DJ Coreys Musiktipps für den März ’20

Grimes, Lauv, Sam Sparro, Christine And The Queens, Diodato, Anna Calvi, Douglas Dare, Katie Pruitt, Simone Kermes

Grimes: Die Britney Spears des Cyber-Pop hat ein Konzeptalbum zum Klimawandel gemacht. Lauv: Der Shootingstar der Generation Z steht mit seinem lang ersehnten Debüt in den Startlöchern. Zurück aus der Versenkung: Sam Sparro feiert Comeback mit Boombox Eternal. Ab in ein neues Leben: Christine And The Queens hat unangekündigt eine neue EP herausgegeben. La vita è bella, für den diesjährigen Sanremo-Sieger Diodato sogar «meravigliosa». Von Jägerin zur Gejagten: Anna Calvi interpretiert die Songs ihres Werks «Hunter» neu. Douglas Dare: der androgyne Pop-Troubadour reist in seine Kindheit zurück. Katie Pruitt: die amerikanische Singersongwriterin hat ein Coming-Of-Age-Album mit Happy End geschrieben. Klassik meets Pop: Die Sopranistin Simone Kermes kennt keine Berührungsängste.


GRIMES

Miss Anthropocene (4AD/Beggars/Indigo)

Grimes, im richtigen Leben Claire Boucher, zählt zweifellos zu den wichtigsten Elektro-Pop- Figuren der 10er-Jahre. Ihr viertes Werk «Miss Anthropocene» ist eindeutig auch ihr zugänglichste. Die 32-jährige Kanadierin inszeniert sich als Göttin der Klimakrise. Deren Name setzt sich aus «Misanthropie» (Menschenhass) und «Anthropozän» zusammen, d.h. jener Ära, in der der Mensch der Hauptverantwortliche für die Zerstörung der Erde ist. Grimes Liaison mit Tesla-Chef Elon Musk macht das selbstverständlich gut gemeinte Vorhaben nicht wirklich glaubwürdig. Aber Grimes Vorstellung von Pop im digitalen Zeitalter ist schon eine sehr spannende Erfahrung. Grimes dreht süsslichen Pop, asiatischen K-Pop, R&B, Gothic-Pop, Drum’n’Bass, Trip-Hop und sogar Country durch den Fleischwolf. Heraus kommt eine verstörend schöne Pop-Wurst.


LAUV

How I’m Feeling (AWAL Recordings America)

Ari Leff, besser bekannt als LAUV, ist ein 25-jähriger amerikanischer Singersongwriter, Sänger und Produzent mit lettischen Wurzeln. LAUV ist übrigens die lettische Bezeichnung für Löwe. Seine ersten Sporen verdiente LAUV als Songwriter für Pop-Acts wie Khalid, Demi Lovato und Charli XCX. Mit der Hit-Single «I Like Me Better», die neben Platinstatus über eine Milliarde Streams erreichte, gelang ihm der Durchbruch als Eigenkünstler. Nach der Compilation aus bereits erschienenen Singles «I Met You When» präsentiert LAUV nun sein offizielles Debüt. Schon das Cover von «How I’m Feeling» zeigt LAUV als farbenfrohe «One Man Boyband». Aber der Schein trügt. Trotz der süssen Pop-Melodien setzt sich LAUV auf ganzer Albumlänge mit der Malaise der Generation Z auseinander. Isolation durch soziale Medien, Flucht in die Gaming-Sucht und Einsamkeit sind die wiederkehrenden Themen.


SAM SPARRO

Boombox Eternal (Sparro Inc.)

2008 katapultierte sich der damals 26-jährige Australier mit seiner famosen Single «Black & Gold» von Null auf Platz Zwei der britischen Charts, unmittelbar nach Madonna und Justin Timberlake mit ihrem Hit «4 Minutes». Auf dem selbstbetitelten Debüt überzeugte Sam Sparro mit klassischem und modernem R&B, catchy Refrains und der Stimme eines Pop-Soul-Crooner. Danach folgten «Return To Paradise» (2012), Sparros Hommage an den Höhepunkt der New Yorker Disco-Ära und zwei Mix-Tapes, die sein Talent als DJ offenbarten. Mit «Boombox Eternal» wendet sich Sam Sparro dem New Jack Swing und R&B der 90er-Jahre zu. Mit einer guten Mischung aus Party Tracks, Mid Tempo Tracks und Slow Jams reitet er mit Bravour die Retrowelle. Janet Jackson, Jimmy Jam und Terry Lewis lassen grüssen.


CHRISTINE & THE QUEENS

La Vita Nuova EP (Because Music)

Zwei Jahre nach «Chris» meldet sich Héloïse Letissier aka Christine and the Queens mit der EP «La Vita nuova» und dem gleichnamigen 14-minütigen Video zurück, das in der opulenten Kulisse der Pariser Opéra Garnier gedreht wurde. In den neuen 6 Songs zwischen Pop, R&B und Electro steht die französische Singer-Songwriterin und Gallionsfigur der LGBTQCommunity offen zu ihren inneren Dämonen und ihrer Verletzlichkeit, um sie dann am Schluss zu überwinden. Im Titelstück, einem Duett mit Caroline Polacheck (Ex-Sängerin der Indie-Band Chairlift), singt Chris zum ersten Mal auf Italienisch. Eine tolle Überraschung.


DIODATO

Che vita meravigliosa (Carosello)

Diodato, der diesjährige Sieger des Festivals von Sanremo und ESC-Kandidat für Italien, mutiert nach vielen Jahren im musikalischen Underground endlich zu einem der grössten Cantautori der neuen Generation. Auf seinem vierten Studioalbum «Che vita meravigliosa» zieht der 39-Jährige mit gewaltiger, aber auch hauchzarter Stimme sämtliche Register seines Könnens. Seine Kunst ist es, sowohl musikalisch als auch textlich Leichtigkeit mit Tiefe zu verbinden. Er erzählt Geschichten, die das Leben schreibt, mit dramatischen Balladen, gefühlvollen Liebesliedern sowie raffinierten Pop-Songs, die sich zwischen den 60er-, 80er- Jahren und heute bewegen. Das Titelstück gehört zum Soundtrack des Films «La dea fortuna» von Ferzan Özpetek.


DOUGLAS DARE

Milkteeth (Erased Tapes)

Auf seinem zweiten Album «Aforger» legte der heute 29-jährige Brite den Fokus auf sein Coming Out und auf eine toxische Beziehung zu einem Mann, der ein Doppelleben führte. Dabei bediente er sich einer düsteren Soundkulisse mit bedrohlichen Synthie-Klängen, Bläsern und dissonanten Melodien. Auf «Milkteeth», das in nur 12 Tagen entstanden ist, nimmt Douglas Dare die geneigte Hörerschaft auf eine Reise in seine Jugendjahre auf dem elterlichen Bauernhof mit, wo er mit dem rosaroten Ballettröckchen seiner Mama herumtanzte. Diesmal setzt er auf minimalistischen Kammerpop mit reduzierter Begleitung. Erinnerungen an den ersten Rufus Wainwright oder an Jeff Buckley werden wach.


ANNA CALVI

Hunted (Domino

Manchmal ist weniger mehr. Das mag sich Anna Calvi bei diesem Projekt wohl gedacht haben. Ausgerechnet sie, die ihren Hang zum Theatralischen und zur grossen Geste stets in vollen Zügen ausleben durfte. Auf «Hunted» steckt die britische Singer-Songwriterin sieben Songs ihres Albums «Hunter» von 2018 in neue intime Arrangements. Für diese gelungenen Minimalfassungen zog die Londonerin die Handbremse und drosselte das Tempo, zum Teil massiv. Sie liess sich dabei von prominenten Gästen wie Julia Holter, Charlotte Gainsbourg, Courtney Barnett und Joe Talbot von der Band Idles unterstützen. Und das Ergebnis kann dem Original locker das Wasser reichen.


KATIE PRUITT

Expectations (Rounder Records

Auf ihrem Debüt «Expectations» erzählt die amerikanische Singersongwriterin in zehn Songs zwischen Country, Pop und Rock ihre eigene Geschichte. Den Anfang machen ihre schwierigen Jahre an der katholischen Schule in Athens, Georgia, wo sie sich fehl am Platz fühlte. Es folgt eine lange Zeit, wo Selbstzweifel und Reflexion gegen über ihrer sexuellen Orientierung herrschen. Für Katie Pruitt lief es nicht immer rund, doch ein Happy-End zeichnet sich ab. Denn sie lernt, sich selbst zu akzeptieren und findet noch eine liebe Freundin.


SIMONE KERMES und die Amici Veneziani

Inferno e Paradiso (SONY Classical

Die deutsche Sopranistin hat nicht nur eine grosse Vorliebe für Barock, sondern hört privat auch Rock und Pop, von AC/DC bis Rammstein und Lady Gaga. Auf ihrem neuen Werk «Inferno e Paradiso» kreist alles um Himmel und Hölle, um die sieben Tugenden und Todsünden. Simone Kermes und ihr eigenes Ensemble Amici Veneziani bleiben ihrem barocken Repertoire treu. Es gibt grosse Arien u.a von Bononcini, Vivaldi und Bach. Aber die wahre Überraschung sind Pop-Songs von Lady Gaga, Udo Jürgens, Sting bis zu Led Zeppelin, die vom finnischen Arrangeur Jarkko Riihimäki meisterhaft in Barockstücke verwandelt werden. Der Titel «Lady Gaga der Barockmusik», mit dem die Medien Simone Kermes gerne schmücken, ist damit wohl verdient.


Sendung hören:


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
https://queerupradio.ch

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