QueerPop 2024

Der Jahresrückblick von DJ Corey und DJ Ludwig

Die Tolerdance-DJs Corey und Ludwig lieben Pop und beobachten insbesondere das queere Popgeschehen sehr genau. Corey präsentiert monatlich seine Musik-Tipps auf QueerUp Radio und bern*lgbt. Ludwig taucht jeweils tief in seine Plattenkiste, auf der Suche nach musikalischen Perlen, die er zu einem bestimmten Thema aussucht. Ihre Sendung GayPop kannst du jeden 1. Sonntag im Monat live auf RaBe hören und jederzeit auf queerupradio.ch.

Was hat den beiden vom Pop besessenen Musik-Nerds im letzten Jahr besonders gefallen? Welche Songs und Acts stufen sie als erinnerungswürdig ein und gehören deshalb auf die Liste «Best of QueerPop 2024»? Lese hier ihren queeren Jahresrückblick.


Index


Person des Jahres: Nemo

Dass Nemo, unser queeres Talent aus Biel-Bienne, den ESC für die Schweiz nach 36 Jahren wieder gewonnen hat, ist allein schon eine Sensation. Dass Nemo dies auch noch mit einem für Eurovisions-Verhältnisse aussergewöhnlich komplexen Song («The Code») und einem spektakulären Auftritt auf einem Kreisel gelungen ist, bedeutet eine weitere Genugtuung, zumal viele Menschen den ESC doch bloss für Pop-Trash halten. Jedoch aus queerer Sicht bemerkenswert ist, dass Nemo es schaffte, das Thema Non-Binärität bekannt zu machen. Vor ihm hat es schon eine weiteres Kind Helvetias, Kim de l’Horizon, geschafft, nichtbinäre Geschlechtsidentität aufs Blatt zu bringen, wenn auch nur innerhalb der deutschsprachigen Literatur- und Theaterszene und dem Feuilleton. Mit einem Auftritt am Eurovision Song Contest hingegen erreicht mensch 180 Millionen Zuschauende – mehr geht nicht! Der ESC ist nach wie vor die meistgeschaute Live-Show der Welt. Nemo sei Dank, weiss die Welt jetzt, was non-binär bedeutet. Dei Bieler hat das Tor weit aufgestossen und den Menschen die bis anhin für die meisten verborgene Welte der non-binären Bürger*innen gezeigt. An der Pressekonferenz nach dem ESC-Sieg hat Nemo geschickt das Thema an die nationale Politik weitergeleitet. Wo sie auch angekommen ist – wenn auch bei der (bürgerlichen) Mehrheit nicht unbedingt gut. Was Nemo auch sagte, war: ich mache Musik, nicht Politik. Nemo konzentrierte sich nach dem Sieg auf die Musik. Festival-Auftritte und Konzerte in ganz Europa folgten, eine weitere Single («Eurostar»), die zeigte, dass Nemo nicht auf Nummer sicher geht; und auch einige Auszeichnungen durfte Nemo entgegennehmen. Den MTV-Award für den besten Swiss-Act, den Kulturpreis von Biel-Bienne und den OUTmusic-Award für den besten ESC-Song 2024. Zu Guter Letzt wählte das renommierten britischen LGBTI+ Magazin Attitude Nemo zur Person des Jahres, und das, nachdem dei einen Monat zuvor nach London umgezogen ist, um von dort aus die Welt musikalisch zu erobern. Wir glauben, dass der ESC-Sieg nur ein weiterer Höhepunkt in Nemos Karriere war und noch viele weiter folgen werden. Wir freuen uns darauf!

 


Die besten queeren Alben

In unserer schnelllebigen Zeit sind Alben etwas rar geworden. Heute setzen die meisten auf die Single und den schnellen Erfolg auf TikTok. Doch es gibt sie noch, die Künster*innen, die ein ganzes Album aufnehmen, es als künstlerisches Werk versteht, auf dem nicht nur die Hits mit etwas Füllmaterial zu finden sind. Eine Auswahl guter Alben aus dem Jahr 2024:

 

Oscar and The Wolf «TASTE»

Schluss mit den ganzen Geheimnissen und weg mit den Masken. Auf seinem vierten Album «Taste» braucht sich Max Colombie alias Oscar & The Wolf nicht mehr hinter fiktiven Charakteren oder Alter-Egos zu verstecken und öffnet die Tür zu seinem wahren Ich. Der belgische Künstler hat den Kampf gegen das exzessive Partyleben, Drogen und Alkohol gewonnen und gewährt einen intimen Einblick in die eigene Verwundbarkeit und Sehnsüchte. Seine atmosphärischen Dream-Electro-Pop-Perlen und sein schwebender Gesang strahlen emotionale Tiefe aus. Oscar lässt zwar auch Raum für mitreissende Beats in den energiegeladenen EDM-Nummern «Spill My Liquor» und «Obsessed». Aber die Single «Angel Face» bleibt der Höhepunkt in dieser neuen musikalischen und persönlichen Entwicklung.

 

Omar Apollo «God Said No»

Der schwule Alternative-R&B-Künstler taucht auf «God Said No» in die emotionalen Komplexitäten einer dramatischen Trennung ein und legt das irrationale Verhalten von Liebeskranken offen. Omar Apollo giesst seinen Herzschmerz in sehr abwechslungsreiche R&B-Songs, die sämtliche Register ziehen, von smooth, Classic Soul, LoFi- bis zu Synthie-Pop und Cyber-Disco. «God Said No» ist wie ein Tagebuch der Gefühle konzipiert. Trotz existenzieller Themenschwere verfällt Omar Apollo aber nicht ständig in Selbstmitleid, sondern bewahrt sich eine gewisse Leichtigkeit, die ihm bestimmt helfen wird, den Weg aus dem emotionalen Chaos zu finden. Das beste Heartbreak-Album des Jahres.

 

Beabadoobee «This Is How Tomorrow Moves»

Auf das Album der Britin mit philippinischen Wurzen konnten sich viele einigen, «This Is How Tomorrow Moves» von Beabadoobee ist ein angenehmer Hörgenuss, Indi-Pop vom Feinsten. Für ihr erstes «Erwachsenen-Album», wie es die 24-Jährigre selbst nennt, hat sie das graue Klima in London verlassen und ist nach Malibu in das berühmte Shangri-La Studio, wo sie vom Kultproduzent Rick Rubin unterstützt wurde. Die entspannte Atmosphäre am Meer zieht sich durch das ganze Album. Führt man sich ihre Songs zu Gemüte, fühlt man Sand zwischen den Zehen, hört das Rauschen der Wellen und ein leichter Cannabisgeruch macht sich breit. Mit berauschender Leichtigkeit erreichte Beabadoobee in England zum ersten Mal die Nr. 1 in den Album Charts.

 

Bright Light Bright Light «Enjoy Youth»

Der walisische Singer/Songwriter Rod Thomas alias Bright Light Bright Light hat seine Karriere von Beginn an nach seinen Spielregeln gestalten können und kompromisslos mit schwulen Inhalten gefüllt. Dass sein fünftes Album «Enjoy Youth» im Frühsommer 2024 auf Platz 23 der britischen Albumcharts einsteigen konnte, hat auch Corey und Ludwig, die seine Karriere seit 2012 beobachten, mit einem gewissen Stolz erfüllt. Das ist ein grosser Erfolg für einen unabhängigen Künstler ohne Platten-Major im Rücken. Auf dem unheimlich campy «Enjoy Youth» besinnt sich BLBL auf seine Teenagerjahre in den Gay Dance-Clubs, wo Disco, Synth-Pop und House die Tanzfläche zum schwulen Himmel machten. BLBL hat den pulsierenden Disco- und House-Sound seiner Jugend verinnerlicht und ähnlich wie Purple Disco Machine einem konsequenten Update unterzogen. Wie der deutsche DJ- und Produzent trägt BLBL stolz einen dicken Porno-Balken, aber im Unterschied zum Hetero-Kollegen legt BLBL verständlicherweise ein deutliches schwules Selbstbewusstsein an den Tag. Es ist also kein Wunder, dass «Enjoy Youth» auf der diesjährigen Bestenliste von Corey und Ludwig gelandet ist.


Die besten queeren Debüt-Alben

Ein Debütalbum ist für jeden Musiker und jede Musikerin ein wichtiger Schritt. Wird es sich verkaufen? Wird das meine Karriere weiterbringen? Werden die Leute es mögen? Diese Erstlingswerke aus dem 2024 mögen wird sehr!

 

Loren Kramar «Glovemaker»

Nach ein paar Singles hat Loren Kramar aus L.A. sein erstes Album veröffentlicht. Mit «Glovemaker» ist ihm ein äusserst bemerkenswertes Werk gelungen, opulent und intim gleichzeitig. Musikalisch geht der Piano-Men seinen eigenen Weg, ohne sich trendigen Sound anzubiedern und auf TikTok-Tauglichkeit zu schielen. Mal ist er Crooner, mal eher Folksänger und singt dabei immer aus queerer Sicht. Ein Vergleich mit Rufus Wainwright drängt sich auf, ist Kramar wie dieser doch eine Klasse für sich. «Who Wants To Live Forever?» singt er in dem Song «Hollywood Blvd» und beatwortet das mit einem selbstsicheren «I do!». Auch wir hoffen, dass Loren Kramar noch ewig so weiter macht und uns an seiner musikalischen Welt teilhaben lässt.

 

Finn Ronsdorf «From Mind We Arise»

Ist das Pop oder Kunst? Finn Ronsdorf hat einen starken Gestaltungswillen, der die Musik, die Lyrik und das Visuelle miteinschliesst. Ja, es ist Kunst! Auf seinem Debütalbum sind Lieder drauf, die es bestimmt nicht auf eine Wohlfühl-Playlist schaffen – viel zu sperrig und eigen, expressionistisch gar. Auch verfolgt der junge Mann aus dem Schwarzwald einen philosophischen Ansatz, der Intellekt und Emotion verbindet, was in der oberflächlichen Pop-Branche eher selten ist. Wenn man Finn Ronsdorf fragt, was sein Schaffen und er selbst bedeuten, antwortet er: «Ich habe keine andere Bedeutung als die, die Sie mir geben». Mich hat das Album berührt, weil ich ihm die Bedeutung gab, in der ich mich selbst als junger Mann widergespiegelt sah, einer der anders ist und es auf seine Art machen will. Finn ist mal Kabarett-Sänger, mal Singer-Songwriter und auch mal Popper. Das Album «From Mind We Arise» ist nichts für Menschen, die nur Charts-Musik hören, aber ein Ereignis für welche, die neue Welten entdecken wollen.

 

Lucky Love «I Don’t Care If It Burns»

Nach der bombastischen – und auch ziemlich queeren – Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris, war mensch gespannt, ob die Show für die anschliessenden Paralympics genau so grossartig wird. Wurde sie, dank dem Auftritt von Lucky Love mit einer inklusiven Tanzgruppe. Die Show pushte Lucky Love, der eigentlich Luc Bruyère heisst, in neue Sphären. Der Sänger, der nur einen Arm hat, dafür einen dicken Schnauz wie Freddie Mercury, ist besonders angesagt bei allen, die sich für Diversität engagieren oder sich nur damit schmücken wollen. Nach der EP «Tendresse» (2023) und seinem Signature-Song «Masculinity» ist im November endlich sein erstes reguläres Album «I Don’t Care If It Burns» veröffentlich worden. Damit hat er bewiesen, dass sein Erfolg nicht darauf beruht, die Diversitätsansprüche des Marktes zu hofieren, sondern dass er ein spannender Musiker ist, der die grosse Geste nicht scheut, eine Hand für eingängige Melodien hat, ein Gespür für poppige Produktionen und somit den internationalen Markt zurecht anpeilen kann.

 

The Last Dinner Party «Prelude To Ecstasy»

Believe the Hype! Die fünf Britinnen von The Last Dinner Party waren die wahre Indie-Pop-Sensation des Jahres. Mit spektakulären Klamotten zwischen Jane Austen, Rondò Veneziano und Vivienne Westwood und dank ihrem Baroque-Pop über lesbische Liebe, Katholizismus, Shakespeares Drama und Mary Shelley haben sie alle Blicke und Ohren auf sich gezogen. Ihr fulminantes Debüt «Prelude To Ecstasy» vereint ein feines Gespür für grosse theatralische Gesten, Melodien und schwesterliche Verbundenheit. Musikalisch ist das Quintett aus Frauen und nicht-binären Personen irgendwo zwischen ABBA, Queen, Siouxsie & the Banshees und Florence + the Mashine anzusiedeln. Unser Lieblingssong ist «Beautiful Boy», der die Vorteile von Schönheit am Beispiel eines hübschen Knaben thematisiert.

 

Gia Ford «Transparent Things»

Auch die Britin Gia Ford zählt zu dem interessantesten queeren Newcomer/-innen des Jahres. Auf ihrem Debüt «Transparent Things» befasst sich Gia Ford mit der gesellschaftlichen Entfremdung und gibt allen Ausgestossenen, Randständigen und Unsichtbaren eine Stimme. Trotz der eher traurig-melancholischen Grundstimmung blitzt Hoffnung immer wieder auf. Gia Ford lässt sich auf einen subtilen Wandel durch die Genres ein. So changieren ihre Songs zwischen Folk, Bossa Nova, Indie-Pop und Blues. «Buzzing On You» mit seinem unwiderstehlichen Orgelsound ist unser Favorit.


Queer altern

Wer Musik im Blut hat, wird das Musizieren auch im Alter nicht aufgeben. Weil ältere Menschen auf viel Erfahrung zurückgreifen können, werden sie zudem (meistens) besser. Wenn der Mensch liebt, was er macht, soll er es tun, bis der Sargdeckel zuklappt.

Kate Pierson war noch Studentin, als sie 1976 mit Kolleg*innen die Band The B-52’s gründete. Seither hat sie nicht mehr aufgehört Musik zu machen. Zwar führte sie mit ihrer Partnerin nebenbei ein schrill dekoriertes Motel, doch das Musizieren ist geblieben. Kate Pierson ist inzwischen 76-jährig und hat 2024 ihr zweites Solo-Album «Radios & Rainbows» veröffentlicht – und es ist verdammt gut geworden. Ihre Stimme hat noch immer die ungestüme Frische wie zu Beginn ihrer Karriere und den Humor hat sie auch behalten. Besonders gefallen hat uns die Singe «Evil Love».

Marc Almond ist letzten Sommer 67 Jahre alt geworden. Seit dem Beginn seiner Sängerkarriere anfangs der 80er-Jahre hat er unermüdlich gearbeitet, und das musikalisch sehr divers: Orchestraler Pop, Chansons, Songs über Matrosen, Huren und Menschen in der Gosse, russische Volkslieder, Elektro-Pop und viele spezielle Coverversionen. Zudem ist Marc Almond auch oft auf Tournee! Nicht mal ein schwerer Motorradunfall im Jahr 2004, der ihn für einen Monat ins Koma schleuderte, hielt ihn auf. Er macht einfach immer weiter. Im Jahr 2024 hat er sein 27. (!) Album veröffentlicht. «I’m Not Anyone» wurde eins seiner besten. Wiederum zeigt sich Marc Almond als Meister der Coverversionen, wie beim Titeltrack, einer Komposition von Paul Anka und Johnny Harris. Marc Almond ist nicht irgendjemand, er singt zurecht: I’m not one of those; I’m full of pride I suppose; I’ll say it loud; I am proud (Ich bin nicht einer von denen; ich bin wohl voller Stolz; ich werde es laut sagen; ich bin stolz).

Neil Tennant (70) und Chris Lowe (65) machen seit 43 Jahren zusammen Musik als Pet Shop Boys. Im Gegensatz zu Marc Almond, der musikalisch ein sehr breites Spektrum in seiner Karriere ausprobierte, erfanden Tennant und Lowe in den 80er-Jahren ihren Sound und blieben ihm treu. Das erstaunliche ist, dass er nie verstaubt wirkt, und sogar gerne kopiert wird, zum Beispiel von Olly Alexander, der mit seinem ESC-Song «Dizzy» die Pet Shop Boys ziemlich offensichtlich imitierte. So klingt auch das neue Pet Shop Boys-Album «Nonetheless» so, als wäre es schon immer da gewesen. Besonders gefallen hat uns der Song «Dancing Star» über den legendären schwulen Balletttänzer Rudolf Nurejew (*1938), der 1961 einen Auftritt in Paris dafür nutzte, um aus der Sowjetunion in den Westen zu flüchten und fortan die Freiheit in vollen Zügen genossen hat, bis zu seinem Tod durch Aids im Jahr 1993.

Gianna Nannini ist eine italienische Ikone und feierte am 14. Juni 2024 ihren 70. Geburtstag. Vermutlich zusammen mit ihrer Tochter und ihrer Partnerin in London, wo sie heute lebt.
Mit ihrem neuen Album «Sei nell’anima» hat sie sich selbst einen Wunsch erfüllt, ein Soul-Album aufzunehmen. Allzu soulig ist es allerdings nicht geworden. Giannis Stimme ist eben Rock, nicht Soul. Doch es ist ihr gelungen, ihr Seelenleben in den Liedern wiederzugeben, und das scheint verdammt verwirrend zu sein, wie sie in «Maledetta confusione» singt.


Die Revanche des Lesbenpop

Lesben im Mainstream-Pop hat es zwar immer gegeben, auch wenn sie ihre Sexualität nicht wirklich offen zeigen durften oder wollten, vor allem aus Angst vor der Ablehnung des Publikums. 2024 war Schluss mit Diskretion. Noch nie zuvor haben lesbische Pop-Sängerinnen weibliches Begehren, Lust, Sexualität und Geilheit in den Mittelpunkt gestellt. Tatsächlich hat man das Gefühl, dass plötzlich alle coolen Frauen im Pop lesbisch sind. Hier eine Auswahl von frauenliebenden Frauen, die uns besonders beeindruckt haben.

Die 26-jährige Chappell Roan hat 2024 einen kometenhaften Aufstieg ohnegleichen erlebt. Ihre extravaganten Auftritte in Drag-Manier, z.B. am Lollapalooza-Festival in Chicago vor über 110’000 Besucher*innen, haben bereits Geschichte geschrieben. Zudem ist ihr Song «Good Luck, Babe» viral gegangen. Auf dem vielleicht grössten Hit des Jahres trennt sich die US-Amerikanerin von ihrer Freundin, weil diese mit ihrer Homosexualität hadert und die Beziehung geheim halten will. Aber Chappel Roan lässt sich auf solche Psycho-Spiele nicht ein. Sie ist aus einer konservativen Kleinstadt nach West Hollywood gezogen, um ihre Queerness zu erkunden und auszuleben. Sie hat ihren Selbstfindungsprozess längst abgeschlossen und will auch mit ihrer Musik Personen ermutigen, zu ihrer queeren Identität zu stehen. Anders als sonstige Superstars, die mit ihren Fans ein freundschaftliches Verhältnis pflegen, setzt Chappell Roan aber klare Grenzen. Sie hat ihrer Fancommunity übergriffiges Verhalten vorgeworfen und aufgrund des permanenten Bedrohungsgefühls mit dem Rückzug aus der Öffentlichkeit gedroht. Damit hat sie die Debatte über die Schattenseiten des Ruhms lanciert und plädiert für eine gesunde Pop- und Starkultur.

Billie Eilish wollte ihr Privatleben und Sexualität eigentlich nicht mehr öffentlich ausplaudern. Aber nach ihrem «unfreiwilligen» Coming-Out Ende 2023 hat die 22-jährige Künstlerin ihre ursprüngliche Absicht revidiert. Auf ihrem aktuellen Album «Hit Me Hard And Soft» hat Billie Eilish zum ersten Mal ganz klar ihre Liebe zu Frauen thematisiert. Im programmatischen Titel «Lunch» singt sie sogar lasziv darüber, wie gern sie ein bestimmtes Mädchen zu Mittag vernaschen würde.

Auch die Norwegerin Marie Ulven alias Girl in Red lässt sich gerne in die Karten schauen. Auf ihrem neuen Album «I’m Doing It Again Baby!» verabschiedet sich die 25-Jährige von ihrem melancholischen Bedroom-Pop und bewegt sich mehr in Richtung Pop. Auch ihre Texte sind offenherziger geworden. Statt wie früher über unerfülltes queeres Verlangen zu singen, macht Girl in Red heute ihre Beziehung zu einer Frau publik. Ihr Song «A Night to Remember» handelt von dem Abend, als sie ihre Freundin kennenlernte, mit der sie heute in Oslo lebt.

Lesbische Musikerinnen sind oft von der Gitarre regelrecht besessen. Ein Klischee, das auch Towa Bird nicht entkräften kann. 2024 hat die ehemalige Gitarristin von Olivia Rodrigo ihr Debütalbum «American Hero» herausgebracht. Die Engländerin mit philippinischen Wurzeln hat Humor, denn sie ist weder Amerikanerin noch sieht sie sich als Heldin. Sie möchte aber gern der lesbische Paul Mc Cartney werden. Irgendwie komisch, gehört der Ex-Beatle doch zu den berühmtesten Bassisten der Welt. Wenn überhaupt, ist Towa Bird eher als die Joan Jett der Generation Z einzustufen. Aber im Unterschied zur 80s-Rock-Ikone packt Towa Bird ihre sexuelle Orientierung direkt in ihre Songs. Zum Beispiel in der melodiösen rockigen Single «FML» beschreibt sie ihr Liebesglück mit einer geheimnisvollen Jennifer.


Pretty Boys

Hübsche Jungs im Pop gibt es zuhauf. Sogar Shawn Mendes, der hübscheste von allen – da sind sich Ludwig und Corey einig – gestand kürzlich, dass er etwas bi-curious sei. Hoffen wir, dass er nicht einen auf Katy Perry macht und bald singt «I kissed a boy, and I liked it». Es gibt nämlich genug junge, schwule Sänger, und hübsch sind sie auch.

Härzig sind die beiden Boys aus Swansea in Wales, Dan und Louis. Sie haben, wie schon so viele schwule Jungs vor ihnen, ein Elektropop Duo gegründet und suchen nun auf allen möglichen digitalen Plattformen nach Erfolg und einem Plattenvertrag. Come to Mine nennen sie sich als Duo und ihr Song «Boys Like Boys (Where I’m From)» ist ein Vorgeschmack auf das, was wir noch erwarten dürfen. Süss, pubertär und etwas hibbelig ist ihre Musik. Die Boys sind jung und habe noch einiges zu lernen. Wird schon, nicken die Boomer ihre Bemühungen ab.

ETHAN aus Sydney sieht auf dem Cover zum Song «Single In the Club» aus wie von einer KI generiert. Auch im Video dazu sieht man lauter perfekt geformte Männerkörper. Das Ganze wirkt etwas wie ein Abklatsch von Troye Sivans «Rush». Der Song verkommt dabei zur Begleitmusik für eine Show der Eitelkeit. Vielleicht sollte ETHAN weniger oft ins Gym und stattdessen mehr Zeit fürs Komponieren und Produzieren im Studio aufbringen. Just saying 😉

John Duff ist sowas wie das hyperaktive Bärchen in der Clique. Putzig, witzig, tuntig und immer etwas überdreht. Und eigentlich ist er mit 36 schon lange kein Boy mehr! Im Song «Be Your Girl» versucht er einen Hetero davon zu überzeugen, dass er seine Freundin sein könne. Netter Versuch! Im Video dazu lebt er seine Leidenschaft für das Musical aus, inklusive Glitter-Smoking, Tänzerinnen und kitschiger Deko. Der Angebetete hat im Video keinen Platz, die Bühne beansprucht John Duff für sich allein. Ausserdem wurde der Song solide produziert und mit Disco-Strings zum Glänzen gebracht.

Omar Rudberg kennst du vielleicht aus der schwedischen Netflix-Serie «Young Royals», wo er den hübschen Simon spielt, in den sich der Prinz verliebt. Schon vor dem Erfolg der Serie versuchte sich Omar Rudberg als Sänger. In Schweden hat er Erfolg und nahm schon dreimal am Melodiefestivalen teil. 2024 hat er die EP «Every Night Fantasy» herausgebracht. Im Song «Girlfriend» behandelt er das gleiche Thema wie John Duff, auch er möchte die Freundin sein. Eine etwas zu gefällige Komposition vom Hitlieferant Sam Catalano alias Slush Puppy und 6 (!) weiteren Mitschreibenden.


Black & Queer

Die queere R&B- und Hiphop-Szene um die People of Colour war auch 2024 besonders aktiv. Insbesondere eine bisexuelle Rapperin und ein unfreiwilliges Coming Out gaben viel zu reden.

Doechii, die offen bisexuelle Rapperin aus Florida, hat 2024 mit ihrem ersten Mixtape «Alligator Bites Never Heal» überzeugt und dafür drei Grammy-Nominierungen bekommen (bestes Rap-Album, beste:r neue:r Künstler:in, beste Rap-Performance). Darauf kann Doechii aggressiven Trap, R&B, Oldschool-Hip-Hop, Boom Bap und House in hervorragender Weise unter einen Hut bringen. Eine ihrer Textzeilen hat mehr Silben als ein ganzes Eminem-Album, und ihre Punchlines sind mal witzig, mal very strange. Ihren Humor oder Grössenwahn macht Doechii auch im Track Nissan Altima deutlich, wo sie rappt: «I’m the new hip-hop Madonna / I’m the trap Grace Jones».

Der einzige männliche Rapper, der Doechii 2024 das Wasser reichen konnte, war Tyler, The Creator. Auf seinem ungewohnt düsterem Konzeptalbum «Chromakopia» schlüpft er in die Rolle von St. Chroma, einer Kunstfigur mit Mickey-Mouse-Ohren-Afrofrisur wie aus einem Film Noir. Aber trotz der Maskierung schimmern die inneren Konflikte und die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen ganz gut an die Oberfläche. Aus queerer Sicht fallen die expliziten Anspielungen auf Polyamorie und die eigene Bisexualität auf. «Balloon», die Kollaboration mit Doechii, gilt schon jetzt als die Bi-Hymne des Jahres.

Die lesbische R&B-Sängerin Kehlani hat mit ihrem Album «Crash» den besten sexy Soundtrack des Sommers 2024 geliefert. Im Vergleich zu ihren früheren Werken, die von persönlichen Traumata und Tragödien geprägt waren, zeigt sich Kehlani von ihrer optimistischen Seite und will einfach nur Spass haben. In «What I want» mit der Textzeile «I want a bitch that look better than me / Pussy get wetter than me» und dem Sample von Christina Aguileras «What a girl wants» geht es eindeutig um lesbisches Begehren. Der Club-Sommerhit «After hours» mit dem Nina-Sky-Sample «Move Your Body» ist pure Euphorie und hat ihr zu Recht eine Grammy-Nominierung für den besten R&B-Song des Jahres eingebracht.

Der US-Amerikaner Josiah Wise alias serpentwithfeet (die Schlange mit Füssen) lebte auf seinem dritten Album «GRIP» seine schwulen Fantasien aus. Schon auf dem Albumcover schmiegt er sich an einen muskelbepackten Mann in Satin-Bettwäsche. Mit «GRIP» setzt serpentwithfeet den Black Gay Clubs als Self Spaces ein Denkmal, auch wenn sich sein sinnlicher Alternativ-R&B eher für einen Flirt an der Bar oder für erotische Stunden in der Horizontale eignet.

Der 26-jährige R&B-Sanger Khalid schaffte mit Songs wie «Location» und «Young, Dumb & Broke» den internationalen Durchbruch. Sein Privatleben hielt er die ganze Zeit unter Verschluss. Aber im letzten November hat sich Khalid als schwul outen müssen, nachdem im Netz entsprechende Gerüchte kursiert waren. Der Titel seines in August davor erschienenen Albums «Sincere» (Ehrlich) dürfte ihn zu aufrichtigem Handeln aufgefordert haben. Die smoothe Leadsingle daraus, die R&B-Herzschmerz-Ballade «Please Don’t Fall in Love With Me» mit dem Sample von «Un-thinkable (I’m Ready)» von Alicia Keys, sticht dabei besonders heraus. Auch wenn Khalids Liebeslieder bisher nicht unbedingt unter die queere Lupe genommen wurden, erfährt sein ganzes Musikschaffen aus heutiger Sicht eine ganz andere Bedeutung.


Best Covers

Einen bekannten Song neu zu interpretieren und dabei sogar das Original zu übertreffen, ist nicht einfach. Ein Meister darin ist Marc Almond (siehe oben). 2024 haben uns weitere queere Künstler*innen mit gelungen Covers überzeugt.

Scott Matthew ist bekannt für seine reduzierten, melancholischen Covers. Eigentlich wollte er der Musikindustrie den Rücken kehren, nun hat er im Oktober ’24 doch ein weiteres Album herausgebracht, nicht zum ersten Mal voll mit Covers. Nicht alle sind gelungen, doch seine Version von Kylie Minogues Hit-Song «All The Lovers» ist Scott Matthew at his best!

Die eigenwillige Französin Zaho de Sagazan hat es geschafft, über den frankophonen Sprachraum hinaus bekannt zu werden und gilt als zukünftiger Weltstar. Gerade hat sie gefeierte Konzerte in Deutschland gegeben und am 13. März 2025 kann man sie im X-TRA in Zürich erleben. Ein Höhepunkt für Zaho de Sagazan war letztes Jahr, als sie im Mai an der Eröffnung der Filmfestspiele von Cannes auftreten konnte. Mit ihrer Neuinterpretation des David Bowie Songs «Modern Love» konnte sie die Jury-Präsidentin Greta Gerwig («Barbie») zu Tränen rührte.

Zwei queere Songklassiker sind Ned Sublettes «Cowboys Are Frequently Secretly Fond Of Each Other» (1981) – wie der Titel sagt, über Cowboys, die sich heimlich lieben – und Charles Aznavours «Comme ils disent» (1972) über einen einsamen Travestiekünstler. Notabene, beide von heterosexuellen Komponisten geschrieben und beide wurde im Jahr 2024 neu aufgenommen.
Unser Queer-Country-Star Orville Peck hat «Cowboys Are Frequently Secretly Fond Of Each Other», der Song, der sich über insgeheim schwule Cowboys lustig macht, im Duett mit Willie Nelson aufgenommen und damit dem homophoben Trumpismus etwas entgegengesetzt. Orville Peck versteckt zwar sein Gesicht, nie aber seine Homosexualität und Willie Nelson ist nicht nur Kiffer der Nation, sondern auch ein LGBT-Verbündeter. Es war nämlich Nelsons Idee, den Song neu aufzunehmen. Er fand, er sei heute wichtiger denn je, diesen wieder zu singen. Richtig so!
Charles Aznavours hat sein Chanson «Comme ils disent» selbst in französisch, italienisch, spanisch, englisch und deutsch drei Jahre nach Stonewall aufgenommen. Der traurige Schwule, mit dem man Mitleid hat, war 1972 ein akzeptables Songsujet. Dass Gays auch «happy and pride» sein können, durfte erst viele Jahre später thematisiert werden. 2024 wurde das Lied aus einer überraschenden Ecke neu interpretiert, und zwar vom jungen französischen Rapper und Sänger Susanoô. Wieso er diesen Song aufgenommen hat, konnten wir nicht herausfinden, nur dass seine Mutter ihn liebte. Egal. Seine Version trifft jedenfalls voll ins Herz.


Queer Neighbors

Auch unsere Nachbarländer Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich hatten 2024 einiges an Queer-Pop zu bieten. Hier eine Auswahl der interessantesten Acts:

Im deutschsprachigen Raum brachte keine die Sichtbarkeit der Lesben im Pop so auf den Punkt wie Ebow mit dem Song «Lesbisch». Die Rapperin singt darin die Textzeile «Alle pretty Babes sind lesbisch». Auf ihrem zweiten Album «FC Chaya» wendet sich die queere Künstlerin mit Migrationshintergrund an alle Chayas (attraktive Mädchen im deutsch-türkischen Slang) eines fiktiven Fussballklubs, wo die ganze Spielzeit erotischer Hip-Hop und orientalisch angehauchter R&B mit fetten Old-School-Beats aus den Boxen scheppern. Die Texte sind echt stark und authentisch, gespickt mit queerem Empowerment, Sexyness und weiblicher Solidarität. Dank Ebow ist Lesbischsein im Pop zur Selbstverständlichkeit geworden.

Der Wiener Rapper Bibiza wird als «neuer Falco» gehandelt und Christl gilt als die österreichische Antwort zum britischen Goldkehlchen Adele. Trotz stimmlicher Ähnlichkeit mit dem Superstar hat die gebürtige Oberösterreicherin aber ein eigenes musikalisches Profil. Auf ihrem Debütalbum «Green Blue Velvet / Grün Blau Violett» befasst sich Christl mit dem schwierigen Thema Gewalt in all ihren Facetten und verarbeitet kompromisslos eigene oder fremde Erfahrungen in 15 Songs, die zwischen dunklem Pop, Soul und einer Prise R&B variieren. Christls Stimme wechselt leicht von Soul-Sängerin, über Oper-Diva zu Jazz-Lady, bewegt sich zwischen verschiedenen Sprachen und kann jedem Song die richtige Atmosphäre verleihen.

Frankreichs erfolgreichste queere Künstlerin von 2024 war Santa. Die lesbische Sängerin der Elektro-Pop-Band Hyphen Hyphen gönnte sich eine Solo-Pause und schwelgte mit kräftiger Stimme und poetischen Texten in der Nostalgie des traditionellen französischen Chansons à la Michel Berger oder Jean-Jacques Goldmann. Weniger bombastisch, aber zu keinem Ton weniger charmant fiel das One-Man-Band-Projekt Oscar Les Vacances des 29-jährigen Oscar Aubry aus Paris aus. Der Illustrator von Beruf liebt Comics, Mangas und Superhelden und ist auch ein passionierter Musik-Nerd. Auf seinem Debüt «Ceci N’est Pas Mon Corps» vermählt Oscar souverän französischen Chanson mit Pop, Hip-Hop und Electro. In seinem queeren pastellfarbenen Universum reflektiert er nicht nur seine Kindheitserinnerungen, seine innere Zerrissenheit und seine platonischen Liebschaften, sondern er hinterfragt auch Werte und Rollenbilder, wie den Begriff von Männlichkeit. Wenn Dalida und Philippe Katerine ein Kind gezeugt hätten, würde er Oscar Les Vacances heissen. Zutreffender könnte das Zitat eines französischen Konzertveranstalters kaum sein.

Dem Spotify-Jahresrückblick nach zu beurteilen, war Italiens Musikszene 2024 mehrheitlich von heterosexuellen männlichen Rappern dominiert. Mahmood kokettierte nach wie vor mit schwuler Ästhetik, aber der Beau war immer noch nicht reif für ein offizielles Coming Out. 2024 war Marianna Mammone alias Big Mama Italiens neue queere Offenbarung. «Ich bin eine Frau, ich bin dick, eine Rapperin und queer», so lautete Big Mamas unmissverständliches Statement bei der Pressekonferenz des letzten Sanremo-Festivals. Auf ihrem ersten Album «Sangue» (Blut) erweitert Big Mama den Hiphop ihrer Anfänge und liebäugelt mit Pop, Elektronik und Dance. Sie rappt weniger und singt mehr, vorzugsweise über den Zusammenhalt zwischen Frauen, Familienmitgliedern und queeren Menschen, sie setzt ein Zeichen gegen Mobbing und thematisiert sogar ihre frühere Krebserkrankung. Ihre Freundin Lodovica Lazzerini hat unter anderem am Sanremo-Song «La rabbia non ti basta» mitgewirkt.

 


Queer Swiss

Mit dem Sieg am ESC 2024 hat Nemo die ganze Aufmerksamkeit des Queer-Pop-affinen Publikums in- und ausserhalb Helvetiens für sich allein beansprucht und – vielleicht unbewusst – andere queere Schweizer Popmusikschaffende in den Schatten gestellt. Dennoch sind folgende Schweizer Acts, zum Teil auch jenseits der Heimat, auf grosses Interesse und positives Feedback gestossen:

Billie Bird hat 2024 zwar kein neues Album herausgebracht, aber ihre exklusive Live-Show mit Les Flamboyantes, einem 25-köpfigen Chor aus queeren Menschen und Allies, und drei weiteren Musiker*innen, gehört bestimmt zu den eindrucksvollsten Konzerten des Jahres. Ludwig durfte den Live-Gig der queeren Singersongwriterin aus Lausanne im Berner Progr erleben und sich auf eine intensive Achterbahnfahrt der Emotionen mitnehmen lassen. Erst Ende 2024 hat Billie Bird zum ersten Mal einen Song in spanischer Sprache veröffentlicht. «Guerrera» ist eine leise Hommage an die Frauen ihrer Familie, deren Leben von Exil und Widerstand gezeichnet war und für ihre Freiheiten gekämpft haben.

Seit 2019 ist Naomi Lareine aus Zürich ein sicherer Wert in der Schweizer Musikszene. Ihr Engagement für Selbstakzeptanz und LGBTQ+-Rechte und ihre persönlichen Texte, wo sie offen über ihre Sexualität spricht, zeichnen sie besonders aus. 2024 schlug Naomi Lareine eine neue musikalische Marschrichtung ein, von der Queen of R&B zum Popstar. Auf ihrer EP «Where Were You?!» und der darauffolgenden Single «Stranger» schlüpft sie in ein spannendes Dance-Pop-Kostüm, das Lust auf mehr macht.

Sechs Jahre nach seinem Coming-Out und ein Jahr nach seinem deutschsprachigen Debüt «Tigerherz» hat Ex-Spitzensportler und Sänger Lucas Fischer Ende 2024 eine bewegende queere Hymne hervorgezaubert. Die Empowerment-Nummer «What They Say» ist eine Einladung, die Selbstzweifel wegzuwischen und ein Appell, zu sich zu stehen, egal was die anderen denken. Im Video zum Song verbindet der Künstler seine feminine Seite mit Akrobatik. Laut eigenen Angaben kann er sich eine Teilnahme am nächsten ESC sehr gut vorstellen. Aus unserer Sicht muss er sich aber ein bisschen mehr anstrengen, um mit Nemo mitzuhalten.

Im August veröffentlichte Sivilan seine wunderbare Sommer-Single «Chlorine» mit hübschem queerem Video dazu. Der Berner Oberländer erinnert sich an das erste Verliebtsein in der Badi, in seinem Fall wird das vermutlich der Strämu in Thun gewesen sein. Das Wasser riecht nach Chlor, die Haut nach Sonnencreme und die Küsse nach Glace. 

Silance, der Rapperin und Sängerin aus Lausanne, ist bereits 2023 mit «Nouveau Genre» eine grandiose LGBTQIA+-Hymne für mehr queeres Selbstbewusstsein gelungen. Auf der melancholischen und doch tanzbaren Single «TCA», ihrem einzigen Output im Jahr 2024, möchte Silance das Bewusstsein der Menschen für das Tabuthema Essstörungen sensibilisieren und vor allem den Betroffenen Mut machen.

Im Sommer 2024 hat die androgyne Genferin Stéphane Frankreichs Pop-Welt erobert und ist zum neuen Pop-Schätzchen der Grande Nation avanciert. Ihr tanzbarer und sehr eingängiger Pop-Rock-Chanson «Ma Chérie» hat sich Platz 2 der meistgestreamten French-Pop-Songs gesichert. Das ist ein bisschen atypisch für den Pop-Mainstream, erzählt der Song doch die ungefilterte Geschichte einer unerwiderten Dreiecksbeziehung unter Frauen. Weitere Mini-Lesbendramen, verpackt in radiotauglichen Songs, befinden sich auf Stéphans zweiten Album mit dem programmatischen Titel «La prison des amoureues malheureuses» (Das Gefängnis der unglücklich verliebten Frauen).

In Frankreich ist Théo Marclay, der 23-jährige Walliser mit vietnamesischen Wurzeln, als Nuit Incolore bereits ein Star. Mit seinem Song «Dépassé» hat der melancholische Künstler Streaming-Rekorde gebrochen und eine Nominierung als bester Nachwuchskünstler an den französischen Grammys erhalten. Seine Songs über Einsamkeit und Verlassenheit sind inspiriert vom traditionellen französischen Chanson, Pop, Rap und japanischen Mangas oder Animes. Im November 2024 wurde «La Loi Du Papillon», sein Album von 2023, in einer neuen Version mit dem Titel «La Note noire» aufgelegt. Unter den neun neuen Songs stechen das intensive Duett «On s’écrira» mit Loïc Nottet, dem belgischen ESC-Kandidaten von 2015, und das Abschiedsdrama «Adieux» besonders hervor.

Die queere Singersongwriterin Sophia Allison alias Soccer Mommy ist zwar vor 27 Jahren in der Schweiz geboren, aber in Nashville aufgewachsen. Auf ihrem vierten Album «Evergreen» schwelgt sie in Erinnerungen an ihre Mutter und ihre Kindheit. Im Track «Abigail» besingt Soccer Mummy zu verträumten Gitarrenklängen ihre Liebe zu Abigail, dem Charakter einer Dorfbewohnerin aus dem Videospiel Stardew Valley. Das dürfte wohl der romantischste Song über eine virtuelle Figur sein.
 


Queer Latin

Unsere Popwelt wird nach wie vor von englischsprachiger Musik dominiert. Doch es lohnt sich, nach Südamerika zu schauen. Auf diesem Kontinent wird musikalisch viel geboten – auch queeres –, von dem wir hier in Europa nur selten etwas mitbekommen.

Silva ist ein bisexueller Sänger und Multiinstrumentalist aus Brasilien und hat 2024 sein 6. Album veröffentlicht. Das Cover von «Encantado» zeigt Sonnenblumen, und genau so tönt es auch: sonnig. Brasilianischer Pop mit Bossa Nova und Samba Einflüssen und etwas Elektronik, der zwischen Leichtigkeit und Melancholie pendelt. Höhepunkt des Albums ist die höchst dramatische Ballade «Carmesim», die er mit der Fadista Carminoh und er Gitarristin Gabriele Leite aufgenommen hat. Da schmelzt das Herz wie eine Glace in der Sonne.

Washington Duarte, der sich nur WD nennt, wurde bekannt durch die brasilianische Ausgabe der Show «The Voice», wo er 2021 die Jury mit seiner hohen, fast schwebenden Stimme überzeugen konnten. Gewonnen hat er die Show zwar nicht, doch brachte sie ihm einen Plattenvertrag mit Universal. Sein Debütalbum «MAGNÉTICO», das 2024 veröffentlicht wurde, ist afro-lateinamerikanisches Pop, ein immersives Klangerlebnis, das den Hörenden auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle mitnimmt. WD sieht sich als Sprachrohr für die Black-Queer-Community in Brasilien und er ist – nicht überraschend – von Frauen inspiriert. «Meine musikalische Geschichte ist von Frauen geprägt und basiert auf ihnen, denn Frauen haben mich schon immer inspiriert».

Álex Anwandter ist ein Musiker aus Chile mit deutschen Wurzeln und lebt heute in L.A. 2024 ist sein 7. Album «Dime Precioso» erschienen, in dem sich der 41-Jährige etwas reifer zeigt. Zwar verwendet er immer noch gerne elektronischen Sounds aus der 80er- und 90er-Jahren, doch es gibt auch mal schrammige Indie-Gitarren und sogar eine Harfe und Streicher sind zu hören. Das Glanzstück auf dem Album ist die Single «Gaucho». Der Gaucho ist sowas wie der südamerikanische Cowboy, und wie der im Norden, ist auch der aus dem Süden Auslöser für homoerotischen Fantasien, wie das von Álex Anwandter selbstgedrehte Video zeigt.

Die bisexuelle kolumbianisch-US-amerikanische Sängerin Kali Uchis hat der sinnlichen Anziehungskraft der Orchidee, Kolumbiens Nationalblume, ihr ganzes viertes Album gewidmet. Die prachtvollen Songblumen auf «Orquìdeas» schlagen eine Brücke zwischen Tradition und Moderne des lateinamerikanischen Pop. Kali Uchis inszeniert sich als singende Hauptdarstellerin einer glamourösen Tele-Novela und blüht, allein oder in Gesellschaft illustrer Gäste aus dem Latin-Pop-Olymp, wie eine Orchidee auf. Sie springt von sanftem R&B über fröhlichen Merengue bis hin zu Dream-Pop. Absolutes Highlight ist der Bolero angehauchte Song «Te Mata» mit einer unwiderstehlichen spanischen Gitarre.


Die Reunion von Gossip: Top oder Flop?

2024 wagten Gossip nach 12 Jahren Funkstille ein Comeback mit dem 6. Album «Real Power». Dem feministisch-queeren Trio um die lesbische Frontfrau Beth Ditto war es zwischen 2006 und 2012 sehr gut gelungen, schwule Subkultur und Aktivismus in den Pop-Mainstream zu manövrieren. Mit «Raw Power» wollten Gossip an den Erfolg ihres globalen Hits «Heavy Cross» und dessen Begleitalbums «Music For Men» von 2009 anknüpfen. Trotz Mitwirkung von Rick Rubin, dem gleichen Star-Produzent wie damals, und den neuen Musik-Videos, die die unbändige Bühnenenergie von Beth Ditto offenbarten, blieb «Raw Power» kreativ und kommerziell leider hinter den Erwartungen zurück. Die bewährte Rezeptur aus Punk-Attitüde, Indie-Disco und Motown wollte einfach nicht mehr zünden. Für uns als Fans der ersten Stunde war es jammerschade, denn Gossip hatten aus unserer Sicht ihren Mojo wieder gefunden. Vielleicht war das heutige Mainstream-Publikum mit dieser Art von queerem Pop-Aktivismus schlicht überfordert.


Queer Singer-Songwriters and Country

2024 erlebte Country eine regelrechte Renaissance. Nicht nur LGBTQ-Allies wie Beyoncé und Kacey Musgraves, sondern auch LGBTQ-Künstler*innen verliehen dem ultrakonservativen und weissen Musik-Genre einen neuen Schwung.

Nick Carpenter alias Medium Build, ein queerer Singer-Songwriter aus Alaska, der Schnauzer und Vokuhila trägt, hat 2024 das Musik-Herz von Corey und Ludwig definitiv erobert. Auf seinem neuen Album «Country» verknüpft Medium Build Elemente aus klassischem Country, 80er-Jahre-New-Wave und Emo geschickt miteinander zu einem sehr persönlichen Musikstil. In seinen offenen Texten erzählt er von seinen Ängsten und Träumen, erkundet seine Queerness und verarbeitet seine persönlichen Gefühle und Gedanken. Jedem der zwölf Songs ist anzuhören, wie Medium Build mit dem Guten und Schlechten ringt. Carpenters Stimme ist von einer entwaffnenden Leidenschaft und Verletzlichkeit, der man sich nur schwer entziehen kann.

Auf ihrem neunten Album «The Past Is Still Alive» reiste Alynda Segarra alias Hurray For The Riff Raff an die Orte ihrer Vergangenheit und besann sich zur reinen Countrymusik ihrer Anfänge, die sie im Lauf der Jahre ein bisschen vernachlässigt hatte. In ihren neuen Folk- und Country-Songs erzählt Segarra mit Wärme, Herz und Feingefühl die Geschichten aus dem Leben von armen Kleinstadt-Helden, Ausreisser/innen und anderen Randständigen, wie sie auch einmal war. In «Colossus Of Roads» erinnert sich Segarra an den schrecklichen Amoklauf in der LGBTQ-Bar Club X im Juli 2022 im US-amerikanischen Colorado Springs.

2024 hat Katie Gavin, die Sängerin des queeren Pop-Trios Muna, ihr erstes Solo-Album herausgebracht. Auf «What A Relief» verabschiedete sich Katie Gavin vom Indie-Pop ihrer Stammband. Stattdessen schlug sie Country- und Folk-Töne an und setzte auf eine sparsame Instrumentierung, eine intime Atmosphäre und direkte Texte. Katie Gavin brach eine Lanze für ein kleines und persönliches Amerika. Besonders gelungen sind «Sketches», eine Reflektion über eine vergangene toxische Beziehung, «The Baton», ein Bluegrass-Song über generationsübergreifenden, weiblichen Zusammenhalt und «Sparrow», eine Hommage an ihr Idol Dolly Parton.

Charlotte Day Wilson, die queere Singersongwriterin und Sängerin aus Toronto, hat mit «Cyan Blue» ein neues Kapitel ihrer Musikkarriere aufgeschlagen und die Ära des entspannten und schmalzbefreiten Soul eingeläutet. Day Wilson feiert die Wiederverbindung mit ihrem inneren Kind, das sie bisher unterdrückt hatte. Sie widmet ein kurzes Cover des Klassikers «Over The Rainbow» an die LGBTQ-Community. Und «New Day» handelt davon, Kinder in einer queeren Beziehung zu kriegen. Die Farbe Cyan Blue zieht sich durch das ganze Album und symbolisiert die verschiedenen Schattierungen persönlicher Beziehungen. Im Song «Canopy» erinnert uns Day Wilson daran, dass der Verlust einer alten Liebe genau gleich inspirierend, wie der Beginn einer neuen Beziehung sein kann.


New Queer Pop

Ist der «New Queer Pop» tatsächlich neu? Für uns klingt er sehr nach 80er- und 90er-Jahre. Wir wissen, wovon wir schreiben, haben wir die Zeit doch live miterlebt. Überraschend ist es nicht, dass so viele junge queere Musiker*innen auf den Sound ihrer Eltern zurückgreifen – sind sich die Zeiten doch ähnlich. Waren es in den 80er-Jahren Themen wie Kalter Krieg, Atomangst, Waldsterben, Aids und Neoliberalismus, sind es heute ähnliche, wie Krieg, Klimaerwärmung, Rechtsradikalismus, Extremismus und Phobien aller Art.

Conan Gray begann als Videoblogger und erarbeitet sich so eine Fanbase, die ihn heute sehr erfolgreich macht. Die Teen Vogue nennt Gray «the pop prince for sad internet teens», auch Taylor Swift ist ein Fan. Im März erschien sein 3. Album «Found Heaven». Darauf ist der Song «Lonely Dancer» zu finden, der stark an den 80er-Jahre-Hit «Safety Dance» von Man Without Hats erinnert. Da sich an diesen Song nur Musik-Nerds wie Corey und Ludwig erinnern, klingt er für Teens neu und frisch.

ZEE MACHINE, er lebt wie Conen Gray in L.A., und hat sich den bombastisch 80er-Sound einverleibt. Zurückhaltung ist nicht seine Sache, bei ihm ist immer alles voll auf die Zwölf. In einem Interview hat er etwas Interessantes gesagt, über so Listen wie Corey und Ludwig sie hier machen: «Es ärgert mich, wenn ich es beispielsweise auf eine Jahresendliste schaffe, aber die ‹Schwulenversion› davon, sowas wie ‹50 QUEER-Künstler, die du dieses Jahr verpasst hast›. Selten schaffe ich es in die Gesamtliste. Ich versuche damit keineswegs, mich von der queeren Identität zu distanzieren (glaub mir … hör dir einfach die Musik an), aber manchmal habe ich das Gefühl, dass sie einen nicht so ernst nehmen oder einen sofort in die Queer-Sektion verbannen. Ich denke, ich bin so gut wie die Leute auf den Gesamtlisten». Finden wir auch!

Die 80er waren nicht nur Bombast und Elektronik. Es gab damals auch sehr düsteren Sound wie Gothic und Dark Wave. Davon ist Levin Goes Lightly beeinflusst. Hinter dem Projektnamen steht der androgyne Exzentriker Levin Stadler aus Stuttgart. Auf seinem Album «Numb» verquickt er Dunkelheit mit Neonfarben, singt mal deutsch, mal englisch über heimliches Begehren, toxische Beziehungen und die grosse Liebe. Das ist der Sound, den ich (Ludwig) in meiner Jugend hörte, und es freut mich, dass er von jungen Menschen, die meine Kinder sein könnten, immer noch gepflegt wird. Läutet Levin Goes Lightly damit ein Comeback von Dark Wave ein? Passen in unsere Zeit würde es.

Wenn man, wie Corey und Ludwig, seit einem halben Jahrhundert Popmusik hört, sieht man die Referenzen überall. Was logisch ist, denn aus der Vergangenheit entsteht die Gegenwart. Etwas vollkommen Neues zu kreieren ist fast nicht möglich. Es sind neuen Verknüpfgen aus Vergangenem, die etwas Originäres entstehen lassen. Das ist Allie X (Alexandra Hughes) gelungen mit ihrem Album «Girl With No Face». Sie verknüpft New Wave mit EDM auf sehr spektakuläre Art und Weise. Bemerkenswert ist, dass sie das Album im Alleingang aufgenommen hat. Eine Wucht, die einen rätseln lässt, wieso Allie X kein Superstar ist.

Weitere coole queere Acts, bei denen sich das Reinhören lohnt: ARXX, Rahim C Redcar, Confidence Man, Crystal Murray und Kirin J Callinan.


Lieblingslieder

Es gibt Songs, die mensch ins Herz schliesst, um sie für immer darin aufzubewahren, die mit persönlichen Erinnerungen verknüpft sind und immer wieder gehört werden. Das sind die queeren Lieblingslieder von Corey und Ludwig aus dem Jahr 2024.

Ludwig Lieblingssongs

Ich lag auf einem Liegestuhl am Strand und schaute auf das Meer mit seinen sanften Wellen, als es mir den Song «The Sea» von Romy auf die Kopfhörer spülte. «I fell in love by the sea; The world was on fire around me; I met the girl of my dreams; But she doesn’t believe me» singt die Britin Romy über einem entspannten Rhythmus und hallender Gitarre. Ich schaute nach rechts, da lag mein Schatz und schaute ebenfalls aufs Meer. Die Welt brannte nicht und ich denke, mein Schatz glaubt an mich, an uns. Zum Glück geht es mir nicht wie Romy, aber ich leide mit ihr und spiele den Song nochmals, und nochmals.

Es war ein Strand in Griechenland. Weshalb ich gleichentags nach griechischer Musik suchte, die ich noch nicht kenne. Dabei stiess ich auf George Perris’ «Tha S’ Agapo», was übersetzt «Ich werde dich lieben» heisst. Ein klassischer Love Song, angerichtet mit grossem Orchester, das Glück und Unbeschwertheit in jeder Note transportiert. Das selig verliebte Lächeln auf George Perris Gesicht, wenn er seinen Geliebten ansingt, wird durch seinen Gesang sichtbar. So hemmungslos romantische Song sind in unserer von ADHS geplagten Welt nur noch selten zu hören. Traditionelles Songwriting, zeitlos wie die Liebe.

Schon als ich den Titel las, wusste ich, der Song wird mir gefallen: «Sadness As a Gift». Er ist von der genderqueeren amerikanischen Folksängerin Adrianne Lenker ab ihrem Album «Bright Future». Sie ist bekannt für ihr sehr persönliches Songwriting. In «Sadness As a Gift» geht es um eine verlorene Beziehung, und dass man die Traurigkeit danach als Geschenk sehen kann, auch wenn sie schwer zu ertragen ist. Wie dieses Gefühl, das seit Ewigkeiten den Menschen begleitet, ist auch der Song. Er hätte vor 100 Jahren geschrieben werden können. Ein Lied, das für immer Bestand hat, zumindest in meiner Plattenkiste.

Corey Lieblingssongs

«Edge of Saturday Night», die Zusammenarbeit zwischen der queeren DJ und Produzentin The Blessed Madonna und LGBTQ-Ally Kylie Minogue hat Coreys DJ-Herz höherschlagen lassen. Die unwiderstehliche Nummer beschwört den Geist des für mich unausweichlichen samstäglichen Disco-Fiebers herauf. Aber es geht nicht nur um Nostalgie. Denn die queere Club-Ikone und die ewig strahlende Disco-Prinzessin können den Glanz vergangener Disco-House-Rave-Techno-Dekaden stilsicher und feierlich ins Jetzt befördern.

Corey als pop-sozialisierter Mensch ist 2024 dem BRAT-Grün und dem BRAT-Sommer verfallen. Mit ihren bassbetonten Indie-Dance-Bangers ihres 6. Albums BRAT hat sich Charli XCX nach Jahren mässigen Erfolgs als Underdog zum grossen Popstar der Stunde gemausert. Auf die Britin und deren Anti-Mainstream-Haltung konnten sich alte und neue Fans, Boomers, Millenials, die Gen Z und sogar Kamala Harris und meine kleine Wenigkeit einigen. Für den BRAT-Remix-Album hat Charli XCX ihren Tour-Sparrings-Partner Troye Sivan für die Bearbeitung von «Talk Talk» an Bord geholt. Der Track ist im fesselnden Four-to-the-Floor-Beat verfangen und hätte auch auf Troyes Sexy-Dance-Album «Something To Give Each Other» eine gute Figur gemacht.

Die kalifornische American-Idol-Gewinnerin und olympische Abfahrtsskiläuferin Remi Wolf hat ihre grossartigen Ideen oder «Big Ideas» auf ihrem gleichnamigen Sommeralbum aufgezeichnet. Obwohl die bisexuelle Künstlerin auf altbewährte Klänge wie Soul, Dance, R&B, Synthie-Pop und 90s Indie-Rock zurückgreift und von Stil zu Stil hüpft, tragen ihre Songs ihre eigene Handschrift und wirken nicht verzettelt. In der funkelnden Dance-Pop-Perle «Soup» blickt Wolf in die glitzernden Achtziger zurück und singt sich die Seele aus dem Leib wie anno dazu mal Cyndi Lauper. Bei diesem Song habe ich unendlich auf die Repeat-Taste gedrückt.


Die Show

2 Stunden Musik und Storys von die besten queeren Acts im 2024. Ausgewählt von DJ Ludwig und DJ Corey. Mit Songs von Nemo, Omar Apollo, The Last Dinner Party, Gossip, Ebow, Billie Eilish, Chappell Roan, Kali Uchis, Conan Gray und vielen mehr. 


 


Playlist: Die 100 besten Songs im 2024

100 queer Songs from 2024 by LGBT-artists and allies. Selected by DJ Ludwig and DJ Corey for QueerUp Radio – www.queerupradio.ch

 

Die Playlist bei Apple Music

 

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