DJ Coreys MUSIK-TIPPS für den NOVEMBER 2020

Kylie, Ariana Grande, Sam Smit, Tiziano Ferro, Nena, Lous & The Yakuza, Better Person, Woodkid, Dorian Electra und Shirley Bassey

Kylie wirft die Disco-Kugel wieder an. Ariana Grandes unangekündigte Sex-Beichte. Sam Smith neues Herz-Schmerz-Album. Tiziano Ferro geht fremd. Zurück in die Zukunft mit Nena. Die Newcomers des Monats: Lous & The Yakuza und Better Person. Neue queere Musik von Woodkid und Dorian Electra. Time To Say Goodbye für Dame Shirley Bassey.


KYLIE MINOGUE

Disco (Darnote, BMG)

Nach einem erfrischenden Abstecher in Country-Gefilde («Golden») und nach dem Best-Of- Album «Step Back In Time» hält Kylie Minogue das Versprechen, das sie im Anschluss an ihre fulminante Performance am Glastonbury Festival gemacht hat. Die Australierin veröffentlicht ein lupenreines Disco-Album, das «Disco» nicht nur im Titel trägt, sondern auch in Sound und Attitüde kompromisslos reflektiert. Kylie hat sich damit abgefunden, als lächelnde Disco-Prinzessin von nebenan in die Popmusik-Annalen einzugehen. Disco macht ihr heute offenbar genauso viel Spass wie vor 33 Jahren. «Disco» reiht sich würdig in den Reigen der diesjährigen Dance-Alben von Dua Lipa, Lady Gaga und Ava Max ein. Die Subtilität einer Jessie Ware oder Ròisìn Murphy hätte Kylie aber nicht geschadet.


ARIANA GRANDE

Positions (Republic Records)

Sieben Alben in sechs Jahren. Die R&B-Prinzessin Ariana Grande ist mit Abstand eine der fleissigsten Musikerinnen, die einen unglaublichen musikalischen Output haben. Nach «thank u, next» erscheint auch «Positions» praktisch unangekündigt. In den neuen Songs thematisiert Ariana Grande ziemlich explizit die Beziehung zu ihrem aktuellen Partner, dem Immobilienmakler Dalton Gomez, der ihr geholfen hat, über den verfrühten Tod ihres Ex Mac Miller hinwegzukommen. Ariana Grande zementiert erneut ihre Fähigkeit, den modernen R&B mit Trap-Einflüssen zu bereichern. Nichts Neues eigentlich, aber wen kümmert das, wenn ihre Verkaufs- und Streaming-Zahlen immer noch in die Höhe schnellen?


LOUS AND THE YAKUZA

Gore (Epic/Sony)

Hinter dem Pseudonym Lous And The Yakuza verbirgt sich Marie-Pierra Kakoma, eine belgische Musikerin mit kongolesischen Wurzeln, die sich als musikalisches Sprachrohr für alle schwarzen Frauen sieht. Lous ist das Anagramm von Soul, die Yakuza sind ihr Kreis von Unterstützer/innen. Lous definiert sich als eine Kreuzung zwischen dem französischen Rapper Kaaris und der Schwulenikone Dalida. Auf ihrem Debüt «Gore» verquickt Lous Hip- Hop mit Trap, Soul, R&B, Pop, afrikanischer Musik und Chansons zu einem eigenwilligen Sound. Produziert hat der Spanier El Guincho, der Mann hinter der Neo-Flamenco-Königin Rosàlia. «Gore», eigentlich ein Subgenre des Horrorfilms, steht als Metapher für Lous schwieriges und düsteres Leben als junge Frau mit Migrationshintergrund. Heute ist sie eine der gefragtesten Musikerinnen und Models im französischsprachigen Raum.


SAM SMITH

Love Goes (Capitol Records/Universal)

Eigentlich hätte Sam Smiths neues Album im letzten Frühling erscheinen sollen. Der voraussichtliche Albumtitel «To Die For» und das dazugehörige kunterbunte Cover, auf welchem viele Hände Sam Smiths geschminktes Gesicht berührten, wollten aber partout nicht zu der ersten Corona-Welle und dem Lockdown passen. Mit «Love Goes» entfernt sich Sam Smith vom ursprünglichen Konzept, mehr in Richtung Dance zu gehen. Immerhin durfte die euphorische Nummer «Dance (Til You Love Someone Else)» bleiben. Ansonsten bewegt sich der non-binäre Star mit dem unverkennbaren Falsett in der üblichen Komfortzone. Perfekt konfektionierte Herzschmerz-Balladen und Midtempo-Stücke machen auf «Love Goes» den Löwenanteil. Etwas zu brav und unspektakulär zwar, dafür aber handwerklich einwandfrei.


TIZIANO FERRO

Accetto miracoli, L’esperienza degli altri (Virgin/Universal)

Der italienische, offen schwule Superstar hat vor einiger Zeit die Cantautori der neuen und alten Garde höflich gebeten, für ihn Songs zu schreiben. Da ihn die gelieferten Demos nicht restlos überzeugen konnten, hat sich Tiziano Ferro entschieden, seinen Lieblings-Canzoni mit einem Cover-Album die Ehre zu erweisen. Viele andere Pop-Sänger wären bei einem solchen Projekt grandios gescheitert. Nicht aber Tiziano Ferro, ein Profi seines Fachs, der einmal mehr seine grosse Sensibilität und die Vielfalt seiner Emotionen zum Ausdruck bringt. «L’esperienza degli altri» ist Teil der Neuauflage von «Accetto Miracoli», das vor einem Jahr erschienen ist.


WOODKID

S16 (Island/Universal)

Die Pop-Welt betrat der Franzose Yoann Lemoine zum ersten Mal als Regisseur von Musik- Videos für Lana Del Rey, Katy Perry und Rihanna. Dann wechselte er auf die Musikerseite unter dem Künstlernamen Woodkid. Mit seinem epischen und opulenten Debüt «The Golden Age» vertonte er seinen Abschied aus der Jugend. Sieben Jahre später widmet Woodkid dem chemischen Element für Schwefel sein neues Werk. Schwefel symbolisiert auch den Teufel und die dunkle Seite des Menschen. So umarmt Woodkid auf dem Albumcover sein inneres Monster und damit seine eigene Verletzlichkeit. Er findet das Gleichgewicht zwischen industriellen elektronischen Beats und klassischen filmreifen Orchestrierungen. Dieser originelle Sound wird von Woodkids unglaublich warmer und sanfter Stimme zusammengetragen.


NENA

Licht (Sony)

Die NDW-Ikone Nena ist plötzlich 60 geworden und immer noch erfolgreich. Ihr ist es zu verdanken, dass die deutsche Sprache in der Pop-Welt angekommen ist. Sie hat die deutschen Pop-Poeten quasi vorweggenommen. Auf ihrem neuen Album «Licht» verwebt Nena ihre bewährten Synthie-Pop-Klänge mit Folk- und Singer-Songwriter-Elementen. Die Songs strahlen eine positive chillige Atmosphäre aus. Ihre Texte hören sich zwar an wie Sprüche aus dem Esoterikkalender, aber man nimmt ihr einfach alles ab, was sie singt. Und selbst wenn sie mit ihren Kindern Larissa und Madhu musiziert, klingt das nicht bieder wie bei der Kelly Family, sondern nur cool. Das kann man nicht lernen, das ist einfach Talent. Das ist Nena auch mit 60.


BETTER PERSON

Something To Lose (Mansions & Millions)

Der 30-jährige Adam Byczkowski ist in Sopot aufgewachsen, einer Kleinstadt an der polnischen Ostsee. Vor neun Jahren zog er dann von Warschau nach Berlin, um den Traum von der grossen Musikkarriere zu realisieren. Er nannte sich seitdem Better Person und wurde schon bald vom Label Mansions & Millions unter Vertrag genommen. Sein von MGMT-Mitglied Ben Goldwasser produziertes Debüt «Something To Lose» lässt wieder einmal die dekadente Seite der 80er-Jahre wiederaufleben. Alle berühmt-berüchtigten Elemente sind da: Die in dunkler Watte verpackten Synthie-Balladen von George Michael und Black, schwarze Klamotten, das weisse Hemd, viel Saxophon und die Wind- und Nebelmaschine immer einsatzbereit. Es ist ein 9-Songs-Album, alte Schule. Nach 30 Minuten ist Schluss.


DORIAN ELECTRA

My Agenda (Dorian Electra)

Der genderfluide Pop-Star Dorian Electra stellt konventionelle Gender-Rollen und Konzepte von Sexualität radikal in Frage. Auf ihrem neuen Album «My Agenda» zeigt sich das queere Gesamtkunstwerk immer noch flamboyant und gewillt, sich für ein kompromissloses Anderssein einzusetzen. Dorian Electra hat eine beeindruckende Gästeschar für ihr neues Werk eingeladen (u.a. Rebecca Black, Faris Badwan, Pussy Riot, Village People, The Garden, Dylan Brady, and Clarence Clarity). Zusammen mit ihren Unterstützer/-innen bezieht Dorian Electra klar Stellung gegen toxische Männlichkeit. Die elf neuen Protest-Songs sind eine verstörende Reise durch die experimentelle Popkultur und absolut keine leichte Kost.


SHIRLEY BASSEY

I Owe It All To You (Decca Records)

Die Waliserin Shirley Bassey, die 1999 von der Königin zur Dame Commander of the British Empire erhoben wurde, ist eine Pop-Primadonna alten Schlags. Eine aufrichtig liebende und leidende Diva, die, wie keine andere, Glamour, Glitzer, Drama und Kitsch in sich vereint. Mit 83 Jahren nimmt das einstige Diamantenmädchen mit der Federboa definitiv Abschied von der Bühne. Aber bevor der letzte Vorhang fällt, lädt die Dame noch zum Grande Finale ein. Mit dem allerletzten Album «I Owe It All To You» bedankt sich Shirley Bassey mit einem lachenden und einem weinenden Auge bei ihren Fans, die ihr während sechs Dekaden die Treue hielten. Machen wir uns auf emotionale, berührende, aber auch erstaunlich kraftvolle Momente gefasst. Am Schluss hat Dame Shirley Bassey einmal mehr die Standing Ovation verdient.


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