«Queerer Fünfer» im Grossen Rat vom Kanton Bern

Interview mit der Grossrätin Barbara Stucki

Ende März haben die Stimmberechtigten im Kanton Bern eine neue Regierung gewählt (wir haben vor den Wahlen berichtet). Wiedergewählt wurde Barbara Stucki von der GLP. Die Grossrätin Barbara Stucki ist ein engagiertes Mitglied in der Politgruppe von «hab queer bern». Bisher war sie die einzige «offen» queere Person im Grossen Rat vom Kanton Bern. Mit der Wahl von Elisabeth Dubler (Junge Grüne), Tabea Rai (Alternative Linke), dem Nachrutschen von Rahel Ruch (Günes Bündnis) bereits kurz nach den Wahlen und auch der Wahl von Thomas Fuchs von der SVP ist der Grosse Rat des Kantons Bern ein bisschen queerer geworden. Genauer: 5 von 160 Ratsmitgliedern gehören sozusagen zur LGBTQ-Fraktion. Das sind 3,13 %. Im Gegensatz dazu ist der Stadtrat von Bern queerer. Dort sind es nämlich 12,5 %.  Daniel Frey von «hab queer bern» hat sich mit Barbara Stucki über die aktuellen politischen LGBT-Anliegen unterhalten.

Barbara Stucki

Erstmals herzliche Gratulation zur Wiederwahl. Bist du zufrieden, dass du nicht mehr die einzige «offen» queere Person im Rat bist?

Vielen Dank! Ja, ich freue mich sehr darüber, dass im Grossen Rat nun mindestens fünf «offen» queere Menschen politisieren. Dass wir alle aus unterschiedlichen Fraktionen stammen, ist ein zusätzliches Plus. Ich erhoffe mir damit, einfacher fraktionsübergreifende Vorstösse erarbeiten und überweisen zu können. Obwohl ich sagen muss, dass dies in den vergangenen Jahren auch mit queerfreundlichen hetero Grossratsmitgliedern gut gelungen ist.

Was ist von diesem queeren Fünfer politisch zu erwarten?

Diese Antwort kann ich nur zu einem Fünftel beantworten *lacht*. Ich wünsche mir auf jeden Fall eine Zusammenarbeit in Themen, die die LGBTIQ-Community verstärkt betreffen. Ich würde mich auch darüber freuen, wenn wir fünf weitere queere Menschen ermutigen können, sich politisch zu engagieren und offen queer zu leben.

Wird dieser queere Fünfer auch Einfluss auf die Geschwindigkeit der Umsetzung deiner Motion «LGBTI-feindliche Gewalt statistisch erfassen» haben?

Leider nicht. Der Vorstoss wurde vom Grossen Rat überwiesen. Der Regierungsrat hat eine Fristverlängerung bis 2023 für die Umsetzung der Forderungen beantragt. Dieser haben wir (der Grosse Rat) in der Frühlingssession 2022 zugestimmt. Der Ball ist bei der Regierung. Natürlich werde ich regelmässig nachhaken, damit der Vorstoss nicht plötzlich «vergessen» geht.

Oder auch auf die Umsetzung der beiden Vorstösse «Was unternimmt der Kanton Bern zum Schutz vor LGB-Feindlichkeit?» oder «Konversionstherapie im Kanton Bern verbieten»?

Der erstgenannte Vorstoss war eine Interpellation. Mit der Beantwortung der Fragen ist die Aufgabe der Regierung erfüllt. Es ist nun an uns Grossratsmitgliedern, Forderungen auf Grund der Antworten zu stellen. Das könnten wir glorreichen queeren Fünf tatsächlich in Angriff nehmen. Beim Vorstoss zum Verbot zu den Konversionstherapien verhält es sich gleich wie beim Vorstoss zur Hate-Crime-Statistik: Der Vorstoss wurde vom Grossen Rat zur Umsetzung an den Regierungsrat überwiesen. Der Ball ist bei der Regierung. Aber wir werden ein Adlerauge auf die Umsetzung haben.


Die Fragen stellte Daniel Frey von  der AG Politik und Gesellschaft hab queer bern

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