DJ Coreys MusikTipps Mai 2023

Everything But The Girl. Jessie Ware, Bebe Rexha, Lie Ning, Gjon’s Tears, Alma, Jonathan Bree, Tom Rasmussen, Lucky Love, Jordy, Joy Oladokun.

Die vertraute Reunion von Everything But The Girl. Disco für gehobene Ansprüche mit Jessie Ware. Bebe Rexha wird zur Hit-Maschine. Queerer Soul-Pop aus Berlin mit Lie Ning. Von der Schweizer ESC-Hoffnung zum eklektischen Pop-Star: Gjon’s Tears. Queer-Pop aus Finnland: Alma. Der maskierte Sänger aus Neuseeland: Jonathan Bree. Tom Rasmussens Beitrag für die Sichtbarkeit von trans*Menschen. Lucky Loves zärtlicher Kampf gegen toxische Männlichkeit. Jordys Brief an sein jüngeres Ich. Neue Soul-Folk-Perlen von Joy Oladokun.


EVERYTHING BUT THE GIRL

Fuse (Virgin/Universal)

Tracey Thorn und Ben Watt kehren nach 24 Jahren zurück und knüpfen exakt dort an, wo sie mit «Temperamental» aufgehört haben. Everything But The Girl, die ihren Namen dem Werbeslogan eines nordenglischen Möbelgeschäfts schulden, waren in den 80er-Jahren ein gediegener Soul-Folk-Pop-Act à la Sade oder Swing Out Sister, bis sie 1994 mit dem Welthit «Missing» auf den Elektro-Soul-House-Geschmack kamen. Die pulsierende Vorab-Single «Nothing Left To Lose» beamt dieses Gefühl des Verlorenseins und der Ungewissheit wieder in die Gegenwart. Auch auf den anderen Songs von «FUSE» streicheln EBTG die geneigte Hörerschaft mit sanften Beats, Trip-Hop-, Elektronik- und Dance-Rhythmen. Alles ist so vertraut, aber gleichzeitig so neu.


JESSIE WARE

That! Feels Good! (EMI/Universal)

Für die britische Sängerin und Songwriterin läutete das 2020 veröffentlichte vierte Album «What’s Your Pleasure» eine äusserst angenehme Kehrtwende zur queeren Club-Kultur aus den 70er, 80er und 90er Jahre ein. Auf «That! Feels Good!» konsolidiert Jessie Ware ihren Ruf als elegante Disco-House-Queen und offeriert ein Set mit gediegenen, stilvollen und gehobenen Dance-Juwelen. Durch die Zusammenarbeit mit Stuart Price konnte Jessie Ware im Studio in das gleiche Mikrophon singen, das Madonna für die Aufnahmen ihres Kultalbums «Confessions On A Dance Floor» verwendete. Und wie Madonna, strahlt Jessie Ware pures Disco-Glück aus.


BEBE RHEXA

Bebe (Warner)
Bebe Rexha ist eine US-amerikanische Pop-Künstlerin albanischer Abstammung, die sich in den letzten Jahren mit Pop-, Country- und Dance-Songs einen Namen gemacht hat. Nach dem Flop ihres Albums «Better Mistakes» geht Bebe Rhexa in die Offensive und schmettert auf «Bebe» einen Hit nach dem anderen. Die Europop-Hymne «I’m Good (Blue)» mit David Guetta hat bereits alle Rekorde gebrochen. Mit dem 70s-inspirierten „Heart Wants What It Wants” wandelt Bebe Rhexa auf Miley Cyrus Spuren. Die treibende House-Nummer «Call On Me» lehrt Dua Lipa und Lady Gaga das Fürchten. Der Track «Satellite» mit Snoop Dog als Gast ist eine sexy Disco-Hymne über die Jagd nach dem nächsten Höhepunkt. Und das nette Duett mit Country-Queen Dolly Parton bildet den krönenden Abschluss.


LIE NING

Utopia (Neubau / The Orchard)

Lie Ning, Kind einer deutschen Mutter und eines togolesischen Vaters, ist in einer Berliner Künstlerkommune aufgewachsen. Auf seinem Debüt «Utopia» erzählt er auf einem sanften R&B-Pop-Teppich seine Geschichten von queerer Liebe, Akzeptanz und schwulem Nachtleben. Lie Ning schafft somit mehr Visibilität für schwarze und queere Personen im deutschsprachigen Musikraum. Seine Songs haben unbestrittenermassen internationales Format, nicht zuletzt dank seiner unglaublichen samtenen Stimme, die sofort an Anohni oder Antony Hegarty erinnert.


GJON’S TEARS

The Game (Jo&Co)

Der Greyerzer Sänger Gjon’s Tears wurde vor vier Jahren bei der französischen Version von «The Voice» entdeckt. Mit seinem fulminanten Auftritt am Eurovision Song Contest 2021 mit der Ballade «Tout l’univers» hat er der Schweiz einen stolzen dritten Platz beschert. Vor einem Jahr hat sich der Greyerzer nach Paris begeben, um an seinem ersten Album zu arbeiten. Auf «The Game» stellt Gjon’s Tears seine wandlungsfähige und wunderbar gefühlvolle Stimme in den Vordergrund. Er beherrscht alles, von den tiefen Tönen bis zu seinem berühmten Falsett und fühlt sich in verschiedenen Stilrichtungen von Drama-Pop zu Disco pudelwohl.


ALMA

Time Machine (PME Records / Sony)

Trotz eines mageren fünften Platzes bei der finnischen Version von DSDS schaffte ALMA 2016 den Sprung in die Popindustrie. Auf ihrem Debüt «Have U Seen Her» (2020) hat die 27-Jährige mit langem grünem Haar und Punk-Attitüde gegen gängige Schönheitsideale gekämpft. Auf «Time Machine» ist ALMA inzwischen erwachsen geworden. Sie trägt nicht nur eine rote Kurzhaarfrisur, sondern wird persönlich und verletzlich. ALMA sucht das Versöhnliche für ihre sanfte Pop-Revolution. Die neuen Songs wirken wie ein Konzentrat der letzten fünfzig Jahre Scandinavian Pop, von ABBA, A-ha über Roxette, Ace Of Base bis Robyn. Es ist klar, dass Enthusiasmus und Melancholie auch bei ALMA oft nah beieinander liegen. Diesmal aber aus queerer Sicht.


JONATHAN BREE

Precode Hollywood (Lil’ Chief / Cargo)

Jonathan Bree liebt das Mysteriöse und das Geheimnisvolle. Der neuseeländische Dandy tritt stets mit Glam-Rock-Perücke und einer undurchsichtigen weissen Spandex-Maske auf. Damit wirkt er wie eine Figur aus einer Pantomime oder einem Film Noir. Seine Musik ist aber alles andere als gesichtslos. Allein seine dunkle Baritonstimme à la Scott Walker oder Dave Gahan löst Freudetränen aus. Auf seinem fünften Album «Precode Hollywood» hat Jonathan Bree zudem die dramatischen Orchestrierungen aus der Vergangenheit gegen Synthie-Pop-Klänge mit New-Romantic-Flair und Disco-Melancholie eingetauscht. Diese Mischung hat auch den Disco-Titan Nile Rodgers angetan, der seine Funk-Gitarre für zwei Songs beigesteuert hat.


TOM RASMUSSEN

Body Building (Globe Town Records)

In der britischen LGBTQI-Community ist Tom Rasmussen kein unbeschriebenes Blatt. Der nicht binäre Star mit Pronomen “They / Them” ist für seine Kolumnen in Zeitungen wie z.B. the Guardian und the Independent bekannt und kann auf eine zehnjährige Karriere als Drag Queen zurückblicken, die sie im eigenen Roman «Diary of a Drag Queen» verarbeitet haben. Tom Rasmussen ist bereits im Vorprogramm von queeren Acts wie Rina Sawayama und Self Esteem aufgetreten. Das Debütalbum «Body Building» ist also eine logische Folge davon. Tom Rasmussen kombiniert House, Pop und elektronische Einflüsse mit den wichtigen Themen Geschlechtsidentität, Selbstentfaltung und das Ringen um Akzeptanz in einer Gesellschaft, die Diversität oft nicht versteht oder nicht schätzt. «Body Building» ist ein absolutes Fest für alle queere Menschen.


LUCKY LOVE

Tendresse – EP (Belem Music / Turenne Music)

Als Mitglied der LGBTQ+ Community lässt der Belgier Luc Bruyère alias Lucky Love auch deren Anliegen und Themen in seine Kunst einfliessen. Nach diversen Erfahrungen als Tänzer, Schauspieler, Model und Regisseur macht Lucky Love mittlerweile auch Musik. In seinen Songs und Videos setzt sich der vielseitige Künstler mit dem Begriff der Männlichkeit auseinander und kommt zum Schluss, dass Männlichkeit ohne Weiblichkeit nicht existieren kann. Mit “Masculinity” ist ihm eine Hymne gegen toxische Männlichkeit gelungen.
Die anderen Songs auf seiner EP «Tendresse» oszillieren zwischen Electro-Pop und Chanson, zwischen James Blake, Woodkid und Stromae. Auf « J’veux d’la tendresse » fordert Lucky Love nach mehr Liebe und Respekt.


JORDY

BOY (Entertainment)

Das zweite Album des schwulen Pop-Sängers und Songwriters aus Los Angeles ist wie ein persönlicher Brief an sein jüngeres Ich konzipiert. Auf «BOY» vertont JORDY Freud und Leid eines 28-jährigen schwulen Mannes, der an einem emotionalen Scheideweg angekommen ist. Die 12 Songs sind das Resultat von eineinhalb Jahren Psychotherapie-Sitzungen. Das Album ist vielschichtig, introvertiert, ernst und dennoch verspielt. Besonders stolz ist JORDY auf seine schwule Version des Songs «Story Of A Girl», der im Original von der New Yorker Rock-Band Nine Days stammt und neu «Story Of A Boy» heisst.


JOY OLADOKUN

Proof Of Life (Amigo Records, Verve Forecast)

Die US-Amerikanerin mit nigerianischen Wurzeln hat sich 2021 mit ihrem Album «In Defense Of My Own Happiness» in das Herz vieler Folk-Pop-Konsument*innen eingeschlichen. Ihr grosser Verdienst ist es natürlich, wie sie Themen wie Trauer, Politik und das soziale Leben in Amerika aus der Perspektive einer queeren, schwarzen Frau beleuchtet. Auf «Proof Of Life» begibt sich Joy Oladokun mit 13 therapeutischen Liebes- und Protestsongs auf der Suche nach Hoffnung und kommt ihrem Ziel, den schwarzen, queeren Bruce Springsteen zu werden, noch ein Stück näher.


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Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
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