«Was unternimmt der Kanton Bern zum Schutz vor LGB-Feindlichkeit?»

Die Berner Regierung macht «noch nichts»

An der Frühlingssession 2020 wurde im Grossen Rat des Kantons Bern über die Motion «LGBTI-feindliche Gewalt statistisch erfassen» abgestimmt und angenommen. Passiert ist seither nichts. Im Dezember habe die Initiant*innen eine Interpellation eingereicht mit der Frage: «Was unternimmt der Kanton Bern zum Schutz vor LGB-Feindlichkeit?».

Die Frage der Interpellation mit der Bezeichnung «132‑2021» ist klar: «Was unternimmt der Kanton Bern zum Schutz vor LGB-Feindlichkeit?». Eingereicht wurde die Anfrage von der Grossrätin – und Mitglied der Politgruppe des Vereins «hab queer bern» – Barbara Stucki (GLP) zusammen mit Natalie Imboden (Grüne), Jan Gnägi (Die Mitte), Meret Schindler (SP) und Christa Ammann (AL). Fazit zur Antwort auf die Interpellation der Berner Regierung: Es werden weder Massnahmen ergriffen, noch sind welche geplant.

In seiner Antwort verweist der Berner Regierungsrat auf den Auftrag der Polizei, der Opferhilfe und der Schulen. Einzig in Punkt 5 schreibt er mit nur gerade einem Satz, dass er ab diesem Jahr Polizist*innen schulen werde. Damit erfüllt er immerhin einen der Punkte der ebenfalls von Barbara Stucki eingebrachten Motion «LGBTI-feindliche Gewalt statistisch erfassen». Die Kernforderung dieser Motion – die Einführung einer Statistik – ist für die Berner Regierung weiterhin kein Thema. «Das ist wirklich enttäuschend und zeigt, dass es im Kanton Bern noch viel zu tun gibt», kommentierte Barbara Stucki diese Entscheidungen der Berner Regierung.

Hintergrund

Im Februar des letzten Jahres sagte die Schweiz mit 63 Prozent – im Kanton Bern mit knapp 60 Prozent – Ja zum Schutz von lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen vor Hass (Erweiterung der Rassismus-Strafnorm). Einen Monat später überwies der Grosse Rat des Kantons Bern die Motion «LGBTI-feindliche Gewalt statistisch erfassen» deutlich.

Doch die an der Urne – nach einem Referendum – angenommene Erweiterung der Rassismus-Strafnorm um den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und eine (geplante) Statistik reichen nicht aus, um queere Menschen vor Gewalt zu schützen. Und dieser Schutz ist trotz «Ehe für alle» noch immer wichtig, denn nach Angaben von Pink Cross werden der LGBT+ Helpline pro Woche mehr als ein Fall eines Hassverbrechens gemeldet (viele Übergriffe werden wohl gar nicht gemeldet, die Dunkelziffer dürfte entsprechend hoch sein). In der Begründung ihrer Motion schreibt Barbara Stucki dazu: «Viele Opfer erfahren körperliche Gewalt und die Übergriffe haben schwerwiegende physische und psychische Folgen». Die Diskriminierung und die Angriffe führten auch dazu, dass LGB-Personen im öffentlichen Raum ihr Verhalten anpassen, um nicht als schwul, lesbisch oder bisexuell «aufzufallen».

Spannend: In einer Antwort auf das Postulat «Nationaler Aktionsplan gegen LGBTQ-feindliche ‹hate crimes›» von Nationalrat Angelo Barrile (SP) hält der Bundesrat fest, dass es aufgrund des föderalistischen Systems auch Sache der Kantone und Gemeinden ist, die erweiterte Rassismus-Strafnorm umzusetzen und mit «adäquaten Massnahmen der Sensibilisierung, Prävention, Intervention und Überwachung» zu ergänzen.

«Auch fast zwei Jahre nach der Überweisung meiner Motion für die Schaffung einer Hate-
Crime-Statistik, damit griffige Präventionsmassnahmen ergriffen werden können, tut die Berner Regierung nichts», stellt Barbara Stucki fest. «Der Regierungsrat zeigt in seiner langen und ausführlichen Antwort eigentlich nur auf, dass er noch nichts unternimmt, das er nicht bereits vor dem Antidiskriminierungsgesetz gemacht hatte. Er verweist zwar auf die Angebote der Opferhilfe, zeigt aber keine Eigeninitiative.» Sie habe sich eigentlich gewünscht, dass der Regierungsrat endlich verkünde, dass er an ihrer Motion arbeite: «Auch an den Schulen sensibilisieren Lehrpersonen die Schüler*innen noch zu wenig. Das könnte auch ganz niederschwellig passieren. Ich würde mir beispielsweise eine Lektion wünschen, in der bei der Rechenaufgabe zwei Mamis mit dem Kind einkaufen gehen und 50 Melonen kaufen, statt dem bürgerlichen Familienmodell von Vater, Mutter und Kind.»

Daniel Frey
für die «hab queer bern»-Gruppe Politik und Gesellschaft

 

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