
DJ Coreys MusikTipps November 2025
Brandi Carlile, Florence + The Machine, The Last Dinner Party, Tiziano Ferro, Eli, Luca George, Sevdaliza, Rosalìa, Mon Laferte, Tristan Brusch
Zurück zu sich selbst: BRANDI CARLILE. Zurück aus der Hölle: FLORENCE + THE MACHINE. Aus dem Scheiterhaufen: THE LAST DINNER PARTY. Raus aus dem Sturm: TIZIANO FERRO. Kunterbunter Trans-Pop mit ELI. Queer-Pop aus Neuseeland: LUCA GEORGE. Die Neuerfindung von SEVDALIZA. Die unbefleckte Transgression von ROSALìA. Die verhängnisvolle Weiblichkeit von MON LAFERTE. Feinste Chansons aus Deutschland: TRISTAN BRUSCH.
BRANDI CARLILE
Returning To Myself (Lost Highway/Interscope/Universal)
Nach «Who Believes In Angels», dem grandiosen gemeinsamen Album mit ihrem Jugendidol Elton John im letzten Frühling, landet Brandi Carlile mit dem intimeren Werk «Returning To Myself» wieder einen Volltreffer. Die mehrfache Grammy-Gewinnerin besinnt sich auf ihre musikalischen und persönlichen Wurzeln zurück. Sie alterniert zwischen nachdenklichen Balladen (Returning To Myself, A Woman Oversees, A Long Goodbye) und radiotauglichen Rock-Nummern (Human, Church & State). Elton John und dessen treuer Texter Bernie Taupin haben für Brandi Carlile den Song «You Without Me» beigesteuert, dem sie ihre Tochter widmet. Eine sehr wichtige Rolle spielt Brandi Carliles Mentorin und Freundin Joni Mitchell. Der Songwriterinnen-Ikone richtet sie im Song «Joni» ihre grosse Zuneigung aus.
FLORENCE + THE MACHINE
Everybody Scream (Polydor/Republic Records)
2023, auf ihrer letzten Tour mit ihrer Band The Machine, hat die Britin Florence Welch eine Fehlgeburt erlitten und sie wäre bei der darauffolgenden Notoperation fast gestorben. Nach dieser Nahtoderfahrung hat die rothaarige Sängerin mit der Vorliebe für wallende Gucci-Kleider grosses Interesse für Hexengeschichten, Magie, Mystik und okkulten britischen Folk-Rock aus den 70er-Jahren entwickelt. Diese Aspekte und ihre Rolle als Frau in der Musikindustrie prägen das neue Werk «Everybody Scream», das gewaltiger, pompöser und intensiver als alle ihre bisherigen Alben zusammen daherkommt. «Everybody Scream» ist Florence Welchs persönlichster Kampf gegen den Tod und die männerdominierte Musikszene.
THE LAST DINNER PARTY
From The Pyre (Universal)
Mit dem Debüt «Prelude To Ecstasy» gelang dem britischen Frauenquartett The Last Dinner Party 2023 der internationale Durchbruch. Der grosse Hype um sie und das intensive Touren rund um die Welt forderten aber schon bald ihren Tribut. Wegen Burnout musste die Band pausieren. Auf «From The Pyre» kommen The Last Dinner Party wieder zu Kräften. Die magischen Flammen des Scheiterhaufens aus dem Albumtitel symbolisieren die Wut und Frust, die bei jedem neuen Song rausgelassen werden. The Last Dinner Party distanzieren sich diesmal von ABBA- und Queen-Zitaten und huldigen mit ihrem Barock-Pop eher den grossen Hexen der Pop-Musik, von Kate Bush über Stevie Nicks bis zu Florence Welch.
TIZIANO FERRO
Sono un grande (Sugar)
Nach der schmerzhaften Trennung vom Ehemann Viktor hat Italo-Popstar Tiziano Ferro über zwei stürmische Jahre gebraucht, um wieder zu sich selber und zur Musik zu finden. Das neue Album «Sono un grande» ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wahre Stärke nicht aus der Kraft, sondern aus der Verletzlichkeit kommt. Mit einem frischen Produktionsteam, einem neuen Label und einem neuen Management im Rücken geht Tiziano Ferro zuerst durch die Dunkelheit, um dann das Licht am Ende des Tunnels wiederzusehen. Auf intime Balladen wie «Ti sognai» oder «Quello che si voleva» folgen Momente der Unbeschwertheit, wo Tiziano Ferro seine Lust an einfache Pop-Songs und den R&B der Nullerjahre voll ausleben kann, mit dem er berühmt geworden ist. Z.B. in der aktuellen Single «Fingo&Spingo».
ELI
Stage Girl (Zelig Music & RCA Records)
Eli wuchs in der Kleinstadt Norfolk in Massachusetts auf. Als queeres und Trans-Kind/Jugendliche(r) traute sich Eli kaum aus ihrem Zimmer. Die MTV-Videos von Mariah Carey und Britney Spears sowie die Welt von Hannah Montana und die Heldinnen des 00er-Pop Katy Perry und Kesha boten ihr genügend Trost und Inspiration für ihre Karriere als Pop-Musikerin. Auf ihrem Debüt «Stage Girl» lässt Eli die goldene Ära der Musik-Casting-Shows wie American Idol wieder aufleben. Die 24-Jährige inszeniert ihre persönliche Audition in zehn kunterbunten Pop-Songs, die vom 90er-R&B bis zum Noughties-Girly-Pop variieren und ihre Queerness zelebrieren.
LUCA GEORGE
Say Hi To Paula (Universal Music Australia)
Der 22-jährige Luca George ist die neue Hoffnung des australischen Queer Pop. Er wurde schon zum Songwriting-Camp von Troye Sivan eingeladen, wo er seine Songwriter-Skills schärfen konnte. Seine neue EP «Say Hi To Paula» ist Georges bisher verletzlichstes und persönlichstes Werk. Die Paula im EP-Titel ist übrigens die Mutter seines Ex-Partners. Mit eindringlichen Melodien und ehrlichen Texten tauchen die fünf Songs auf der EP tief in das Chaos von Liebe, Verlust und Selbstfindung ein. Jeder Song greift eine verschiedene Seite des Herzschmerzes auf. „Son of an Angel“ thematisiert die Komplexität einer angespannten Vater-Sohn-Beziehung, während „Flowers For You“ mit der Hoffnung auf die Rückkehr vom Ex endet.
SEVDALIZA
HEROINA (Sevdaliza)
Die iranisch-holländische Künstlerin Sevdaliza hat auf ihren ersten Alben «The Calling» von 2018 und «Shabrang» von 2020 ziemlich düsteren, experimentellen und futuristischen Electro-R&B zwischen Björk, FKA twigs und Arca gemacht. In den letzten Jahren hat Sevdaliza Reggaeton und andere Latin-Elemente entdeckt und allmählich in ihren Sound einfliessen lassen. Dank Kollaborationen mit Karol G. und der brasilianischen Drag-Queen Pabllo Vittar wurde Sevdaliza in den USA und Lateinamerika bekannt. Das neue Album «HEROINA» ist zwar noch mit Sevdalizas früherer mystischer Aura umwoben, bedient aber eindeutig die Latin-Pop-Mainstream-Wünsche, was nicht abschätzig gemeint ist. Denn damit macht sich Sevdaliza als Botschafterin queerer Kultur natürlich um einiges sichtbarer.
ROSALÌA
LUX (Columbia Records)
Seit 2018 bricht Rosalìa sämtliche Genre- und Pop-Konventionen. Auf ihrem Album «El mal querer» (2018) paarte die spanische Musikerin R&B und Pop mit traditionellen Flamenco-Rhythmen. Das Nachfolgeopus «Motomami» (2022) war indes von futuristischem Latin- und Art-Pop dominiert. Auf dem Artwork des neuen Albums «LUX» zeigt sich Rosalìa als Nonne. Statt einer Kutte trägt sie aber eine Zwangsjacke. Ein deutlicher Hinweis, dass Rosalìa nach wie vor Grenzen sprengen will. In «LUX» geht Rosalìas Avantgard-Pop eine Symbiose mit orchestralen und opernhaften Klangwelten. Allein schon die dramatische Vorab-Single «Berghain», offenbar eine Metapher für den Himmel, geht buchstäblich unter die Haut. In der Kollaboration mit Björk und Yves Tumor verwebt Rosalìa nicht nur elektronische Beats mit bedrohlichen Orchester-Klängen und einem Chor, sondern sie spielt auch mit den verschiedenen Sprachen und singt zum ersten Mal auf Deutsch.
MON LAFERTE
Femme Fatale (Sony Music US Latin LLC)
Mon Laferte ist eine talentierte chilenisch-mexikanische Sängerin, Songwriterin und LGBTQ-Aktivistin, die seit vielen Jahren eine feste Grösse in der eher alternativen Latin-Szene ist. Ihr Album „Autopoiética” (2023), einen spannenden Mix aus Art Pop, Trip Hop und Indie-Pop mit einem lateinamerikanischen Touch, ist 2025 zurecht für einen Grammy als bestes Latin Rock oder Alternative Album nominiert worden. Auf ihrem neunten Album «Femme Fatale» überrascht Mon Laferte von neuem, indem sie einen vergleichsweisen traditionellen Stil pflegt. Ihre Beteiligung an der mexikanischen Adaptation des Musicals «Cabaret» war bestimmt ausschlaggebend für die neue musikalische Ausrichtung. Auf «Femme Fatale» kleidet Mon Laferte den Mythos der verhängnisvollen Frau in einen rauchigen, nächtlichen Lounge-Sound mit Live-Musiker/innen, wobei sie Jazz, Bolero und Chansons umarmt. Fazit: Mon Laferte kann auch konventionell schöne Klänge und bleibt trotzdem musikalisch attraktiv.
TRISTAN BRUSCH
Am Anfang (Wasser & Licht / Sony)
Der 37-jährige Indie-Chansonnier Tristan Brusch stammt aus Gelsenkirchen, ist in Tübingen aufgewachsen und lebt seit langem in Berlin. Nach «Am Rest» und «Am Wahn» schliesst der Tom-Waits-Fan mit «Am Anfang» eine wunderbare Albumtrilogie, eine Melange aus dunklem Pop und Chanson. Auf «Am Anfang» geht es um viele Enden, um den Verlust der Jugend, der Liebe und der Unschuld und insbesondere auch um verletzliche Männlichkeit und die Bitte um Vergebung. Tristan Brusch singt schonungslos ehrlich über das Leben und dessen Abgründe, oft aus der Perspektiven eines anderen Menschen, z.B. eines Süchtigen im Lied «Grundsolider Schläger». Hier und da schimmern Erinnerungen an französische und deutsche Chansons durch, an Knef, Weil, Brel und Aznavour, aber auch an die Welt von Angelo Badalamenti und Twin Peaks. «Am Anfang» ist ein grandioses Werk und es wäre sehr schon, wenn Tristan Brusch damit der kommerzielle Durchbruch gelingen könnte.
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Playlist

Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
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FLORENCE + THE MACHINE
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