«Krisen und Knörze haben mich zu einem selbst­bestimmten Leben gebracht»

Der neue Gesprächsgruppen Leiter stellt sich vor

Im September hat Walter Lehmann die Leitung der Gesprächsgruppe von «hab queer bern» übernommen. Gesprächsgruppen gibt es seit der Gründung des Vereins vor mehr als 50 Jahren und sind kostenlos. Daniel Frey hat sich mit Walter Lehmen unterhalten, der die Gruppe für schwule und bi Männer leitet.

Gesprächsgruppen gehören eigentlich seit der Gründung zur DNA unseres Vereins. So etwa auch die Gesprächsgruppe für schwule und bi Männer, die wir kostenlos anbieten. Seit April 2021 wurde die Gruppe von Hermann Kocher geleitet. Im September hat Walter Lehmann die Leitung der Gruppe übernommen. Walter ist 64 und hat viele Jahre als Pfleger in der Psychiatrie gearbeitet, wo ihm gerade auch die Arbeit in Gruppen Spass gemacht hat. Nach seiner frühzeitigen Pensionierung vor fast drei Jahren hat er sich selbständig gemacht und die private «Spitex Lehmann» gegründet.

Walter, erzähl uns bitte mehr über dich.

Ich bin auf einem Bauernhof in einer Grossfamilie aufgewachsen. Oft sassen meine Eltern, meine vier Geschwister, mein Grossvater, die Angestellten, Tanten und Onkel, Cousinen und Cousins am Küchentisch zusammen. Und hier lernte ich die Gemeinschaft kennen und schätzen – und die Werte und Normen der evangelisch-reformierten Kirche.

Mit 20 habe ich mich erstmals in Männer verliebt und gemerkt, dass ich schwul bin. Und gerade Krisen und Knörze haben mich zu einem selbstbestimmten und bewussten Leben gebracht. Meine zweite Lehre als Pflegefachmann in der Psychiatrie und die fast 25 Jahre in der UPD Bern haben mich professionalisiert und auch zu einer reflektierten Arbeitsweise gezwungen.

Warum ist dir die Gesprächsgruppe für schwule und bi Männer unseres Vereins wichtig?

Offene Gespräche finde ich sehr wichtig. Und ich hoffe, dass die Gruppe weiterhin ein Ort bleibt, wo wir über uns und queere Anliegen sprechen können und gemeinsam sogar Lösungen finden.

Was bringst du für Erfahrungen mit, die du in diese Gesprächsgruppe einbringen kannst?

Als Pflegefachmann in der UPD Bern konnte ich (und manchmal musste ich) viele Weiterbildungen besuchen. Nicht alle waren spannend und haben etwas gebracht – zusammen mit der Praxis und Ausbildung von Pflegefachpersonen ist aber vieles an gelebter Theorie hängen geblieben.

Die Gesprächsgruppe trifft sich monatlich für zwei Stunden in der Villa Bernau. Was für Themen werden diskutiert? Wie läuft so ein Abend ab?

  • Eigentlich möchte ich die Suche nach Themen gerne den Teilnehmern der Gruppe selbst überlassen.
  • Wir beginnen mit einer Begrüssungsrunde, in der alle ihren Namen sagen und was sie bewegt.
  • Als Leiter der Gesprächsgruppe lege ich mit den Teilnehmern gemeinsam ein Thema fest und bitte eine Person, ihr Thema vorzutragen.
  • Die Gruppe kann dazu Fragen stellen.
  • Anschliessend formuliert die Person, welche das Thema vorgetragen hat, ihre Frage dazu.
  • Nun kann die Gruppe ihre Meinung dazu äussern. Wenn möglich wird auf die Frage eine oder mehrere Antworten gefunden und festgehalten.
  • In einer Abschlussrunde kann die Person, welche das Thema eingebracht hatte, die Antworten für sich aussuchen. Und auch die Gruppe kann erzählen, was ihr bei dem Thema geholfen hat.

Grundsätzlich kann über alle Themen gesprochen werden, zu welchen die Gruppe ihre Meinung abgeben kann.

Die Gruppe ist offen für Männer, die entweder schwul oder bisexuell sind. Ich nehme an, dass sich da nicht nur cis Männer, sondern auch trans Männer angesprochen fühlen dürfen …

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es dürfen sich für die Teilnahme an der Gesprächsgruppe alle Menschen angesprochen fühlen, welche sich für queere und menschliche Themen interessieren.

Kann mensch eigentlich jederzeit in die Gruppe einsteigen? Und ist eine regelmässige Teilnahme erwünscht?

Ja zu beiden Fragen – es ist eine offene Gruppe. Die Gesprächsgruppe ist kein Kurs mit Diplom und Abschluss, und es wird auch kein vorgegebenes Programm abgespult. Die Freude am Zuhören und Miteinanderreden sind mir wichtiger, als wer wie oft teilnimmt. Zudem ist es mir wichtig, dass wir uns gegenseitig achten und nicht bewerten.

 

Die Fragen stellte Daniel Frey.

 

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