DJ Coreys Musiktipps
für den Juni

Madonna, Miley Cyrus, Carly Rae Jepsen, Steve Lacy, Santana, Morrissey, Rocketman, Joan As Policewoman, Sarah Conner

Madame X: die vielen Gesichter der Madonna. Die Unangepasste vom Dienst: Miley Cyrus macht schlicht, was sie will. Es gibt ein Leben nach dem Super-Hit: Carly Rae Jepsen befreit sich vom Erfolgsdruck. Bruch mit den traditionellen Geschlechterrollen: Mit Steve Lacy kriegt der amerikanische R&B ein neues Männlichkeitsbild. Flamenco-Pop-Stimme trifft auf Latino-Rock-Legende: die spanische Sängerin Buika verschönert die Songs des Alt-Hippies Carlos Santana. Das Grossmaul schlägt wieder zu: Morrisseys elegante Hommage an vergessenen Song-Poeten der 60er und 70er-Jahre. Rocket Man: der kunterbunte Soundtrack zu Elton Johns-Film-Biopic. Zwischenbilanz: die erste Retrospektive von Joan As Policewoman versammelt bekannte, selten gehörte und zwei neue Songs. Deutsch-Pop mit Power und Gefühl: Sarah Connor mutiert zum zweiten Mal zur deutschen Pop-Poetin mit romantisch-rebellischem Einschlag.


  MADONNA

Madame X (Boy Toy Inc. / Interscope Records)

Pop ist jung, frech, wild und sexy. Dies sind alles Attribute, die objektiv betrachtet auf 60-jährige Normalbürger/innen nicht mehr zutreffen. Aber Bitch, sie ist Madonna. Seit vier Dekaden prägt sie die Pop-Welt mit ihren Songs, Videos und Filmen, ganz zu schweigen von ihrem grossen Einsatz für LGBT- und Frauenanliegen. Ihr vielleicht misslungener Auftritt beim diesjährigen ESC kann Madonnas herausragende Verdienste für die Pop-Kultur einfach nicht ungeschehen machen. Auf «Madame X» will die Queen Of Pop keine Trends mehr setzen. Sie umgibt sich mit den wichtigsten Figuren der Latino-, Hip-Hop- und Trap-Szene, wie die Reggaeton-Sensation Maluma, die Rapper Quavo und Swae Lee und die brasilianische Sängerin Anitta. Mit entspannten Rhythmen unterstreicht Madonna einmal mehr ihre Relevanz im aktuellen Pop-Kontext und setzt sich als leidenschaftliche Provokateurin durch.


MILEY CYRUS

She Is Coming (RCA Records)

Die bisherigen Imagewechsel von Miley Cyrus gleichen einer Achterbahnfahrt. Vom süsslichen Disney-Star zur Skandalnudel mit Abrissbirne und zurück zur Sauberfrau. Nun meldet sich Miley Cyrus überraschend mit dem ersten Teil einer EP-Trilogie zurück. Auf dem Coverbild trägt sie ein Top mit dem Sex-Pistols-Slogan «Never Mind The Bullocks» (zu Deutsch: «Vergesst die Wichser»), um unmissverständlich ihre Punk-Attitüde zu signalisieren. Konkret will sich die Amerikanerin in kein musikalisches Korsett zwängen lassen. Auf «She Is Coming» bietet Miley Cyrus einen kühnen Mix aus Trap, Rap, Dance und Country. Ihre Produzenten holt sie sich aus den Bereichen Alternative Rock (Andrew Wyatt), Dance Pop (Mark Ronson) und Hip-Hop (John Cunnigham, RZA e Mike WiLL Made-It). Sie selber diktiert die Regeln und lädt ihre Gäste ein, unter anderem Dragqueen-Star RuPaul.


CARLY RAE JEPSEN

Dedicated (Schoolboy / Interscope Records)

Die heute 33-jährige Sängerin mit der charmant süsslich-piepsender Stimme erreichte 2007 den dritten Platz bei «Canadian Idol» und landete fünf Jahre später mit «Call Me Maybe» einen Mega-Hit. Vier Jahre nach dem leider sträflich untergegangenen «E*MO*TION» erscheint nun das neue Album «Dedicated». Jepsen ist als selbstbewusste Singer-Songwriterin, die mittlerweile alle Titel selbst schreibt, eindeutig gereift. Sie ist nicht nur von den 80ern begeistert, sondern auch von der Disco-Ära der 70er und von 90er Pop. Bereits «Now That I Found You», die Titelmelodie zur dritten «Queer Eye»-Staffel auf Netflix, hat deutliche Ohrwurmqualitäten. Carly Rae Jepsen beherrscht den Mainstream-Dance-Pop und fügt ihm noch eine persönliche Note hinzu.


STEVE LACY

Apollo XXI (3QTR)

Zwei Jahre nach seinen beachteten Demos und einige Tage nach seinem 21. Geburtstag veröffentlicht der Sänger und Gitarrist des kalifornischen Soul- und R&B-Kollektivs «The Internet» sein erstes Solo-Album. Auf «Apollo XXI» vermählt Steve Lacy retrofuturistisch Funk, Soul und Indie-Rock. Das sehr persönliche Ergebnis erinnert an seine früheren Kollaborationen mit Tyler The Creator, Kendrick Lamar, Blood Orange, Vampire Weekend und Solange. In den Texten reflektiert Steve Lacy seine Zerrissenheit zwischen Hochmut und grosser Unsicherheit und macht keinen Hehl aus seiner Bisexualität. In «Playground» lässt er noch seine grosse Bewunderung für Prince erkennen.


SANTANA

Africa Speaks (Concord Records)

Produzenten-Guru Rick Rubin hat schon manchen Alt-Stars, die aus der Spur geraten waren, einen goldenen Karriere-Herbst verschafft und zu neuer Inspiration verholfen. Nach Johnny Cash, Bob Dylan und Neil Diamond ist diesmal der Erfinder des Latino-Rock an der Reihe: Carlos Santana. «African Speaks» fängt die Essenz der früheren Santana-Werke ein. In sämtlichen Tracks haben jedes Instrument und jede Stimme genug Raum zur Entfaltung und Improvisation. Ein besonderes Lob verdient die bisexuelle Sängerin Buika, die praktisch in jedem Song ihre westafrikanischen Wurzeln wunderbar einfliessen lässt. Ihre unverkennbare, rauchig-gefühlvolle Stimme und Santanas spirituelles Gitarrenspiel erschaffen eine spannende musikalische Dimension.


MORRISSEY

California Sun (BMG)

Der einstige Sänger der Smiths ist zurück mit einem Coveralbum. Es ist heute cool, Morrissey zu hassen. Sein notorisch launenhafter Charakter, sein radikaler Vegetarismus und seine oft reaktionären Stellungnahmen machen es einem effektiv nicht leicht, ihn lieb zu gewinnen. Doch aufgrund der exquisiten Auswahl der Stücke auf «California Son» und seines exzellenten Vortrags dürften sogar sämtliche enttäuschten Fans nun bereit sein, für Morrissey eine Lanze zu brechen. Moz lässt die einzigartige Schönheit seiner Stimme leuchten und die Stimmen vergessener engagierter Künstler/innen der 60er- und 70er-Jahre wie Melanie, Joni Mitchell, Laura Nyro, Carly Simon, Dionne Warwick und Jobriath wiederaufleben. Es sind Melodien, die einem sanft das Herz zerreissen und die Seele erreichen.


JOAN AS POLICEWOMAN

Joanthology (PIAS)

Mit ihrer ersten Retrospektive, die 31 Songs und 12 Live-Aufnahmen bei der BBC umfasst, blickt Joan Wasser auf ihre fünfzehnjährige Karriere zurück. Mit 48 bleibt die Amerikanerin eine der faszinierendsten Singersongwriterinnen dieser Dekade. Diesen Eindruck bestätigen auch ihre Kollaborationen mit Künstlern wie Lou Reed, Rufus Wainwright, David Sylvian oder auch Antony Hegarty (heute Anhohni). Joan Wasser, deren Pseudonym As Policewoman eine Anspielung auf eine amerikanische Fernsehserie mit Angie Dickinson ist, wechselt mit grösster Leichtigkeit die musikalischen Register. Es ist schwierig, Joan Wasser musikalisch einzuordnen. Dazu fliessen zu viele Einflüsse in ihre Songs ein (Soul, Blues, New Wave, Indie-Rock). Es gibt allerdings einen gemeinsamen Nenner: ihre Eleganz.


ROCKET MAN

Music from the motion picture (Universal)

Das Film-Biopic «Rocket Man» erklärt, warum Sir Elton John zu dem Menschen geworden ist, der er heute ist. Im Gegensatz zu «Bohemian Rhapsody» wird Elton Johns früher ausschweifender Lebensstil voller schwulen Sex, Drogen und Dekadenz nicht gewertet oder moralisiert. Es gibt aber auch andere Vorteile. Für den Soundtrack zum Film wurden etliche Klassiker des Pop-Stars neu aufgenommen und der Hauptdarsteller hat das Mikro übernommen. Taron Egerton kopiert Elton John nicht. Ganz gut gelingt ihm die Balance zwischen Verkörperung der Rolle und eigener Identität. Beim extra für den Film komponierten Song «(I’m Gonna) Love Me Again» liefert sich Egerton ein Vokal-Duell mit dem Meister höchstpersönlich. Zwar fällt die Nummer unter den vielen Elton Johns Klassikern deutlich ab. Sie hat allerdings einen hohen Spassfaktor.


SARAH CONNOR

Herz Kraft Werke (Polydor/Universal)

Vier Jahre nach «Muttersprache» bleibt Sarah Connor ihrem balladesken, vor Kitsch nicht zurückschreckenden und teilweise schlagerhaften Deutsch-Pop treu. Auf «Herz Kraft Werke» ist das Rosenstolz-Team um Peter Plate und Ulf Leo Sommer wieder mit von der Partie. Die zweite Albumhälfte geht hingegen auf das Konto von Konstantin Scherer und Wim Treuner. Im Gegensatz zu ihren Deutsch-Pop-Kollegen ist Sarah Connor hoch anzurechnen, dass sie in ihren Texten Stellung bezieht und Haltung beweist. In «Ruiniert» singt sie z.B.: «Alle Bomben, Panzer und Despoten / AfD-Idioten / Mein Herz kriegt ihr nicht». Besonders hörenswert sind der Coming-Out-Song «Vincent» und die sehr emotionale Ballade «Flugzeug aus Papier» über die Trauer von Eltern, die ihr Kind verloren haben. Trotz der Massentauglichkeit eines solchen Projekts bleibt die Seele aber nie auf der Strecke.


Sendung hören:

 

Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im GayRadio auf Radio RaBe
https://queerup.ch/gayradio

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