«Sous la peau» – ein Film von Robin Harsch

Ab 9. Juli im Kino REX.

Zwei Jahre hat der Genfer Regisseur Robin Harsch drei Trans-Teenager und ihre Eltern auf ihrem Weg der Transition begleitet. Ein Film über die Geschlechterfragen von Jugendlichen, die Herausforderungen für sie und ihre Nächsten, sowie über die Suche nach der eigenen Identität.

 

Robin Harsch

«Wenn mir mein Kind, von dem ich gedacht habe, es sei ein Junge, eines Tages anvertrauen würde, dass es ein Mädchen ist und sein Geschlecht anpassen möchte, dann würde ich wohl den Boden unter den Füssen verlieren» erzählt der Genfer Regisseur Robin Harsch. «Was mich vielleicht retten könnte, wäre, sie ein wenig zu verstehen. Aber wie?» Nun, das Handwerk von Robin Harsch ist das Filmemachen, also entschloss er sich, einen Dokumentarfilm zu diesem Thema zu machen. Der Film sollte in erster Linie eine Begegnung werden und auf eine Weise konzipiert sein, dass sich jedeR mit den drei Protagonisten Logan, Söan und Mixair identifizieren kann. «Während zwei Jahren bin ich drei jungen Trans-Menschen durch das Schlachtfeld der Geschlechter- und Identitätsfragen gefolgt. Vor einem so tiefgründigen und destabilisierenden Thema wie dem des Identitätswechsels, war meine einzig mögliche Strategie, meine bisherige Erziehung und binäre Kultur beiseite zu legen. Dadurch konnte ich einen Bruchteil dieser Transitionen erfassen und teilen, auch dank der Unverfälschtheit dieser jungen Erwachsenen und ihren Eltern».

Eine gute Freundin von Robin Harsch hat ihm vom «Le Refuge» erzählt. Das ist ein Zentrum für junge LGBTIQ+-Personen und wird vom Westschweizer Verein Dialogai organisiert. Dort können Kinder und Jugendlichen frei über ihre Probleme im Zusammenhang mit ihren sexuellen Vorlieben oder ihrer Geschlechtsidentität zu sprechen. Die drei Protagonisten des Films «Sous la peau» hat Robin Harsch in einer Gruppe gefunden, in der junge Trans-Personen miteinander diskutieren und ihre Erfahrungen austauschen. Er besucht sie nicht nur in der Gesprächsgruppe, sondern auch in ihrem privaten Umfeld und sprach ebenso mit ihren Eltern und Lehrer*innen. «Tatsächlich sprach ich auch viel über mich selbst und mein Leben, meine Möglichkeit, um ihr Vertrauen zu mir und einen echten Austausch aufzubauen» erzählte der Vater von zwei Cis-Buben. Geplant war, dass er die drei Personen sechs Monate begleiten würde. «Doch nach sechs Monaten erkannte ich, dass es zu früh war, um aufzuhören, weil jeder der Drei an einer anderen Stelle seiner Transition war und sie noch einige Dinge vor sich hatten. Ich entschied mich, erst dann aufzuhören, als alle nach anderthalb Jahren Dreharbeiten einen wichtigen Schritt in ihrer Transition vollzogen hatten.»

«Heute spricht man von LGBTI, aber es gibt noch mehr Buchstaben! Unser Alphabet reicht nicht aus, um die Vielfalt der Menschheit zu beschreiben.» 
Effie Alexandra, Protagonistin

Im Film wird die Ablehnung, Hänselei und Gewalt, der Trans-Menschen oft ausgeliefert sind, nur kurz angedeutet, ob wohl das eine Aspekt ist, der im Leben junger Trans-Leute sehr präsent ist. «Die Jugendlichen selber reden wenig darüber», erklärt Robin Harsch. «Sie möchten nicht, dass diese Gewalt stets an ihnen haftet. Sie möchten zuerst etwas Anderes übermitteln. Für mich gehört das zu den intimen Dingen, die man im Film nicht in den Vordergrund stellen soll, sicher nicht im Detail. Wie auch ihre Sexualität. Die Trans-Menschen, denen ich begegnet bin, staunen immer über die Leute, die sofort von Sex oder sexuellen Vorlieben mit ihnen reden, nur weil sie trans sind. Sie haben mich oft gefragt, ob, wenn ich jemanden Neues kennenlernte, diese Person auch nach zwei, drei Fragen von mir wissen wollte, mit wem ich ins Bett ginge.»

«Ich litt sehr stark darunter; es war, als ob ich um sie trauerte. Als ob dieser Junge die Tochter töten würde, die ich seit 18 Jahren kenne. Und dass ich sie nie mehr sehen würde. Aber es ist umgekehrt. Wir begleiten sie. Wir haben dabei einen glücklichen jungen Mann gewonnen. Ich würde um nichts in der Welt zurückgehen.»
Logans Mutter

Wie haben die Teenager auf den Film reagiert, als sie ihn gesehen haben, und wie die Eltern? «Logan und vor allem Söan haben sich zuerst überhaupt nicht gern gesehen. Sie fragten mich, wann man sie endlich so sähe wie sie heute sind, als junge Männer und nicht als Mädchen. Sie hassten es, ihre noch weibliche Stimme zu hören und ihre weiblichen Gesichtszüge zu sehen. Für Söan war es an der Grenze des Ertragbaren. Aber je länger der Film lief, desto mehr hat er sich verändert und Söan entspannte sich und begann das, was er sah, zu schätzen. Ich glaube Effie Alexandra war von Anfang an zufrieden. Für sie zählt, dass eine Botschaft durchkommt, dass der Film Leuten helfen und das breite Publikum erreichen kann. Mit breitem Publikum meine ich Zuschauer*, die nichts über Transidentität wissen. Was die Eltern empfanden, ist schwieriger einzuschätzen. Die beiden Mütter sind ambivalenter, zwischen der Melancholie der Vergangenheit und dem Wissen, wie wichtig es ist, über das Thema zu reden. Sie hoffen, dass der Film anderen Eltern helfen wird. Ich glaube, dass es sie sehr berührte, die Bilder ihrer Kinder von vor drei Jahren wieder zu sehen».

Und wie ist es Robin Harsch selber ergangen während der Dreharbeiten? «Ich war hin- und hergerissen zwischen meinem Versuch, die einen zu verstehen, und nachzufühlen, wie es die anderen erleben. Stets wurde ich auf meinen Platz verwiesen, den eines jungen Vaters von zwei Cis-Kindern, der sich dem Thema Transgender öffnet. Die Protagonisten haben mich gelehrt, dass man Transidentität nicht verstehen, ihr aber begegnen muss. Meine Kamera hat mir dies ermöglicht und die Arbeit am Schnittplatz dabei unterstützt». Natürlich setzt der Regisseur auch Hoffnungen in den Film. «Ich hoffe, dass der Film einer von vielen Bausteinen ist, der das Fundament eines Palasts der LGBT-Toleranz stützen wird. Bis dieser Palast gebaut ist, werde ich meinen Kindern hoffentlich beigebracht haben, dass all dies «unter der Haut (sous la peau)» geschieht und unanfechtbar ist, denn Transidentiät ist keine Entscheidung sondern etwas zutiefst Menschliches.»


SOUS LA PEAU / UNDER THE SKIN 

ein Film von Robin Harsch
Schweiz 2019, Dokumentarfilm
O.V. französisch, mit U.T.
Ab 10 Jahren

 


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