Prinz liebt Feuerwehrmann

«Fogo-Fátuo (Irrlicht)» ab 20. April im Kino

Ist «Fogo-Fátuo» ein Musical, eine Komödie, ein Fantasy- oder ein Science­Fiction-Film? Das neue Werk des portugiesischen Regisseurs João Pedro Rodrigues ist sicher feurig, fantastisch und eine wunderbare Liebesgeschichte zwischen einem blonden Prinzen und einem schwarzen Feuerwehrmann.

Am Freitag 21. April um 20.30 Uhr findet im Kino Rex Bern eine Vorpremiere von «Fogo-Fátuo» in Anwesenheit des Regisseur João Pedro Rodrigues statt.

João Pedro Rodrigues wurde 1966 in Lissabon geboren. Im Alter von acht Jahren schenkte ihm sein Vater ein Fernglas – und João Pedro beschloss, Ornithologe zu werden. Später studierte er zunächst Biologie, wechselte dann aber zum Filmstudium. Seine Passion für die Vogelkunden hat er dann 2016 im Film «Der Ornithologe», wieder aufgenommen, der in Locarno Weltpremiere feierte und mit dem Silbernen Leoparden für die Beste Regie ausgezeichnet wurde. In Rodrigues’ Filme sind meist Schwule die Hauptfiguren, was im portugiesischen Film bis dato eher selten vorkam. Er gilt auch als einer der Hoffnungsträger für den jungen europäischen Film, insbesondere des schwul-lesbischen Kinos. Seit seiner Weltpremiere in Cannes (Quinzaine) wird Rodrigues’ meisterhafte filmische Fantasie «Fogo-Fátuo (Irrlicht)» weltweit auf Festivals gefeiert – und irrlichtert jetzt auch durch die Schweiz.

 

Fogo-Fátuo – Eine Queere Musical-Farce

Wir schreiben das Jahr 2069. Auf dem Sterbebett erinnert sich der ehrwürdige Regent Alfredo, König ohne Krone, an seine ausschweifende Jugend als Feuerwehr Lehrling. Die Begegnung mit seinem Ausbilder Afonso entzündete damals eine leidenschaftliche Liebe – und den gemeinsamen Willen, den Status quo zu verändern. «Fogo-Fátuo (Irrlicht)» ist ein perfekt choreografierter Liebestanz mit sexy Feuerwehrmänner in Jockstraps und einem Baum­-Penis­-Memory gegen den Flächenbrand. Der neue Film des Kultregisseurs João Pedro Rodrigues ist eine wunderbar wilde Mischung aus Musical, Folklore, Fantasy, Postcolonial Study und queerer Erweckungsgeschichte im Zeichen des Umweltschutzes – also ganz grosses Kino!


João Pedro Rodrigues

Im Gespräch mit João Pedro Rodrigues

Der portugiesische Titel das Film ist «Fogo-Fátuo», was 1:1 übersetzt fantastisches Feuer heisst, aber eben auch «Irrlicht» bedeutet. Was hat es mit dem Filmtitel auf sich?
Das ist ein ziemlich mysteriöser Titel. Er lässt an das Phantastische denken, vermittelt aber auch das Gefühl von Flüchtigkeit. Der Titel sagt nichts über den Film aus und doch gleichzeitig alles! Mir gefällt die Idee, dass das «Irrlicht» sowohl gespenstisch als auch physisch real ist, da es sich um ein chemisches Phänomen handelt, das tatsächlich existiert und das den Menschen in der Vergangenheit Angst bereitet hat, weil sie nicht wussten, was es war. Der Titel symbolisiert die sehr starke Verbindung zur Fantasie und auch zur Wirklichkeit, die den gesamten Film durchzieht.

«Irrlicht» ist ein Genre-Mix aus Musical, Folklore, Fantasy und queerer Erweckungsgeschichte mit einem komödiantischen Touch.
Ich wollte unbedingt eine Komödie machen. Ich hatte mich dem Genre schon mit «To Die Like a Man» genähert. Comedy ist das schwierigste Genre, wenn man es richtig machen will, und es ist ein Genre, das mich sehr anzieht. «Irrlicht» ist eine Komödie und ein Musical, aber die Bezeichnung, die am besten zu meinem Film passen würde, wäre «Fantasy», da er sehr einer Träumerei ähnelt. Der Film greift sehr konkrete Themen auf, und doch beginnt er wie ein Science­Fiction­Film, da wir uns im Jahr 2069 befinden. Das macht meine Herangehensweise an das Komödiengenre etwas unkonventionell.

Inwiefern?
Es erlaubt mir, Fragen zu stellen, wie Menschen sich selbst sehen und wie sie denken, dass andere sie sehen. Der Fantasy­Ansatz gibt mir die Möglichkeit, auf vermeintlich erhabene Weise ganz grundlegende Fragen zur Suche nach der eigenen Identität zu stellen, die für uns alle so einzigartig und persönlich ist.

Kannst Du uns etwas über die Auswahl der Songs und die Entstehung der Choreografie des Films erzählen?
Da ist die ganz offensichtliche Wahl des Songs mit dem Titel «Preto no Branco (Black on White». Der Film erzählt eine Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Männern, die alles voneinander trennt und die sich deshalb niemals hätten begegnen dürfen, und er erzählt auch von einem gewissen Ideal, das uns eine mögliche Zukunft in Portugal vorstellen lässt, beispielsweise mit der Wahl eines PoC und Muslims als Präsident. «Black on White» meint im Film einen jungen Weissen und einen jungen Schwarzen, die sich lieben. Der Song ermöglichte es mir, Liebe auf ungewöhnliche Weise zu zeigen, mit einer Prise Humor. 

Warum hast Du das Jahr 2069 als Zukunft gewählt?
2069 ist natürlich eine augenzwinkernde Anspielung auf 1969, das Jahr der Erotik. Ich dachte, es wäre lustig für alle, die den Song von Serge Gainsbourg kennen. Wenn man 2069 auf der Leinwand sieht, erzeugt das eine gewisse Stimmung. Die Komödie beginnt. Wenn das Datum verschwindet, der Schatten erscheint und das Geräusch eines vorbeifliegenden Raumschiffs zu hören ist, geht es in einem nicht besonders ernsthaften Tonfall weiter.

Dein Film wirft auch die Frage nach intimen Erinnerungen auf.
Mein Film ist ein «Ich erinnere mich». Ich erinnere mich, wie ich glücklich war, wie ich vielleicht die grosse Liebesgeschichte meines Lebens erlebt habe, als ich jung war, auch wenn ich in einer Welt gelebt habe, die bereits von grossen Bedrohungen durchdrungen war – denn der junge Prinz weiss ja ganz genau, was in unserer heutigen Welt passiert, so wie er sich auch bewusst ist, dass er singen und tanzen will. Auch in dieser Hinsicht ist «Irrlicht» eine Musical­-Komödie, die mit Fröhlichkeit und Leichtigkeit von ernsten Themen erzählt.

Weshalb ist eine der Hauptfiguren ein Prinz?
Das kommt von den Märchen, die auch voller Prinzen und Prinzessinnen sind, und von den Liebesgeschichten zwischen den Prinzessinnen und Prinzen, die diese retten. Die Welt meines Films ist die eines verliebten Prinzen und seiner Romanze mit einem jungen Schwarzen. Die Tatsache, dass er PoC ist, ermöglicht es mir, zu Beginn des Films zu zeigen, dass die Verwandten des Prinzen zwar ziemlich engstirnig sind, der Prinz selbst aber ein junger Mann unserer Zeit ist. Er sehnt sich nach Liebe und findet sie an einem für ihn unerwarteten Ort – der Feuerwehrwache, wo er hofft, ein Feuerwehrmann zu werden. Es ist Liebe auf den ersten Blick, mit dem ersten Händedruck! Da passiert etwas zwischen den beiden, etwas Physisches. Es ist mir sehr wichtig, von Liebe in ihrer ätherischen und romantischen, aber auch ihrer körperlichen Dimension zu erzählen.

Es ist mir sehr wichtig, von Liebe in ihrer ätherischen und romantischen, aber auch ihrer körperlichen Dimension zu erzählen.

Die körperliche Nähe ist ein entscheidender Teil des Films. Der Prinz lernt, auf natürliche Weise, mit Menschen zu kommunizieren, die nicht seine Verwandten sind.
Im Film gibt es zwei unterschiedliche Welten. Der Prinz kommt aus einer förmlichen, aristokratischen Welt und trifft plötzlich auf Feuerwehrleute, die aus ganz unterschiedlichen sozialen Verhältnissen stammen. Es ist ein bisschen wie damals, als es noch die Wehrpflicht gab und alle Gesellschaftsschichten zusammengebracht wurden. Mir war es wichtig zu zeigen, dass die Feuerwache ein demokratischer Raum ist.

Wie ist das mit der Nacktheit?
Der Prinz sieht sich plötzlich mit Menschen konfrontiert, die sich nicht scheuen, ihre Körper zu zeigen. Ich habe mit dem Verweis auf den Feuerwehrkalender gespielt, für den sie leicht bekleidet fotografiert werden. Ich ging sogar noch weiter, indem ich die Schauspieler:innen bat, wie für einen Kalender zu posieren, aber auch die Körperhaltungen von Personen nachzuahmen, die in klassischen Gemälden zu finden sind. Ich wollte, dass das Publikum beim Betreten der Feuerwache versteht, dass diese Feuerwache etwas Besonderes ist! Eine märchenhafte Feuerwache!

Du filmst Körper, die alle verschieden und doch gleichgestellt sind …
Ich wollte ein demokratisches Ballett! Ich habe Tänzer:innen mit unterschiedlichen Körperformen gesucht, denn ich wollte nicht nur klassisch schöne Körper, sondern ein Ensemble von Körpern, die sich nicht alle ähneln.

Wie der Körper der Feuerwehrchefin?
Die Feuerwehrchefin ist wunderbar. Dank ihr konnte ich wieder mit Klischees gegen Klischees spielen. Erst einmal denken die Leute nicht an eine Frau als Leitung einer Feuerwache. Und dann hat die Schauspielerin, die die Rolle spielt, Cláudia Jardim, diese wundervollen, roten Haare. Die Darstellung des Feuers ist Teil ihres Wesens! Sie hat auch diese stets aktive, feurige Art, und Cláudia bringt ihre schiere physische Kraft in die Figur ein. Ich dachte sofort, sie würde die beste Feuerwehrchefin der Welt abgeben.

Nacktheit in deinen Filmen bedeutet auch, die körperliche Liebe vollständig zu filmen. Wie bist Du an den Dreh von Sexszenen in «Irrlicht» herangegangen?
Von dem Moment an, als ich mit dem Filmemachen anfing, war es mir immer wichtig, nie zu zögern, so weit wie nötig zu gehen. Ich war immer überzeugt, dass das Liebesspiel gefilmt werden kann. Ein Körper umfasst viele Teile. Da gibt es keine Hierarchie. Du kannst alles zeigen. Man braucht eine gewisse Respektlosigkeit, darf nicht zu brav sein, beim Filmemachen – und nicht nur dort. Wenn es Sexszenen gibt, müssen auch sie respektlos inszeniert werden, um einen Film zu machen, der nach Innovation strebt. 

Was war für dich neu bei diesem Film?
Ich mag die Idee nicht, immer wieder denselben Film zu machen. Ich rede mir immer wieder ein, dass man den vorherigen Film vergessen muss, um zum nächsten übergehen zu können, obwohl man gewiss bewusste oder unbewusste Korrespondenzen zwischen meinen Filmen finden wird! Das Neue für mich war: «Irrlicht» ist ein Film, in dem es viel Dialog gibt. Früher habe ich hauptsächlich Filme gemacht, in denen die Figuren allein sind, aber hier gibt es fast 30 Rollen! Es war eine tontechnische Herausforderung und ein reines Vergnügen!


Fogo-Fátuo – Irrlicht

ein Film von João Pedro Rodrigues
Portugal/Frankreich 2022
67 Minuten, portugiesische Originalfassung mit deutschen Untertiteln

Cast
Mauro Costa, André Cabral, Margarida Vila­Nova, Miguel Loureiro, Joel Branco, Oceano Cruz

Kinostart: 20. April 2023

 

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