DJ Coreys MusikTipps für den November 2021

ABBA, Elton John, Diana Ross, Oscar And The Wolf, Hand Habits, Courtney Barnett, Lana Del Rey, Tori Amos, Hard Feelings, Planningtorock

Jurassic-Pop oder die Revanche der Ü70er: ABBA, Elton John und Diana Ross sind wieder in Mode.Die queeren Indie-Pop-Highlights des Monats: Oscar And The Wolf, Hand Habits und Courtney Barnett. Zerbrechlich aber nicht zerbrochen: Die gereiften Werke der Singersongwriterinnen Lana Del Rey und Tori Amos. Last but not least: Die wunderbaren Hommagen an die Klub-Kultur von Hard Feelings und Planningtorock.      


ABBA

Voyage (Universal)

Sie haben es doch wieder getan. ABBA wagen 40 Jahre nach dem letzten Album ein Comeback und gewinnen auf der ganzen Linie. Auch wenn sich der Zauber von einst nicht mehr ganz reproduzieren lässt, ist er schon gut zu spüren. Mit «Voyage» befeuert das schwedische Quartett die 70er-Jahre-Nostalgie seiner glorreichsten Tage. Die neuen Songs klingen unverkennbar nach ABBA. Als ob sie nie weg gewesen wären. Alles ist so unspektakulär, dass es schon wieder spektakulär ist. «Voyage» ist zwar tief in der Vergangenheit verwurzelt. Aber mit der geplanten virtuellen Konzertshow in London, wo ABBA als Avatare oder besser noch als «Abbatare» auftreten, leisten ABBA eine grosse Pionierarbeit für die Zukunft der Live-Musik.


ELTON JOHN

The Lockdown Sessions (Universal)

Dank seiner Corona-Platte ist Sir Elton John mit 74 wieder relevant geworden und hat zu den alten Stärken gefunden. Auf «The Lockdown Sessions» arbeitet der LGBTQ-Star aus Pinner mit Künstler/innen der unterschiedlichsten Musikrichtungen und Generationen zusammen (u.a. Dua Lipa, SG Lewis, Charlie Puth, Brandi Carlile, Years&Years, Stevie Wonder, Stevie Nicks). Die 16 Tracks umarmen Disco-Pop, Country, R&B, Balladen und Rock, sind also sehr abwechslungsreich und wirken doch stilistisch wie aus einem Guss. Zugegeben, nicht jede Kollaboration entwickelt sich zu einem Dream-Team und es gibt den einen oder anderen Füller. Das tut dem Genuss des Albums als Ganzes allerdings keinen Abbruch. Denn so frisch, inspiriert und kreativ hat Sir Elton John schon lange nicht mehr geklungen.


DIANA ROSS

Thank You (DECCA)

Auf ihrem neuen Album seit 15 Jahren strahlt die 77-jährige Motown-Legende viel Dankbarkeit für ihr Leben und ihre Karriere aus. Ihre Botschaft ist die Liebe, die auf alles eine Antwort gibt. Ob sie echt daran glaubt, kann dahingestellt bleiben. Tatsache ist aber, dass Diana Ross glitzernder Disco-Soul den Anschluss an den heutigen Pop-Zeitgeist mühelos findet. Die Zusammenarbeit mit jüngeren Songwritern und Produzenten/innen wie Jack Antonoff, Troy Miller, Triangle Park, Spike Stent, Freddie Wexler und Jimmy Napes hat wirklich gute Früchte hervorgebracht. Mit «Thank You» schafft Diana Ross ein Alterswerk mit Hochglanz, Magie, Pailletten und Federboa.


OSCAR AND THE WOLF

The Shimmer (PIAS)

Hinter dem Pseudonym Oscar and the Wolf verbirgt sich das belgische Ausnahmetalent Max Colombie. In seiner Heimat geniesst Oscar And The Wolf einen Popstar-Status. Mit seinem Debütalbum «Entity» (2014) und dem Nachfolger «Infinity» (2017) hat er die Charts erobert und seine Konzerttourneen sind stets ausverkauft. Mit dem dritten Album «The Shimmer» kredenzt Oscar And The Wolf einen noch raffinierteren Strauss aus smoothem Dance-Pop-R&B und verträumtem Indie-Folk à la Bon Iver. Der queere Künstler hält die perfekte Balance zwischen Licht und Dunkelheit, Realität und Imagination, Intimität und grosser Geste.


HAND HABITS

Fun House (Saddle Creek)

Das Label Saddle Creek aus Nebraska beheimatet eine ganze Reihe spannender Singersongwriter*innen mit einem schönen Hang zu Melancholie. Meg Duffy alias Hand Habits ist da keine Ausnahme. Auf ihrem mittlerweile dritten Album «Fun House» verzaubert die queere New Yorkerin mit intimem und reduziertem Indie-Folk, dem sie hier und da mit Synthie-Pop (z.B. auf der Single «Aquamarine») oder mit rhythmusbetonten Passagen (wie z.B. in «Concrete & Flowers») ergänzt. Die Experimentierfreude ist mit Bedacht dosiert. Grundsätzlich steht schüchterne Zurückhaltung im Zentrum. Mit «Just To Hear You» punktet Hand Habits mit einem zärtlichen Duett mit Perfume Genius.


COURTNEY BARNETT

Things Take Time, Take Time (Marathon Artists)

Zurzeit ihres Debüts «Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit» (2015) wurde die Australierin Courtney Barnett als Retterin der alternativen Gitarrenmusik gefeiert. Nach der Trennung von ihrer Freundin, der Songwriterin Jen Cloher, und nach der Rückkehr von der Tour zum Album «Tell Me How You Really Feel» im Jahr 2019 fiel Courtney Barnett in ein kreatives und emotionales Loch. Dank der Warpaint-Schlagzeugerin und -Produzentin Stella Mozgawa konnte sie ihre Schreibblockade überwinden. Auf ihrem neuen Album befreit die queere Musikerin ihren Sound von den üblichen rauen und rotzigen Elementen. «Things Take Time, Take Time» steht vielmehr im Zeichen der Achtsamkeit, Entspannung und Entschleunigung.      


LANA DEL REY

Blue Banisters (Polydor)

Man kann sie nur lieben oder hassen. Aber zumindest ist Lana Del Rey zugute zu halten, dass sie seit ihrem Debüt stets konsequent in ihren musikalischen Entscheidungen und Handlugen ist. «Blue Banisters» ist bereits Lana Del Reys zweites Album aus 2021 und knüpft direkt an den reduzierten Folk-Pop Noir des Vorgängers «Chemtrials Over The Country Club» an, auch wenn der Trend-Produzent Jack Antonoff diesmal nicht mehr dabei ist. In den neuen Songs, meistens zeitlosen und sparsam instrumentierten Pianoballaden, sinniert Del Rey mit verführerischer Sirenenstimme über Trennungsschmerz, Lockdown, Amerika und Familiengeschichte. Allen, die behaupten, bei Lana Del Rey klinge immer alles gleich, kann ich nur beipflichten: Alles immer gleich grandios.    


TORI AMOS

Ocean To Ocean (Universal)

Im dritten Lockdown war Tori Amos mit Ehemann und Tochter in Cornwall isoliert und wurde von den Dämonen der Vergangenheit heimgesucht. Auch musste die US-amerikanische Songwriterin den Tod ihrer Mutter verarbeiten. Die Angst, den eigenen Ansprüchen als Tochter, Mutter, Ehefrau und Musikerin nicht zu genügen, stand ihr oft im Weg. In der Natur von Cornwall fand sie nicht nur den Schlüssel zu Ruhe und Gelassenheit, sondern neue musikalische Inspiration. Auf ihrem 16. Album «Ocean To Ocean» feiert Tori Amos die Natur als Muse, sie spricht mit den Bäumen und lauscht dem Rauschen des Ozeans. Aber keine Angst, sie ist noch Licht Jahre vom Esoterik-Kitsch einer Enya entfernt. Ihre selbst komponierten und produzierten Piano-Balladen sind eine Spur reifer, intimer und gediegener geworden, aber nach wie vor umwerfend.


HARD FEELINGS

Hard Feelings (Domino)

Joe Goddard, Chef der britischen Indie-Dance-Combo Hot Chip, hat 2018 die nicht mehr so junge New Yorker Underground-Disco-Diva Amy Douglas auf ihrer famosen Single «Never Saw It Coming» entdeckt. Es war wie Liebe beim ersten Hören. Schon bald hat Goddard Douglas eine Nachricht auf Twitter geschickt. Es passierte also ganz natürlich. Das Duo Hard Feelings war endlich gegründet. Das gleichnamige Debütalbum ist eine wundervolle Hommage an den New Yorker Disco-, House- und Garage-Sound mit gelegentlichen Abstechern in Italo-Disco- und Hi-NRG-Gefilde. Einfach unwiderstehlich.  


PLANNINGTOROCK

Gay Dreams Do Come True (Human Level/PIAS Collective)

Jam Rahuoja Rostron alias Planningtorock identifiziert sich als non-binär und ist seit gut zehn Jahren in der queeren Indietronic-Szene ein Begriff. Nach vielen Jahren im LGBTIQ-freundlichen Berlin lebt Jam mit Partnerin neu in Estland, wo die Ehe der beiden nicht offiziell anerkannt wird. Aber es besteht Grund zur Hoffnung. Mit neuen euphorischen Disco-Pop-Nummern und Texten über queere Liebe setzt sich Planningtorock für mehr Akzeptanz und Toleranz gegenüber LGBTIQ-Angehörigen ein. «Gay Dream Do Come True» ist der ideale Sound für die nächste CSD-Party: eingängig, fröhlich, hymnisch und tanzbar.


SENDUNG HÖREN


Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
https://queerupradio.ch

Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.