jagjaguwar)

Der aus Ghana stammende Amerikaner legt ein komplexes Albumüber die Schönheit der Farbe Grau vor. Eine Farbe, die seiner Meinung nach oft übersehen wird, weil sie uns oft belanglos scheint. Die 20 Songs drehen sich um das Thema der Identität in ihren unterschiedlichen Facetten (Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität). Moses Sumney bricht bewusst mit gesellschaftlichen und musikalischen Konventionen. Er hinterfragt den Männlichkeitsbegriff. Auch will er sich nicht in das einfache Korsett eines R&B-Künstlers zwängen lassen. Stattdessen erweitert er sein Klangspektrum mit Electro-Soul, Folk, Jazz und experimentellem Indie-Rock. «Grae» ist keine leichte Kost, aber es lohnt sich, sich darauf einzulassen.


OWEN PALLETT

Island

Als Musiker, Produzent und Streicherarrangeur hat Owen Pallett die Hidden Cameras, die Pet Shop Boys, R.E.M., Taylor Swift, Frank Ocean und viele andere unterstützt. Der Kanadier ist auch für seine Musik aus Filmen und Fernsehserien bekannt. Für den von ihm mit Arcade Fire geschriebenen Soundtrack zum Spike Jonzes Film «Her» hat er eine Oscar-Nomination bekommen. Mit «Island» präsentiert Owen Pallett die Fortsetzung zu seinem Debüt «Heartland» aus 2010. Es geht um die Geschichte des schönen, gewalttätigen Farmers Lewis, der im ständigen Konflikt mit seinem Erschaffer namens Owen steht. Sämtliche Songs sind auf einer alten Akustik-Gitarre entstanden, wurden für das finale Album mit den Streichern der London Contemporary Orchestra bzw. mit den Bläsern und Perkussionen des St. Kitts Chamber Orchestra veredelt. Mit «Island» schafft Owen Pallett den Spagat zwischen Intimität und dramatischer Opulenz.


RICKY MARTIN

Pausa (Sony)

Für Ricky Martin war Musik die beste Medizin gegen die Angst und Ungewissheit während der Corona-Krise. Das Ergebnis ist die neue EP «Pausa», die den ersten Teil eines Projekts bildet. Die Fortsetzung mit dem Titel «Play», die mehrheitlich auf feurige Rhythmen fokussiert ist, folgt später. Auf «Pausa» inszeniert sich Ricky Martin als melancholischer Romantiker. Bei den vier neuen Songs handelt es sich um Kollaborationen mit dem Superstar Sting, der mexikanischen Singer-Songwriterin Carla Morrison, dem Flamenco-Sänger Diego El Cigala und dem Puerto-Ricaner Pedro Capó. Ricky Martin hat sich den Stil des jeweiligen Gastes angeeignet und ein bisschen versucht, seine Komfortzone zu verlassen.


POPULOUS

W (Wonderwheel Records)

«W» ist das neue Projekt des queeren italienischen Elektro-Global-Latin-Pop-DJs Andrea Mangia alias Populous. «W» steht für «Women» und ist eine Hommage an die weiblichen und queer-feministischen Ikonen der Musikgeschichte wie Amanda Lear, Grace Jones, Missy Elliott, Aaliyha, Loredana Bertè und RuPaul. Diese und viele mehr hat der queere Grafikdesigner Nicola Napoli auf dem Cover festgehalten. Mit weiblichen Gästen aus drei Kontinenten und seinem elektronischen Sound setzt Populous ein musikalisches Zeichen gegen Homophobie und die Macho-Kultur.


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Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
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