«Simon, wie schreibt man ein Buch?»

José Kress im Gespräch mit Simon Froehling

Unser Autor José Kress möchte Schriftsteller werden. Doch wie schreibt man ein Buch? Wie läuft das genau ab? Am besten man fragt einen Autor, der Erfahrung hat. Also sprach er mit Simon Froehling, der mit seinem Roman «Dürrst» für den Schweizer Buchpreis 2022 nominiert wurde.


Am Dienstag, 7. Februar, 20 Uhr liest Simon Froehling im Orell Füssli in Bern aus «Dürrst».


Ich habe mich mit dem Schreiben auseinandergesetzt und mir diverse Fragen dazu gestellt. Aus diesem Grund wollte ich mit Simon Froehling, Autor des Romans «Dürrst», ein Interview machen. Ich wollte Antworten zu einigen meiner Fragen. Das Interview fand online statt. Sympathisch und bodenständig erschien Simon Froehling auf dem Bildschirm. Das Interview konnte beginnen:

Beim Schreiben setze ich mich mit verschiedenen Fragen auseinander. Diese Fragen befinden sich auf unterschiedlichen Ebenen. Einige davon sind eher praktischer Natur: Wie schreibt man ein Buch? Wie lief das bei dir mit «Dürrst»?

Die Figur des Dürrst erschien mir schon vor über zehn Jahren. Damals hatte ich ein Schreibatelier von der Stadt Zürich, das abbrannte. Da habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn ich anstatt Schriftsteller bildender Künstler wäre und alles verloren hätte – meine Werke, mein Archiv. Als ich Jahre später meine Diagnose der bipolaren affektiven Erkrankung erhielt, beschäftigte ich mich eingehend damit und stellte mir Fragen bezüglich des Stellenwerts des Scheiterns in einer Künstlerbiografie. So entstand schlussendlich mein neuer Roman.

Zu deiner Frage nach dem Praktischen: Ich etablierte eine regelmässige Schreibpraxis, was konkret bedeutet, dass ich mich jeden Morgen hinsetze, um ein, zwei Stunden zu schreiben. Die Arbeit an «Dürrst» fiel in die beiden Lockdowns, die mir sehr viel zusätzliche Zeit bescherten, auch für die Recherche.

Du hattest also nicht schon von Anfang an eine klare Idee über was du schreiben möchtest?

Nein, ich habe mehrere Ideen ineinander verwoben, die in unterschiedlichen Zeitperioden entstanden. Das heisst, meine persönlichen Erlebnisse haben sich mit denen von Andreas Durrer, dem Protagonisten in «Dürrst», verflochten. Ich finde deshalb den Begriff Autofiktion sehr passend. Schlussendlich ist es ein Roman. Hauptsächlich wollte ich mich mit dem Scheitern auf einer künstlerischen und persönlichen Ebene auseinandersetzen. Ausserdem war mir klar, dass ich mich mit dem Thema der psychischen Gesundheit auseinander setzen wollte, denn in der Schweiz und spezfisch in LGBTIQ-Community steht es um diese relativ schlecht.

Ich arbeite vor allem früh morgens, weil ich dann unzensiert schreiben kann.

Was ich beim Lesen wahrnehmen konnte, war die psychische Krankheit. In deinem Schreibstil konnte ich Verwirrung herauslesen. War das absichtlich? Hast du dir im Vorfeld Überlegungen gemacht?

Ja, ich stellte mir natürlich auch konzeptuelle und stilistische Fragen: Wie kann ich das, was Dürrst wiederfährt, auch sprachlich rüberbringen? Ich arbeite vor allem früh morgens, weil ich dann unzensiert schreiben kann. In der ersten Phase ist es bei mir eher ein intuitives Schreiben und beim zweiten Schritt schaue ich, was funktioniert, was gestrichen und was angepasst werden muss. Das heisst, zuerst ungefiltert und danach mit der rational, analytischen Brille.

Das war jetzt alles auf einer eher praktischen Ebene. Ich wollte noch gerne auf die kreative Ebene kommen. Bist du immer inspiriert?

Auf die Inspiration zu warten, ist keine gute Idee. Ein Roman bedeutet viel Arbeit, man braucht auch einiges an Disziplin. Es gibt zwar diese schönen, inspirierten Momente, aber die kommen eher selten.

Und wie emotional darf man werden? Wie erkennt man, wenn es zu viel wird?

Bei mir läutet relativ oft ein Melodrama-Glöckchen, das mir sagt: Jetzt musst du aufpassen, nicht in die Kitsch-Falle zu tappen. Mein Roman war zuerst länger. Mit meinem Lektor habe ich dann ausgemistet, um es salopp zu sagen. Ich bin der Meinung, dass jeder Text aus sich heraus ‘weiss’ oder zu erkennen gibt, was er sein möchte. Ich versuche mich da zurückzunehmen und dem Text zu vertrauen.

Bei mir läutet relativ oft ein Melodrama-Glöckchen, das mir sagt: Jetzt musst du aufpassen, nicht in die Kitsch-Falle zu tappen.

Du zeigst eine relativ sexualisierte Schwulenszene. Wieso?

Sex verbindet Menschen, besonders in der schwulen Szene. So erlebe ich das in Zürich, wo ich lebe. Das ist einerseits schön, bringt andererseits aber auch einige Probleme mit sich — oft auch psychische. Denn Sex kann zur Flucht werden, gar zur Sucht. Aber der schwule Sex hat auch etwas Politisches – wir musste dafür kämpfen, dass er entkriminalisiert wurde. Diesen Aspekt wollte ich nicht weglassen.

Wieso glaubst du, wurdest du für den Schweizer Buchpreis nominiert?

Diese Frage müsstest du der Jury stellen. Ich möchte glauben, dass ich ein gutes Buch geschrieben habe. Natürlich gibt es den Faktor richtiges Thema im richtigen Moment, aber meinerseits kann ich nur hoffen, einen guten literarischen Beitrag geleistet zu haben. Vor allem freue ich mich schlussendlich für das Buch, weil es Themen enthält, die mir wichtig sind. Es ist schön zu erleben, dass der Roman mehr Aufmerksamkeit erhielt, als ich erwartet hatte.

Dank dir und Kim de l’Horizon bekam queere Literatur im letzten Jahr viel Aufmerksamkeit. Wie wichtig ist dir, dass du als queere Autor wahrgenommen wirst? Hast du eine politische Agenda im Hinterkopf, wenn du schreibst? Glaubst und hoffst du, dass euer Erfolg auch andere queere Autor*innen von Nutzen ist?

Niemand schreibt aus dem Nichts. Vor Kim und mir kamen unzählige andere Autor:innen, die – meist ohne die Anerkennung, die ihnen gebührte – den Weg für uns geebnet haben. In der Schweiz sind dies zum Beispiel Guido Bachmann, Alain Claude Sulzer, Zora del Buono, Martin Frank oder Christoph Geiser und, in jüngerer Zeit, Donat Blum, Ivona Brdjanovic, X Schneeberger und Sascha Rijkeboer. Jetzt wird sich zeigen, ob es bei einem Hype bleibt oder die Institutionen und Verlage queere Autor*innen nachhaltig fördern und verlegen. Was mich selbst angeht: Dass ich mich als queer identifiziere macht einen grossen Teil meiner Identität aus. Weshalb sollte ich das also beim Schreiben, das ebenfalls sehr identitätsstiftend ist, ausblenden. Daran habe ich kein Interesse und fände es auch gesellschaftspolitisch problematisch. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Literatur, wenn sie denn etwas können sollte – und ich bin mir nach wie vor unsicher, ob sie das muss – Öffnung bewirken sollte in alle denkbaren Richtungen. Vielleicht ist das meine Agenda.

Schreibst du schon dein nächstes Buch?

Ja, ich schreibe schon im Hintergrund, oder vielleicht auch erst im Hinterkopf, am nächsten Buch. Momentan habe ich nicht sonderlich viel Zeit, da ich immer noch auf Lesereise bin und im Tanzhaus Zürich, wo ich als leitender Dramaturg arbeite, sehr eingespannt bin. Aber es gibt einige Themen, die ich spannend finde, wie beispielsweise Sucht. Um dieses Thema kreisen gerade meine Gedanken und erste Notizen.

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