Wohin geht die Reise?

hab queer bern Beratung

Ende August 2022 zog sich hab queer bern aus der LGBTIQ-Helpline zurück. Diverse Rücktritte von Berater*innen konnten nicht in nützlicher Frist kompensiert werden. Die Beratungen im Rahmen der Helpline waren jahrelang einer der Schwerpunkte des Ressorts Beratungen/Queer-Networking. Nun fällt dieses Engagement weg, und man kann sich die berechtigte Frage stellen: Was nun?

Wir bewegen uns in einer schnelllebigen Zeit. Da sind soziale Medien, das Internet und eine Gesellschaft, die zwar in Sachen Queerness noch lange nicht da ist, wo sie sein sollte, aber immerhin auf einem besseren Weg als auch schon. Wer Informationen sucht, bekommt sie in Sekundenschnelle – auch über LGBTIQ+Themen.

Ist es da überhaupt noch notwendig oder zeitgemäss, als queere Organisation Beratungen anzubieten? Und, wenn ja, in welcher Form sollte das der Fall sein? Als verantwortliche Person des Ressorts habe ich mir genau diese Fragen gestellt. Und ich habe mir nach dem Austritt von hab queer bern aus der Helpline Zeit genommen, alle Pros und Kontras abzuwägen. Und das Resultat war immer dasselbe: Nichts, rein gar nichts, kann ein persönliches Gespräch ersetzen! Dazu braucht es aber Orte oder Möglichkeiten, solche Gespräche führen zu können, und Menschen, die bereit sind diese Gespräche auch zu führen.

Nichts, rein gar nichts, kann ein persönliches Gespräch ersetzen!

Der Kanton Bern ist gross, und hab queer bern kann unmöglich den gesamten Bereich abdecken. Ok, es gibt das «queer eat and meet» in der Villa Bernau, es gibt diverse Gesprächsgruppen – alle auf der Homepage aufgelistet – aber all das ist mehr oder weniger beschränkt auf die Stadt Bern. Bliebe eigentlich nur noch eine Beratung per Mail für all diejenigen, für die die Stadt zu weit weg ist. Und telefonische Beratung? Da gäbe es ja die Helpline, nur die wird nicht mehr von Berner Berater*innen bedient …

Gut ist, mein Ressort beinhaltet neben Beratungen auch Queer-Networking. Und genau da sehe ich eine mögliche Lösung. Mit QueerBienne, QUEER THUN und Queer Mittelland gibt weitere drei Organisationen im Kanton, die eigentlich dieselben Interessen haben wie unser Verein. Die Rechtsberatung hat hab queer bern schon länger ausgelagert, was Sinn macht, weil es da entsprechende Experten braucht, und es gibt für gesundheitliche Fragen ja auch noch den Checkpoint.

Das heisst, es gilt einerseits Synergien zu nutzen, andererseits dem Bereich Beratungen innerhalb unseres Vereins eine neue Struktur zu geben. Die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen im Kanton, und wie erwähnt die Nutzung von Synergien, ermöglichen ein weitgehend flächendeckendes Angebot für Interessent*innen im ganzen Kanton. Davon profitieren alle.

Bewährtes soll nicht hinterfragt werden, kann aber ergänzt oder optimiert werden.
Es gibt im Moment Angebote für schwule, trans und intergeschlechtliche Menschen. Warum nicht, noch queerer, auch für non-binäre, evtl. auch wieder für lesbische, oder andere Menschen im gesamten LGBTIQ+Spektrum? Vielleicht sollte auch die altehrwürdige Mailadresse für Beratungen reaktiviert werden?

Die Gruppen könnten selbstverwaltend sein, und hab queer bern oder andere Organisationen verlinken die Angebote, um sie möglichst weit zu streuen. Der Möglichkeiten sind viele, der Ideen in meinem Kopf auch. Ob alle so umsetzbar sind, weiss ich nicht, aber wenn ich es nicht versuche, dann werde ich es auch nie wissen …

Urs Vanessa Sager
Beratung und Queer-Networking


Die LGBTIQ-Helpline

Bereits in den Gründungsjahren unseres Vereins war klar, dass die HAB eine telefonische Beratungsstelle anbieten sollten – als Release – also als Auffanghilfe für Schwule in seelischer Notlage. Realisiert wurde diese Beratungsstelle allerdings erst 1989.

Rund zehn Jahre später entstand dann die Idee, die Beratung der einzelnen Homosexuel- len Arbeitsgruppen zu vernetzen. Daraus entstand im Februar 1998 die RainbowLine. Nach der Umbenennung in LGBT-Helpline und der Erweiterung zur Meldestelle für Hate Crimes erfolgte im letzten Jahr die Umbenennung in LGBTIQ-Helpline.

Die LGBTIQ-Helpline ist eine Peer-to-Peer-Beratungsstelle und die Meldestelle für queer- feindliche Gewalt. Das Beratungsangebot richtet sich an alle Menschen, welche Fragen und Anliegen zum LGBTIQ-Lebensumfeld haben – egal, welche sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität sie selbst haben. Alle Berater*innen sind selbst LGBTIQ. Sie haben sich mit ihrer eigenen sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität und ihrer angeborenen Variation der Geschlechtsmerkmale auseinandergesetzt, ein Coming-out durchgemacht und wissen, wovon die Ratsuchenden sprechen oder schreiben.

lgbtiq-helpline.ch

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