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Dienstag, 23. Januar, 20:30 Uhr
Mittwoch, 24. Januar, 18:00 Uhr

AS BOAS MANEIRAS – Good Manners

Brasilien/Frankreich 2017, 135 Min., digital HD, OV Portugiesisch/ UT Englisch; Regie, Drehbuch: Juliana Rojas, Marco Dutra; Mit: Isabél Zuaa (Clara), Marjorie Estiano (Ana), Miguel Lobo (Joel), Cida Moreira (Amélia), Andrea Marquee (Ángela), Felipe Kenji (Maurício), Nina Medeiros (Amanda), Neusa Velasco (Norma), Gilda Nomacce (Gilda), Eduardo Gomes (Professor Edu)

Trailer

Spezialpreis der Jury am Filmfestival von Locarno 2017 (Concorso)

Die guten Manieren, die der Titel verspricht, braucht die Hauptfigur Clara, eine unabhängig gesinnte, alleinstehende Krankenschwester aus einer Favela von Sao Paulo. Sie bewirbt sich als Nanny für das ungeborene Kind der gut situierten und geheimnisvollen Ana. Während den Vorbereitungen bis zur Geburt entwickelt sich Clara von der Bediensteten zur Vertrauten, zur Freundin und Geliebten von Ana. Ana entwickelt in dieser Zeit ein extrem ungewohntes Verhalten. Sie beginnt in Vollmondnächten zu schlafwandeln und entwickelt einen Heisshunger auf Fleischspeisen. Gute Manieren braucht sie auch nach der Geburt, weil sie den Jungen anstelle der Mutter in ihrer eigenen, eher schäbigen Behausung aufziehen muss, ohne der Nachbarschaft sein Geheimnis preiszugeben. Der kleine Joel verwandelt sich in Vollmondnächten, ohne sich danach daran zu erinnern, wie schon seine leibliche Mutter, die seine Geburt nicht überlebte.

«As boas maneiras» ist, wie jeder gute Genrefilm, eine fast dokumentarisch präzise Schilderung von Lebens- und Gesellschaftsumständen. Die arme schwarze Pflegerin, die sich bei der reichen weissen Frau im Hochhaus der Gutsituierten bewirbt, wird ihr zur Freundin und schliesslich zur Pflegemutter ihres Kinder, weil die beiden Frauen sich finden, über alle Grenzen hinweg. In einer leidenschaftlichen Sexualität, aber auch im gegenseitigen Verständnis gesellschaftlicher Abhängigkeiten, Manieren und Gepflogenheiten.

Zugleich liefert die erste Stunde die Stereotype, welche ebenfalls zum Genre gehören. Die weisse Frau entpuppt sich als eine Ausgestossene, eine von Vater und Brüdern fallen gelassene Familienschande, da sie kurz vor ihrer Verlobung in einem One-Night-Stand schwanger wurde und sich danach weigerte, das Kind abzutreiben. Die schwarze Frau dagegen ist nicht nur die lebenserprobte Praktikerin, sondern auch diejenige, die als erste ahnt, dass nicht alles so ist, wie es sich die Freundin wünschen würde. Und anfängt, ihre Schlafwandelepisoden mit den Mondphasen abzugleichen.

Das ist die Konstellation, die das amerikanische Genrekino schon früh geprägt hat: Die Weissen tappen ahnungslos in die Fallen alter Flüche, die Nicht-Weissen dagegen sind vertraut mit diesen Zwischen- und Anderswelten. Das Schöne an «As boas maneiras» ist die Selbstverständlichkeit dieses stereotypen Set-Ups und dann die komplette und ebenso selbstverständliche Übernahme in eine weitgehend integrierte Gesellschaft.

In der ist dann nicht mehr der weisse Junge ein Fremdkörper, sondern das, was in den Vollmondnächten aus ihm wird. Und das wird von seiner Pflegemutter sorgfältig unter Verschluss gehalten, im sogenannten «kleinen Schlafzimmer», das auf vertraut schauerliche Weise wieder an einen ganz anderen, zeitgenössischen Horror erinnert. (sennhausersfilmblog.ch

 

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