DJ Coreys MusikTipps Juni 2023

Jake Shears, Alison Goldfrapp, LP Giobbi, Sophie Ellis-Bextor, Marco Mengoni, Christine & The Queens, Arlo Parks, Saint Harison, The Aces, Rufus Wainwright

Strobo-Blitz und Discoflash an für Jake Shears, Alison Goldfrapp und LP Giobbi. Sophie Ellis-Bextor verschreibt sich dem Synthie-Pop. Marco Mengoni schliesst seine Album-Trilogie ab. Die neue Pop-Oper von Christine & The Queens. Keshas Abschied vom Teenie-Pop. Drei Acts aus der queeren Generation Z: Arlo Parks, Saint Harison und The Aces. Rufus Wainwrights Folkmusik-Fest zum 50. Geburtstag.


JAKE SHEARS

Last Man Dancing (Mute/PIAS)

Jake Shears dreht auf seinem zweiten Solo-Album die Zeituhr auf das Jahr 2006 zurück, als seine damalige Band Scissor Sisters mit «I Don’t Feel Like Dancing» einen Riesenhit landete und zur coolsten queeren Band der Pop-Welt wurde. Auf «Last Man Dancing» gibt sich Jake Shears dem schwulen Nachtfieber hin und lädt zur ultimativen Disco-House-Party ein. Das bunte Programm, zusammengestellt u.a. von DJs und Produzenten Boys Noize und Vaughn Oliver, umfasst ziemlich alles zwischen ABBA, Baccara, Bee Gees, George Michael, Prince und Gay-Underground-Disco. Unter den vielen Gästen figuriert auch Lieblings-Faghag Kylie Minogue. Der 44-jährige Künstler mit der unverwechselbaren Falsettstimme zielt direkt ins Herz einer durchtanzten Nacht und überzeugt auf der ganzen Linie.


ALISON GOLDFRAPP

The Love Invention (Skint/Warner)

Zwischen 2000 und 2017 spielte Sängerin Alison Goldfrapp mit Produzent Will Gregory sieben Studio-Alben ein, die unter dem Duo-Namen Goldfrapp erschienen. Das britische Electronica-Duo schaffte mühelos den Balance-Akt zwischen Synthie-Pop, Trip-Hop, Glam-Rock, Folk und Electro-Clash. 2023 bringt sich Alison Goldfrapp mit 57 Jahren als unterkühlte Disco-Queen wieder ins Spiel und erfindet sich neu auf dem Dancefloor. Ihr u.a von Richard X geschmackvoll produziertes Solo-Debüt «The Love Invention» ist ein hoch dosiertes Konzentrat an Disco-Ekstase, Euphorie und Hedonismus. Ja, auch die Ü55-Generation kann immer noch tanzen und Spass haben, wenn sie will.


LP GIOBBI

Light Places (Counter Records)

Leah Chisholm alias LP Giobbi stammt aus Oregon und lebt in Los Angeles. Die Pianistin, Produzentin, DJ und Aktivistin für Gender-Gerechtigkeit und Trans-Rechte in der Pop-Musik hat ein spannendes Dance-Album hervorgezaubert, das im Zeichen ihrer Lichtliebe, der Freundschaft und des Gemeinschaftssinns steht. «Light Places» verströmt Leichtigkeit, Sonne und Sommer aus allen Poren. Der Mix aus Piano House, EDM, Italo-Disco und Gast-Sänger*innen (u.a. Sofi Tukker, Caroline Byrne, Monogem und Little Jet) ist schlicht unwiderstehlich. Das dürfte Fans von Dance-Acts wie Odesza, Bicep oder Bonobo ganz gut gefallen.


SOPHIE ELLIS-BEXTOR

Hana (Douglas Valentine)

Mit Dance-Musik, genauer mit Hits wie „Groovejet“ und „Murder On The Dancefloor“, hat Sophie Ellis-Bextor um die Jahrtausendwende grosse Erfolge gefeiert. Und während der Corona-Pandemie hat die britische Sängerin ihre «Kitchen Disco»-Familienpartys via Instagram in die ganze Welt ausgestrahlt. Trotz einiger tanzbarer Songs hat ihr siebtes Album «Hana» nur am Rande mit Disco zu tun. Mit ihrem treuen Co-Songwriter und Produzent Ed Harcourt hat Sophie Ellis-Bextor vielmehr einen Sound kreiert, der unter die Kategorie melancholischer Indie-Pop im 80s-Synthie-Gewand fällt. «Hana» wurde von einer Japan-Reise inspiriert, die Ellis-Bextor unmittelbar vor dem Lockdown mit ihrer Mutter und ihrem ältesten Sohn unternahm.


MARCO MENGONI

Materia (Prisma) (Sony Music Italy)

Materia (Prisma) ist das dritte und letzte Kapitel der «Materia»-Trilogie von Marco Mengoni, dem diesjährigen Gewinner des Sanremo-Festivals bzw. Viertplatzierten am ESC. Der Song «Due Vite» wurde an beiden Veranstaltungen mit dem Preis für die beste Komposition ausgezeichnet. Zu Recht. Denn in den letzten zehn Jahren hat sich Marco Mengoni musikalisch und stimmlich positiv weiterentwickelt. Materia (Prisma) vereint Leichtigkeit, Engagement, emotionale Texte, eine Ausnahmestimme und Einflüsse aus Urban und EDM, wobei diese Elemente zu etwas Einzigartigem zusammengeschmolzen werden: zu grandiosem unvergleichlichem Italo-Pop.


CHRISTINE AND THE QUEENS

Paranoia, Angels & True Love (Virgin)

Zurück zu King Chris. Der nicht-binäre Sänger Chris hinter dem Projekt Christine & The Queens verabschiedet sich von der Macho-Figur Redcar, die auf dem letzten Album «Redcar les adorables étoiles (prologue)» eingeführt wurde. Bei der 90-minütigen Pop-Oper «Paranoïa, Angels, True Love» handelt es sich um die musikalische Verarbeitung von Tony Kushners epischem Theaterstück «Angels In America» über die AIDS-Krise in den 80er-Jahren. Chris und der Sound-Designer Mike Dean haben ein opulentes und grossartiges Electro-Synth-Pop-Musiktheater erschaffen. Auch Madonna, die Queen Of Pop in Person, leistet an mehreren Stellen ihre Spoken-Word-Beiträge und zementiert einmal mehr ihre Bedeutung für die queere Community. Ist sie etwa einer der amerikanischen Engel?


KESHA

Gag Order (Kemosabe/RCA/Sony)

Kesha entfernt sich vom kommerziellen Teenie-Pop ihrer Anfänge und erfindet sich neu. «Gag Order», produziert von Musikguru Rick Rubin mit Kesha als ausführende Produzentin, eliminiert den Unterhaltungsfaktor fast gänzlich. So persönlich und verletzlich hat sich Kesha bisher nicht gezeigt. Heute konzentriert sich die bisexuelle Kalifornierin vorwiegend auf mentale Gesundheit, die Kunst des Loslassens und Spiritualität. Die neuen Songs sind zum Teil schräg, experimentierfreudig und innovativ, aber stilistisch schwer einzuordnen. Ob folkig, akustisch, soulig, elektronisch oder bassbetont: mit «Gag Order» ist Kesha definitiv erwachsen worden. Jetzt ist der Moment gekommen, um sie als Künstlerin ernst zu nehmen.


ARLO PARKS

My Soft Machine (Transgressive/Rough Trade)

Auf ihrem zweiten Album «My Soft Machine» bestätigt die junge Engländerin die Anmut und den Zauber ihres erfolgreichen Debüts «Collapsed In Sunbeams». In ihren intimen Songwriter-Pop, der zwischen Bedroom-Pop, Indie und R&B oszilliert, tunkt Arlo Park nicht nur die Schwächen, Zweifel und Abhängigkeiten der Super Sad Generation ein, sondern auch ihre persönlichen Veränderungen. Mittlerweile hat sie die grauen Wolken von West London gegen die Sonne Kaliforniens eingetauscht, sich mit der Pop-Sängerin Ashnikko verlobt, aber auch ihren ersten Burnout erlitten. Vor allem der Ortswechsel hat sich auf ihre Musik ausgewirkt, die leichtfüssiger und abwechslungsreicher geworden ist.


SAINT HARISON

Lost A Friend (Tell Your Friends)

Der in Southhampton geborene und aufgewachsene Newcomer Saint Harison hat dank seinem unglaublichen Stimmvolumen und seiner sentimentalen Melodien die globale Aufmerksamkeit der queeren HörerInnenschaft schnell auf sich gezogen. Mit seiner Debüt-EP «Lost A Friend» kredenzt Saint Harizon sieben leidenschaftliche Songperlen zwischen R&B und Soul, deren Texte einen tiefen Einblick in seine emotionale Welt gewähren. Im dramatischen Track «why didn’t you call???» werden sich viele Menschen mit der Gefühlslage von Saint Harison identifizieren.


THE ACES

I’ve Loved You For So Long (Red Bull / Membran)

Die Schwestern Cristal (Gitarre, Gesang) und Alisa Ramirez (Schlagzeug), sowie ihre Schulfreundinnen Katie Henderson (Gitarre) und McKenna Petty (Bass) sind eine reine Girlband, die sich zu ¾ al queer identifiziert. Die jungen Damen stammen aus der Stadt Provo im frommen Bundesstaat Utah, deren magere Auswahl an Gay Clubs bereits zum Song-Thema gemacht wurde. Der Sound von The Aces ist auch auf ihrem dritten Album «I’ve Loved You For So Long» irgendwo zwischen bittersüssem Indie-Pop, New Wave, Synth-Pop und Alternative Rock anzusiedeln. Die Mädels haben hörbar Spass dran und verströmen trotz schweren Themen fast immer gute Laune.


RUFUS WAINWRIGHT

Folkocracy (BMG Rights/Warner)

Im Hinblick auf seinen fünfzigsten Geburtstag im nächsten Juli hat Rufus Wainwright seine Lieblingskolleg*innnen von Anohni, Brandi Carlile zu Chaka Khan im Studio versammelt und mit ihnen seine Lieblings-Folksongs eingespielt. Mit “Folkocracy” besinnt sich der US-kanadische Musiker nach Oper, Musical und Pop zu seinen familiären und musikalischen Wurzeln zurück. Wie es sich bei ihm gehört, wird der Begriff Folk ziemlich weit interpretiert. Neben den obligaten Traditionals befinden sich auch The Mamas & Papas «Twelve Thirty», Franz Schuberts «Nacht und Träume» und sogar sein eigener Klassiker «Going To A Town», Letzterer in einer atemberaubenden Version mit Anohni. Am Schluss gibt sich die ganze Wainwright-Folkocracy ein Stelldichein und das Banjo der 2010 verstorbenen Mutter Kate McGarrigle kommt ebenfalls zum Einsatz. Ein gelungenes Fest.


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Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
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