Wenn Mann rosa trägt

«BEING PINK AIN'T EASY» am 28. und 29. April in der Grossen Halle, Reitschule

Rosa für die Mädchen, Hellblau für die Buben. So bestimmt es die Marktwirtschaft. Es war ausgerechnet die hypermaskuline US-Rap-Welt, die Rosa bei Männern zum Trend erklärte und damit bewies, dass eine feminine Farbe dem männlichen Image nicht schaden kann. Die Choreografin Joana Tischkau und der Tänzer Rudi Natterer zeigt die Zerbrechlichkeit und Machtmechanismen auf, die sozialen Konstruktionen zugrunde liegen.

2002 trug der Rapper Cam’ron im Musikvideo zu «Hey Ma» ein rosafarbenes Bandana unter einem rosa abgesetzten Cap, passend zum rosa Velours-Tracksuit. Die US-Rap-Welt, sonst von performativer Hypermaskulinität durchtränkt, kam nun weich, plüschig und pink daher. Dieser Trend erreichte schnell die Laufstege europäischer Metropolen, hatten doch Afro-Amerikanische Rapper, welche rassifizierte Zuschreibungen von Heterosexualität, Hypermaskulinität und Aggressivität perfekt verkörperten, bewiesen, dass die feminin vergeschlechtlichte Farbe ihrem Image nicht schaden konnte.

Dieser bedeutungsvolle Moment in der Geschichte der Medien dient als Grundlage für das tänzerische Solo Rudi Natterers im Stück «BEING PINK AIN’T EASY» der Choreografin Joana Tischkau. Das Werk zeigt die Zerbrechlichkeit und Machtmechanismen auf, die sozialen Konstruktionen zugrunde liegen. Es setzt sich mit dem unaufhörlichen weissen Verlangen nach schwarzen Ausdrucksformen auseinander, wobei Künstlerinnen und Künstler neben ihrer Musik auch ihre Körperlichkeit als konsumierbare Konzepte für die Konstruktion des eigenen Selbst zur Verfügung stellen. Schwarze Ästhetik wird durch kapitalistische Vermarktungslogiken zu einer für jeden zugänglichen performativen Maske. Greg Tate beschreibt in «Everything but the Burden – What white People are taking from Black Culture» Hip Hop als ästhetisches Nebenprodukt der amerikanischen Traum-Maschinerie, des Konsumkapitalismus und der unterschwelligen Verführung. Die Kunstfigur Eminem verkörpert dabei die präziseste Ausformulierung dieser Traditionslinie mit US-amerikanischen avantgardistischen Künstlerinnen und Künstlern seit den 20er und 30er-Jahre. BEING PINK AIN’T EASY macht durch den Titel auf die Konstruktion der Hautfarbe als machtwirksamstes Symbol aufmerksam, wobei Weiss-sein als Symbol nicht explizit benannt wird. Die Bühnenfigur, der White N*, erfährt in BEING PINK AIN’T EASY eine Hyper-Markierung: Sein Pink-Sein konfrontiert ihn mit der schwer auszuhaltenden Tatsache, ein Profiteur der weissen Matrix zu sein. Das Werk untersucht die Ambivalenzen zwischen den Abwehrmechanismen wie «white fragility» (Robin DiAngelo) und Formen kultureller Aneignung.

Choreografin Joana Tischkau und Tänzer Rudi Natterer

Joana Tischkau ist eine Choreografin und Performerin. Ihre tänzerischen Erfahrungen umfassen Auftritte in Jugendzentren, Hip-Hop-Clubs, Discos, semi-professionellen Kontexten und Tanzschulen. Sie erwarb ihren Bachelor in Tanz und Schauspiel an der Coventry University in Grossbritannien und ist derzeit eingeschrieben in einem Masterstudiengang für Choreografie und Performance am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Frankfurt. Ihr Ziel ist es, soziale urbane Tanzpraktiken, Popkultur, intersektionellen Feminismus und postkoloniale Theorien in ihre künstlerische Arbeit zu integrieren. Sie arbeitet auch in der Theater- und Tanzpädagogik mit Geflüchteten und deutschen Jugendlichen und befasst sich dabei mit Fragen nach anti-rassistischer Praxis und der Suche nach entsprechenden Formaten.

Rudi Natterers Körperbewegungen wurden von verschiedenen Einflüssen geprägt, darunter Capoeira, Contact Improvisation und Basketball. Als er 21 Jahre alt war, entdeckte er den zeitgenössischen Tanz und wurde schnell zu einem engagierten Schüler und Praktizierenden. Er absolvierte Ausbildungen an der Tanzfabrik Berlin und später am SEAD in Salzburg und arbeitet nun weltweit als freischaffender Tänzer. Der zeitgenössische Tanz ist für Rudi nicht nur ein Weg, sondern auch ein Labor und ein Lehrer.


«BEING PINK AIN’T EASY»

Freitag, 28. und Samstag, 29. April
20 Uhr Grosse Halle, Reitschule Bern

Von und mit
Choreografie: Joana Tischkau
Performance: Rudi Natterer
Sound Design: Frieder Blume
Dramaturgie & Künstlerische Mitarbeit: Nuray Demir & Elisabeth Hampe
Kostüm: Nadine Bakota
Kostümprint: Justus Gelberg
Bühne: Inga Danysz
Licht: Juri Rendler
Produktionsleitung: Lisa Gehring
Eine Produktion von Joana Tischkau.

Infos und Tickets: schlachthaus.ch

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