Queer Cowboys

Orville Peck, Lil'Nas X und Trixie Mattel

Zwei queere Cowboys – der maskierte Orville Peck und der rappende Lil’Nas X – und eine Country-Dragqueen, erobern die Musikszene. Sie sind nicht die ersten, bestimmt nicht die letzten, aber bisher die besten, die Country-Musik etwas bunter machen. DJ Ludwig über neue und alte Helden des Gay-Country.

Country gilt nicht als eine besonders schwulenfreundliche Musikszene, auch wenn ihr grösster Star, Dolly Parton, eine Gay-Ikone ist. Doch auch in einem schwulenfeindlichen Umfeld können queere Acts erblühen. Eine dieser raren Pflanzen wuchs bereits 1973 aus dem kargen Untergrund. Die queere Kultband Lavender Country spielte Lieder mit explizit schwulen Texten. Ihr bekanntester Song war «Cryin’ These Cocksucking Tears». Doch Lavender Country blieb ein subkulturelles Phänomen. Erst heute wird der erste offen schwule Countrysänger wiederentdeckt und gefeiert. Patrick Haggerty, der Bandleader von Lavender Country, hat nach 47 Jahren sogar ein neues Album veröffentlicht!

Gay-Country Pionier Lavender Country


Cowgirls

In den 90er-Jahren wurde k.d. lang bekannt, nicht nur wegen ihrer einzigartigen Stimme, sondern auch wegen ihrem Image als Butch-Lesbe. Sie hat die Gender-Grenzen erweitert und den Weg für weitere queere Künstler*innen frei gemacht. Doch diesen Sommer hat die Sängerin aus Kanada auf BBC verkündet, dass sie sich aus dem Musikgeschäft zurückzieht. «Die Muse weicht mir aus», ist ihre Begründung. Doch es gibt ihr Hoffnung, dass man heute das Radio einschalten kann, und es sing auch mal ein Typ über einen anderen Typen. «Es ist fast, also ob die Geschlechterkategorisierung endlich ausgerottet wird, was schön ist, was einige von uns immer wollten», erfreut sich k.d.lang.

Zwei lesbische Heldinnen im Duett:
k.d. lang und Melissa Etheridge

 

Heute gibt es einige lesbische Musikerinnen, die mit Country, Folk oder Rock ziemlich erfolgreich sind wie Brandi Carlile, Chely Wright, Mary Gauthier oder Brandy Clark. Auch ein paar männliche Kollegen stehen öffentlich dazu, auf Männer zu stehen. Anfangs der 00er-Jahren war Mark Weigle («The Two Cowboy Waltz») der einzige schwule Countrysänger.  2015 konnte der Sunnyboy Steve Grand – der ist, was er besingt, ein «All American Boy» – auf sich aufmerksam machen. Steve Grand verkörpert den netten Schwulen von nebenan, doch besonders erfolgreich wurde er mit diesem Image nicht. Es ist auch heute noch schier unmöglich in der Country-Szene als Homo an den grossen Erfolg zu kommen. Nach wie vor ist das Umfeld in der Country-Hauptstadt Nashville sehr konservativ.

Steve Grand – Der Country-Boy von nebenan


Orville Peck – Der maskierte Cowboy

2019 tauchte einer in der Country-Szene auf, der nicht nett ist, der das Mondlicht der Sonne vorzieht und der musikalischer lieber Off-Road geht und die düstern Ecken der Welt aufsucht. Orville Peck, spielt klassischen Country, eine Mischung aus Johnny Cash und Patsy Cline mit einer Prise Joy Division und einem Schuss Nick Cave. Seine Helden sind Weirdos, und Underdogs, Aussenseiter eben, wie er einer ist, ein Cowboy mit rebellischem Geist. Orville Peck ist immer maskiert. Er sieht aus wie der Held aus einem Comic, wie ein schwuler Lucky Luke – verdammt sexy! Seinem mageren, tätowierte Körper und seiner Gestik merkt man  die tänzerische und schauspielerische Ausbildung an. Orville Peck maskiert sich aber nicht, um sich zu verstecken. «Das ist der wahre Orville Peck, ich bin gerne etwas mysteriös», sagt er. Orville findet aber, das diese Maskerade keine Kunstfigur darstellt, genauso wie auch Dolly Parton keine ist. Beide sind sie überspitzte Versionen ihrer wahren Persönlichkeit, also eher Drag als Verkleidung.. Auch wenn sein geheimnisvolles Image sehr ansprechend ist und «instagrammable» (116’000 Followers!), ist es doch die Musik und seine Songs, die ihn verdientermassen im Galopp nach vorne bringen. Das er nicht einen Plattenvertrag bei einem Label in Nashville erhalten hat, ist klar. Seine Musik ist zu düster, zu schräg für den Mainstream. Das Alternativ-Plattenlabel SubPop hatte den richtigen Riecher und nahm in unter Vertag. Die Zeit ist reif für einen queeren Cowboy, besonders wenn er so schöne Songs schreiben und so grossartige Videos dreht wie «Hope To Die».


Lil’Nas X – Hip-Country-Hop

Wie Country gilt auch Hip Hop als wenig gayfriendly. Das diese beiden Stile von einem schwulen Musiker vermischt werden, der daraus einen der grössten Hits im 2019 produziert, ist bezeichnend. Es ist eben doch so, als sexueller Aussenseiter ist man eher bereit, neu Sachen auszuprobieren und Grenzen zu überschreiten. In Lil’Nas X Hit «Old Town Road» gibt es zwar keinen explizit schwulen Text, aber das sich der Sänger als schwul outete, als er mit dem Song in den US-Charts auf Platz 1 landetet, ist mutig und eine Pioniertat. Noch kontroverser diskutiert als sein Outing wurde, ob dieser Song «Country» genug ist für die Country-Charts. Das ein schwarzer, schwuler Sänger tatsächlich dort den ersten Platz besetzt, war eine kleine Revolution und dürfte einige konservative Country-Fans erschreckt haben. Doch Lil’Nas X erhält Unterstützung von Country-Star Billy Ray Cyrus, der Vater von Miley Cyrus, und anderen liberalen Country-Stars, die sich schon lange für LGBT-Anliegen und gegen das konservative Image von Country einsetzen.


Trixie mattel – Drag-Country-Queen

Brian Michael Firkus Drag-Figur Trixie Mattel wurde bekannte durch die Show RuPaul’s Drag Race. Wie bei jeder Drag Queen steckt auch bei ihr eine Geschichte hinter dem Dag-Namen. ‹Trixie› nannte Brians ausfälliger Stiefvater ihn, wenn sich Klein-Brain mal wieder ‹weibisch› benahm und ‹Mattel› kommt von Brians Obsession für Barbie-Puppen (Mattel ist der Hersteller dieser Puppen). Als Drag Queen zeichnet Trixie Mattel nicht nur ihr komödiantisches Talent und ihr signifikantes Make-up aus, sondern vor allem ihr Können als Sänger und Songwriter. Sie hat bereits drei Alben veröffentlicht. Ihr aktuellste Album ‹Barbara› kam im Januar 2020 raus. In den Videoclips, die sie zu drei Songs des Albums machte, durfte ihre Barbie-Sammlung das Publikum stellen. Ähnlich wie bei Trixies Vorbild Dolly Parton, darf man vom ‹trashigen› Äussern nicht auf den Inhalt schliessen. Brian schreibt für sein Alter Ego nämlich wunderbare Songs, welche die Themen eines schwulen Lebens nicht auslassen. Ihr Freund David Silver hat sogar eine Dokumentarfilm über Trixie Mattel produzierte. «Moving Parts» folgt Mattels ‹Aufstieg zum Ruhm und der anschliessenden Country-Musik-Karriere› sowie dem Leben nach ihrem Sieg in der dritten Staffel von «RuPaul’s Drag Race All Stars». Der Film befasst sich auch mit ihrem privaten Leben, einschliesslich der Kämpfe um Auftritte und Tourneen. «Moving Parts» gibt es auf Netflix zu sehen.

Orville Peck, Lil’Nas X und Trixie Mattel zeigen, was echte Cowboys sind. Rebellen die sich nicht anpassen, die gegen Widerstände kämpfen und ihren eigenen Weg gehen

 

DJ Ludwigs Queer Country Playlist

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