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Dienstag, 14. März, 20:30 Uhr
Mittwoch, 15. März, 18:30 Uhr

TAEKWONDO

Argentinien 2016, 105 Minuten, digital HD, spanische OF mit deutschen UT;
Regie: Marco Berger & Martín Farina; mit: Lucas Papa, Gabriel Epstein, Juan Manuel Martino, Nicolás Barsoff, Gaston Re, Arturo Fruta

Trailer
 
Seit seinem zweiten Film «Ausente», der 2011 den Teddy-Award der Berlinale gewann, gilt der Argentinier Marco Berger als einer der wichtigsten queeren Regisseure Südamerikas. Sein neuer Film «Taekwondo» (Co-Regie: Martín Farina) ist eine hyper-maskuline Beobachtungsstudie eines vermeintlich rein heterosexuellen Kumpelurlaubs. Ein Wechselspiel aus Anspielungen und Auslassungen, homoerotischer Zeigefreude und zurückgenommener Narration, derben Macho-Sprüchen und heimlichen Blicken.

Ein Ferienhaus voller Männer, die selten mehr als Bart und Badehose tragen, klingt auch für Germán nach einer verlockenden Idee. Auf Einladung seines Taekwondo-Trainingspartners Fernando reist der Mittzwanziger daher aufs Land, irgendwo bei Buenos Aires, um hier den Sommer zu verbringen. In der elterlichen Villa, die einmal als Rehabilitierungszentrum für Raucher gedient hat, tummeln sich bereits Fernandos Freunde aus Kindheitstagen, für Germán allesamt Unbekannte. Für falsche Scheu bleibt dennoch kein Raum: Der Erste, der den Neuankömmling in der Küche begrüsst, ist ein stämmiger Kerl, der nichts anhat ausser einem T-Shirt und Germán gleich mit nackten Tatsachen konfrontiert.

Eine grosse Sache will allerdings niemand aus dem frei baumelnden Penis machen: Fernando und sein langjähriger Kumpel sind längst vertraut miteinander, während Germán erfolgreich die Fassung bewahrt und so vor den anderen vorläufig weiterhin als straight gelten kann. Und selbst die Kamera blickt mit distanziertem Gleichmut auf das Genital.
«Taekwondo», die erste Zusammenarbeit der Regisseure Marco Berger und Martín Farina, irritiert  mit einem Wechselspiel aus Anspielungen und Auslassungen, Zeigefreude und zurückgenommener Narration, Homoerotik und Macho-Sprüchen. Was die Clique um Fernando auf dem grosszügigen Anwesen treibt oder wie viele Männer überhaupt Teil des Freundeskreises sind, bleibt erst einmal schwer zu erfassen. Die Figuren, die vor allem über ihre Körper definiert werden, muten bisweilen abstrakt an, so spärlich werden sie gezeichnet. Taekwondo mache er nur, weil er irgendeinen Sport ausüben wolle, erzählt Germán einmal am Pool. Ähnlich austauschbar bleiben die Hintergrundgeschichten aller Protagonisten sowie das argentinische Setting, das – bis auf den Mate-Tee aus Kalebassen und eine Cortázar-Referenz – an vielen Orten denkbar wäre.

Berger und Farina inszenieren eine Ode an das Abhängen, oftmals passiert im Film nicht viel. Die Freunde schlafen, spielen Videospiele, gucken Fussball, lesen Salingers «Der Fänger im Roggen» oder Hamsuns «Hunger» – und gleich mehrmals wird Germán gezeigt, wie er gedankenverloren das Bauchhaar zwischen den Fingern zwirbelt. Der auffällige Sexappeal mag «Taekwondo» anziehend machen, doch es sind solche feinen Beobachtungen, die den Blick schliesslich halten. Anhand dieser Details entwerfen die Filmemacher ein glaubhaftes Hier und Jetzt, das frei vom Ballast der Vergangenheit zögerlich der Zukunft entgegen schwebt. Was Germán genau erwartet, bleibt bis zum Schluss schemenhaft. Da ist es nur stimmig, dass «Taekwondo» seine aufregendsten und prägendsten Momente gar nicht beim Anblick nackter Haut erlebt, sondern wenn sich zwei Silhouetten im Dunkeln langsam näher kommen. (Carsten Moll, sissymag.de)

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