DJ Coreys MusikTipps für den Oktober 2022

Lil Nas X, Sam Smith & Kim Petras, Reece, Shygirl Tove Lo, Fletcher, Jeanne Added, Aloïse Sauvage, Tamino, Indigo Sparke, George Michael.

Lil Nas Xs neue LGBT-Hymne. Die unheilige Kollabo-Single von Sam Smith und Kim Petras. Der queere It-Boy: Reece. Shygirl sexualisiert den Hyper-Pop. Tove Los Schwedenpop vom Feinsten. Fletchers neue Selbstfindungssongs. Jeanne Addeds organischer Synthie-Pop. Aloïse Sauvages engagierte Chansons mit Electro-Rap-Einschlag. Taminos Musikträume in Schwarzweiss. Indigo Sparke oder die herzerwärmendste Stimme des aktuellen Singer/Songwriter-Pop. Last but not least: George Michaels Kultalbum «Older» erscheint als üppige Box.


LIL NAS X

Star Walkin’ (League Of Legends Worlds Anthem) (Columbia/Sony)

Lil Nas X ist seit Anfang September auf seiner „Long Live Montero“-Tour. In den sozialen Medien hat sich der prominenteste schwule Rapper Orgien bei seinen Konzerten gewünscht und alle selbsternannten Moralaposteln bestimmt auf den Plan gerufen. Leider müssen seine Schweizer Fans nach Deutschland reisen, um ihn live zu erleben. Als kleiner Trost für alle, die daheimbleiben müssen, hat Lil Nas X die erste LGBT-Hymne für die diesjährige League-of-Legends-Weltmeisterschaft beigesteuert. Mit der Nummer «Start Walkin’», die sich ganz gut in die Tradition von Hits wie «Montero (Call Me By Your Name)» und «Industry Baby» einfügt, schafft Lil Nas X schon wieder eine kleine, grosse Sensation.


SAM SMITH & KIM PETRAS

Unholy (Capitol/EMI)

Der erfolgreichste nichtbinäre Popstar der Welt spannt mit der deutschen, aber in den USA lebende trans-Sängerin Kim Petras zusammen. Die zwei queeren Acts finden sich auf ihrer ersten gemeinsamen Single «Unholy», in der es um einen toxischen, betrügerischen Ehemann geht. Damit wecken Sam Smith und Kim Petras starke Reminiszenzen an den R&B der Neunziger- und Nuller-Jahre. Sam Smith verlässt seine Komfortzone und zeigt, dass er nicht nur ruhig und soft kann. Kim Petras erweist sich als vielschichtige und wandlungsfähige Pop-Autorin und -Sängerin.


REECE

It-Boy (Platoon)

Der 26-jährige queere Musiker Reece ist in Kalifornien geboren worden und in Virginia aufgewachsen. Lady Gaga, Britney Spears, Frank Ocean, Imogen Heap und FKA Twigs haben seinen Sound geformt, den er als Kitchen Sink Pop definiert. Seit 2015 hat Reece einige Singles herausgebracht. Mit «It Boy» erscheint sein erstes reguläres Album. Musikalisch pendelt Reece zwischen akustischem Hip-Hop, tanzbarem R&B und 2-Step. Seine unmittelbaren Texte sind ein Spiegelbild für seine Sorgen, Hoffnungen und Ängste. Auf «Do Me Dirty» rechnet Reece mit der Dating-Szene ab.


SHYGIRL

Nymph (Because Music)

Die Londoner Künstlerin Shygirl hat mit Kolleg*innen Sega Bodega, Mura Masa, Arca und Karma Kid den Hyper-Pop der letzten Jahre massiv geprägt. Ihnen ist es gelungen, experimentelle Musik von der queeren Subkultur in den Pop-Mainstream zu überführen. Auf ihrem Debüt «Nymph» flirtet Shygirl mit dem melodiösen R&B der späten Neunziger- und frühen Nuller-Jahre, den sie in seine Einzelteile zerlegt und permanent mit Effekten und Störgeräuschen füllt. Das Album ist ein Manifest für sexuelle Selbstermächtigung, Body Positivity und individuelle Entfaltung.


TOVE LO

Dirt Femme (Pretty Swede Records)

Hinter Tove Lo verbirgt sich die schwedische Sängerin Ebba Tove Elsa Nilsson. 2014 hat ihr der Mega-Hit „Habits (Stay High)“ den internationalen Durchbruch beschert. Auf ihrem fünften Album «Dirt Femme», der auf ihrem eigenen Label Pretty Swede Records erscheint, beleuchtet die pansexuelle Pop-Künstlerin die Beziehung zu ihrer Weiblichkeit. Sie fasst all ihre Gefühle und Gedanken in 12 Songs zusammen, die zum Tanzen, Liebemachen und Heulen bringen. Als Special Guests treten unter anderem der DJ SG Lewis, der Rapper Channel Tres und das Folk-Duo First Aid Kit auf. Die Vorab-Singles «No One Dies For Love» und «2 Die 4» mit dem Sample von Gershon Kingsley’s Song «Popcorn» sind bereits Hits.


FLETCHER

Girl Of My Dreams (Capitol Records)

Schon in den ersten drei EPs der aus New Jersey stammenden Sängerin drehte sich alles um verflossene Liebschaften und zerbrochene Herzen. Auf ihrem Debüt-Album «Girl Of My Dreams» geht Cari Fletchers noch ein Stück weiter in der Verarbeitung ihres Liebeskummers. Dabei wechselt sie zwischen Wut, Vermissen, Selbstvorwürfen und dem Blick nach vorne. Auf der Single “Becky’s So Hot” nennt sie die neue Flamme ihrer Ex-Freundin genau beim Namen. Doch zeigt sich Flechter auch von der optimistischen und hoffnungsvollen Seite. Ihre Stimmungsschwankungen sind ebenfalls in den Songs zu spüren, die sich zwischen melancholischen Balladen und treibenden Rhythmen hin- und herbewegen.


JEANNE ADDED

By Your Side (naïve / Radiate)

In Frankreich wird Jeanne Added von der LGBT-Gemeinde wie eine Göttin verehrt. Nach den Alben «Be Sensational» (2015) und «Radiate» (2018) sowie nach der EP «Air», wo sie zum ersten Mal auf Französisch sang, meldet sich Jeanne Added mit «By Your Side» zurück. Auf dem neuen facettenreichen Werk ergänzt sie ihren dunklen Synthie-Pop mit Smooth Jazz, Funk und Electro. Balladen wie «Hey Boy» und «Leon» gehören zu ihr wie das Blau zum Himmel. In «Play Again» gibt sie sich dem Funk hin. «Only Truth», «Relax» und «Tree Song» sind für die Clubs geschaffen. Jeanne Added berührt sowohl mit ihrer Aufrichtigkeit und Intimität als auch mit ihren catchingen Hooks, Melodien und Beats.


ALOÏSE SAUVAGE

Sauvage (Capitol Music France)

Künstlerinnen wie Angèle, Pomme, Suzane, Hoshi und Aloïse Sauvage haben in den letzten Jahren für die Sichtbarkeit von Lesben in der frankophonen Musikszene gesorgt. Aloïse Sauvage ist Sängerin, Musikerin, Schauspielerin, Tänzerin und Akrobatin. Sie ist eine Meisterin im Multitasking. In ihr zweites Album «Sauvage» steckt sie genau so viel Herzblut und Energie wie in ihren bisherigen Projekten. «Sauvage» ist das intime Tagebuch einer starken Frau, die sich mit Chansons, Hip-Hop und Electro gegen Sexismus, sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung zur Wehr setzt.


TAMINO

Sahar (Communion Records)

Vor vier Jahren machte der belgisch-ägyptische Singer-Songwriter Tamino mit seinem Erstling «Amir» die Musikwelt auf sich aufmerksam. Vor ihm konnte niemand derart gekonnt europäische, orchestrale Popmusik mit arabischen Einflüssen verbinden. Auf «Sahar» (zu Deutsch: Dämmerung) singt Tamino mit pathosgeschwängerter Stimme über Wunder und Magie, über Liebe und das Verhältnis zwischen Licht und Dunkelheit sowie zwischen Gut und Böse. Mit seinem intimen Indie-Pop mit orientalischen Elementen führt Tamino die eigene samtene Revolution gegen jede Form von Unterdrückung.


INDIGO SPARKE

Hysteria (Sacred Bones Records)

Die in New York lebende australische Singer/Songwriterin INDIGO SPARKE meldet sich ein Jahr nach ihrem von der Kritik akklamierten Debüt «Echo» zurück. Auf dem sehr intimen und minimal arrangierten «Echo», das von SPARKEs Exfreundin Adrianne Lenker produziert wurde, verschwammen die Grenzen zwischen Folk und Americana. Vergleiche mit Laura Marling und Joni Mitchell waren hier nicht zu weit gegriffen. Für das Nachfolgeralbum «Hysteria» konnte Indigo Sparke diesmal Aaron Dessner (The National, Taylor Swift) als Produzenten verpflichten. Dank ihm finden Indigo Sparkes persönliche Songs um Liebe, Verlust und Trauer mehr Raum zum Atmen. «Hysteria» ist ein sehr vielschichtiges Album, das ohne Vorbehalte in einem Atemzug mit dem grandiosen «Big Time» von Angel Olsen genannt werden kann.


GEORGE MICHAEL

Older (Box Set) (Sony Music)

George Michals drittes und massiv erfolgreiches Kultalbum «Older» wird 26 Jahre nach seinem Erscheinen neu aufgelegt. Das üppige Box-Set ist mit drei LPs, fünf CDs und einem schicken Buch ausgestattet. Das neue Mastering ist qualitativ hervorragend und lässt das Originalalbum gut altern. Das Bonusmaterial ist eher eine Sache für Fans und Komplettist*innen. Auf «Older» erfand sich George Michael musikalisch neu. Er liess nächtlichen Jazz und melancholischen Bossa Nova in seinen Erwachsenenpop einfliessen. In einer meistens dunklen Atmosphäre und mit bewegenden Texten verarbeitete Michael den Verlust seines damaligen Freunds an AIDS sowie den Tod von dessen Mutter. Pikant dabei: George Michael galt damals offiziell noch als heterosexuell, durfte und konnte mit niemandem darüber sprechen. Das unfreiwillige Outing auf einer öffentlichen Toilette folgte erst zwei Jahre später. Der Rest ist Geschichte.


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Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
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