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Die Gesundheit von Queers in der Schweiz

Wir haben für euch Fakten zur psychischen und physischen Gesundheit von queeren Menschen in der Schweiz zusammengetragen. Ein Überblick basierend auf Studien der Hochschule Luzern Soziale Arbeit und dem LGBTIQ+ Panel.¹

Beide Studien weisen grossen Handlungsbedarf im Bereich der Gesundheit von Queers nach, innerhalb der Community gibt es aber auch Unterschiede. Generell berichten 67.6 % der Teilnehmenden der Studie der HSLU, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder ihrer Geschlechtsidentität mindestens einmal in ihrem Leben Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen gemacht haben. 26.6 % der LGBT-Teilnehmenden berichten von solchen Erfahrungen in der Gesundheitsversorgung. Trans und non­binäre Personen sind besonders betroffen. Die Autor:innen der Studie gehen davon aus, dass aufgrund von Diskriminierungserfahrungen und mangelndem Vertrauen in das Gesundheitssystem LGBT Personen – wiederum vor allem trans und non­binäre Personen – medizinische Leistungen nicht in Anspruch nehmen. Jedoch beurteilen trans und non­binäre Personen den eigenen Gesundheitszustand deutlich schlechter als übrige LGBT-Personen, und leiden öfter an chronischen Krankheiten. Es besteht hier also besonders grosser Handlungsbedarf.

Auch im Bereich der psychischen Gesundheit berichtet die Studie von grosser Dringlichkeit. Depressionen, Suizidgedanken und Suizidversuche sind deutlich häufiger bei LGBT-Personen, besonders vulnerabel sind trans und non­binäre Personen. Wichtig ist zu betonen, dass nicht sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität Grund für diese Belastung sind, sondern Diskriminierung und Stigmatisierung in Umfeld und Gesellschaft. Gegenüber der übrigen Schweizer Bevölkerung weisen LGBT-Personen erhöhten Konsum von psychoaktiven Substanzen, Tabak und Alkohol auf. Im Bereich der sexuellen Gesundheit werden schwule und bisexuelle Männer als vulnerable Gruppe hervorgehoben bezüglich HIV und STI. Auch in diesem Bereich sind trans und non­binäre Personen besonders betroffen. Wichtig ist zudem die Sensibilisierung des Gesundheitswesens für lesbische und bisexuelle Frauen, Lücken gibt es beispielsweise im Bereich der Reproduktionsgesundheit.

Wichtig ist zu betonen, dass nicht sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität Grund für diese Belastung sind, sondern Diskriminierung und Stigmatisierung in Umfeld und Gesellschaft.

Um die psychische und physische Gesundheit von LGBT Personen zu stärken, empfehlen die Autor:innen sowohl generelle Förderung von LGBT­sensiblem Know How als auch LGBT­spezifische Massnahmen. Das LGBTIQ+ Panel bestätigt den Handlungsbedarf. Gemäss der Studie sind LGBTIQ+ Personen in der Schweiz noch immer aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder Intergeschlechtlichkeit mit strukturellen Ungleichheiten konfrontiert und von Diskriminierung betroffen.
LGBTIQ+ Teilnehmende berichten von fehlender Akzeptanz im Bildungs- und Arbeitskontext, wo sie im Vergleich mit heterosexuellen cis Personen weniger das Gefühl haben, sich selbst sein zu können und dazuzugehören. Oft wissen Teilnehmende nicht, wohin sie sich im Falle von Diskriminierung wenden können. Mehr als 28 % der Angehörigen sexueller Minderheiten und 38 % der geschlechtlichen Minderheiten sind nicht bei ihrer Familie geoutet. Mehr LGBTIQ+ als heterosexuelle cis Menschen geben an, einen schlechten Gesundheitszustand zu haben (33 % der Angehörigen geschlechtlicher Minderheiten und 20 % der Angehörigen sexueller Minderheiten – bei cis heterosexuellen Menschen sind es nur 12 %). 99 % der LGBTIQ+Teilnehmenden sehen noch immer Herausforderungen im LGBTIQ+ Kontext. Die Autor:innen schreiben diesbezüglich, dass sowohl der Abbau von Diskriminierung als auch die Förderung von Akzeptanz und Aufklärung über LGBTIQ+ Themen wichtig sind.

Innerhalb der LGBTIQ+ Community gibt es viele gemeinsame Herausforderungen, aber auch Unterschiede. Bei den sexuellen Minderheiten berichten plurisexuelle Personen (zum Beispiel bi­ und pansexuell) von besonderen Herausforderungen. Angehörige geschlechtlicher Minderheiten betonen rechtliche Herausforderungen (zum Beispiel Inklusion im Antidiskriminierungsgesetz und Zugang zu sicherer Gesundheitsversorgung). Angehörige sexueller Minderheiten unterstreichen fehlende Rechte im Bereich der Reproduktion. Grundsätzlich berichten Teilnehmende mit intersektionalen und/oder weiteren marginalisierten Identitäten von mehrfacher Diskriminierung – als Beispiele werden in der Studie People of Color, Migrant:innen, Personen mit Behinderungen genannt. Die Autor:innen betonen, dass intersektionale Identitäten in Studien unbedingt stärker und expliziter berücksichtigt werden müssen.

Laufende Projekte, die sich unter anderem mit solchen Themen befassen, findet ihr auf der Website swiss-lgbtiq-panel.ch. Dort könnt ihr an der fünften Welle der Studie teilnehmen – wir empfehlen es euch sehr. Mit mehr Wissen über die Gesundheit von LGBTIAQ+ Personen können Massnahmen gefordert und ergriffen werden. Nicht nur von unserer Community, die bereits fantastische Arbeit leistet, sondern auf struktureller und politischer Ebene, und in Bildungs­ und Arbeitskontexten.

Let’s talk about it. Wende dich an deine Organisation des Vertrauens, wenn du ein Anliegen hast. Schaue dir das Beratungsangebot und die Gruppen an. Suche dir professionelle psychologische Hilfe, wenn es dir nicht gut geht.²

hab queer bern: habqueerbern.ch
HAZ-Queer Zürich: haz.ch/angebot
Lesbenorganisation Schweiz: www.los.ch
Pink Cross: pinkcross.ch
Transgender Network: tgns.ch
Du bist du: du-bist-du.ch
Milchjugend: milchjugend.ch

Text: Joelle Löw (HAZ Magazin)

Quellen: Im Auftrag des Bundes hat die Hochschule Luzern Soziale Arbeit 2022 eine Studie zur Gesundheit von LGBT-Personen in der Schweiz veröffentlicht, unter der Leitung von Dr. Paula Krüger (HSLU) und Dr. Andreas Pfister (ZHAW). Das BAG und der Bundesrat prüfen derzeit entsprechende Massnahmen. Details findest du auf der Website vom BAG

Das Schweizer LGBTIQ+ Panel wird von Dr. Tabea Hässler (Universität Zürich) und Dr. Léïla Eisner (Universität Prince­ ton, UZH) geleitet. Die Studie unter­ sucht seit 2019 jährlich die Situation von LGBTIQ+ Personen in der Schweiz. Im Jahr 2022 haben 2568 LGBTIQ+ und 900 cis­heterosexuelle Personen teil­ genommen. Schaffen wir dieses Jahr noch mehr? Teilnehmen kannst du auf www.swiss­lgbtiq­panel.ch. Dort findest du Details zur Studie.


¹ In diesem Text werden verschiedene Abkürzungen verwendet. Sie entsprechen dem jeweiligen Wortlaut der Studien (LGBT, LGBTIQ+) und vom Bund (LGBTIQ).
² Du kannst zum Beispiel auf www.psychologie.ch/psychologensuche unter «Erweiterte Eingaben» nach «Situationen» filtern und dort «Sexuelle Identität/Orientierung» oder «Geschlechtsidentität» ankreuzen.
³ www.queer.li/bund. Die Studie stützt sich auf die Schweizerische Gesundheitsbefragung (2012 und 2017) sowie eine Zusatzstudie mit 2064 LGBT Personen aus der ganzen Schweiz (2021).

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