Pupplay – Die Barriere des Sexuellen überschreiten

bern*lgbt Blogger José entdeckt das menschliche Hundespiel

Puppyplay ist ein Rollenspiel aus dem BDSM-Bereich. Mit etwas Vorurteilen im Kopf wollte ich mehr darüber erfahren und traf mich deshalb mit Lukas aus der Berner Pupplay-Community. Er öffnete mir eine neue Welt: Seine Welt — und diese Welt war höchst komplex.

Der Verein Kinderseelenschützer aus Nordrhein-Westfalen hatte die Anwesenheit von Fetisch an Prides und CSD auf Social Media stark kritisiert und eine Onlinepetition gestartet. Dies verursachte hitzige Diskussionen zum Thema, vor allem innerhalb der LGBTQ+ Community. Das liess mich aufhorchen. Was steckt dahinter und was ist Pupplay überhaupt?

Ich wollte mehr erfahren und schlug dem Mannschaft Magazin vor, ein Interview mit dem 24 jährigen Lukas aus der Berner Pupplay-Community zu machen (hier das Interview). Auf meinem dunkelblauen Sofa in meiner Berner Altstadtwohnung habe ich schon viele journalistische Interviews durchgeführt. Innerhalb meiner journalistischen Tätigkeiten haben Interviews immer noch etwas spezielles. Bei einem Interview kommen immer zwei Welten in Kontakt: Meine Realität und die Realität des Interviewten. Deshalb ist jedes Interview eine neue und aufregende Erfahrung: Denn meine Fragen bekommen Antworten und das schätze ich sehr. Wenn ich ein Interview durchführe geht es mir im Grunde vor allem um eines: Einem Menschen in die Augen zu sehen und herauszufinden was ihn einzigartig macht und gleichzeitig zu entdecken, dass wir eigentlich alle gleich sind. 

In der Vorbereitungsphase des Interviews mit Lukas (oder soll ich lieber Anubis sagen?) konnte ich mir keine fundierte Meinung bilden, denn Pupplay war für mich etwas komplett Neues — abgesehen von den gesellschaftlichen Konventionen, die durch meinem Kopf schwirrten. Ich würde meinen, dass ich eine eher offene Einstellung gegenüber sexuelles Verhalten habe. Grundsätzlich verurteile ich niemanden aufgrund von sexuellen Vorlieben. Meiner Meinung nach gibt es nur drei rote Linien was sexuelles Verhalten anbelangt: Alle beteiligten im sexuellen Akt sind einverstanden, es gibt keine Lebensgefahr und alle beteiligten sind über 18 Jahre alt. Wenn diese drei Aspekte erfüllt sind, habe ich grundsätzlich keine Probleme damit und schätze und verteidige die grosse Vielfalt an sexuellen Verhaltensformen und Vorlieben, die es in unserer Gesellschaft gibt. Etwas anderes hingegen ist das Bild, dass ich mir über eine sexuelle Vorliebe, wie beispielsweise Pupplay, ohne Vorwissen zusammenbastle. Die gesellschaftlichen Konventionen in meinem Kopf gaben mir ein etwas negatives Bild des Pupplay — würde das Interview mit Lukas meine Idee vom Pupplay verändern?

Um 10:30 Uhr stand Lukas vor meiner Tür: Ein sympathisches Lächeln und etwas introvertiert. Ein Glas Ice-Tea möchte er trinken und setzt sich auf mein dunkelblaues Sofa — das Interview kann beginnen!

Lukas kommt bei mir als komplett normaler Mensch an: Wer ist Anubis? Ich wollte unbedingt wissen was es mit Anubis auf sich hat. Mit den ersten Antworten bemerke ich, dass ich keine Ahnung von Pupplay hatte. Ich war begeistert von seiner Narrative. Als Journalist ist das immer ein grossartiger Moment: Lukas gab mir Antworten auf meine Fragen, die mir Gänsehaut verursachten. Es stellte sich heraus, dass Pupplay nicht eine simple und instinktive Reaktion auf sexuelle Impulse ist. Anubis ist für Lukas ein Alter Ego, ein Teil seiner Personalität, die in ihm vorhanden ist, die er aber als Lukas nicht zum Vorschein lassen kann.

Lukas öffnete mir eine neue Welt: Seine Welt — und diese Welt war höchst komplex. Seine Antworten fand ich faszinierend: Ich fühlte wie sich die gesellschaftlichen Konventionen, die meinem Kopf schwirrten, eine nach der anderen in Luft auflösten. Das liegt auch daran, dass ich gegenüber Pupplay, sowie gegenüber jedes Thema das ich journalistisch behandle, offen und tolerant bin: Pupplay hat also nichts krankhaftes, Lukas steht nicht auf Hunde und die Maske macht ihn nicht automatisch heiss. Ich war überrascht wie dieser Fetisch die Barriere des Sexuellen überschreiten kann und einige Gemeinsamkeiten mit der Draq-Philosophie hat. 

Im Endeffekt ist Pupplay ein Rollenspiel. Hunde sind verspielt, knuddeln gerne und sind extrovertiert: Lukas trägt diese Eigenschaften auch mit sich, aber diese kommen nicht als Lukas zum Vorschein, sondern als Anubis. Die Hundemaske ist ein Kleidungsstück, die Lukas in Anubis verwandelt und ihn von bestimmten Hemmungen befreit. Kleider machen Leute, sagt das Sprichwort, oder den Hund in diesem Fall? Im Verlauf des Interviews bemerkte ich, dass Lukas dank seinem Alter Ego, Anubis, andere Aspekte seiner Personalität ausleben kann — und das nur dank einer Hundemaske! Im Endeffekt ist Pupplay nichts anderes als was wir alle tun: Wir identifizieren uns durch Kleidung mit anderen und mit dem was wir sein möchten. 

 

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