«Baghdad in My Shadow» bricht Tabus auf

Jetzt im Kino

Atheismus, Frauenrechte und Homosexualität: Der Film «Baghdad in my Shadow» thematisiert gleich drei Tabus in der irakischen Gesellschaft und strickt daraus eine packende Geschichte.

Eine Flucht in den Westen bedeutet nicht unbedingt ein Ende der Unterdrückung. Diese Erfahrung müssen der atheistische Dichter Taufiq, die selbstbestimme Architektin Amal und der schwule Informatiker Muhanad am eigenen Leibe machen. Sie sind die Hauptfiguren des neuen Films «Baghdad in my Shadow», der gerade in den Schweizer Kinos zu sehen ist.

«Ich war überrascht, wie sehr sich die Herausforderungen der einzelnen Figuren ähnelten», sagte Schauspieler Waseem Abbas, der im Film Muhanad spielt, gegenüber der MANNSCHAFT. «Der Film trägt hoffentlich dazu bei, dass sich das Publikum Gedanken über Identität, Zugehörigkeit und Freiheit macht.»

Dreh- und Angelpunkt des Spielfilms ist hauptsächlich das kurdische Café Abu Nawas in London, das von einem kommunistischen Ehepaar im Exil geführt wird und als beliebter Treffpunkt von Iraker*innen gilt. Amal arbeitet hier als Aushilfe, Taufiq liest Gedichte und Muhanad löst die Computerprobleme der technologisch Überforderten.

Die Konflikte sind vorerst harmlos. Muhanads britischer Freund möchte die Beziehung stolz und öffentlich leben und auch Amals neue Bekanntschaft versteht ihre Zurückhaltung nicht. Als Taufiqs Neffe zunehmend unter den Einfluss eines radikalen Predigers kommt, überschlagen sich die Ereignisse. Dann taucht auch noch Amals Ex-Mann auf – ein ehemals hoher Regierungsbeamter aus der Zeit des früheren Diktators Saddam Hussein –, der seine Frau zurückfordern will.

Regie führte Samir, ein Zürcher Filmemacher mit irakischen Wurzeln. Der Film feierte Premiere am diesjährigen Locarno Film Festival und erhielt daraufhin viel internationale Beachtung. Gegenüber der NZZ sagt Samir, dass es im irakischen Arabisch ein Wort gebe, das sowohl Erinnerung als auch Schatten bedeute. Für ihn war somit klar, dass der Film «Baghdad in my Shadow» heissen müsste. Schliesslich trage jede*r die eigene Geschichte immer mit sich, genauso wie den Schatten.

Nicht nur Homosexualität, sondern auch die Rechte der Frau sind im Irak ein heikles Thema. Zahraa Ghandour, die im Mittleren Osten als Moderatorin, Journalistin und Dokumentarfilmerin arbeitet, lehnte die Rolle der Amal zuerst ab. «Ich weiss, dass mir die Rolle viele Probleme einbringen wird», sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es sei der erste Film mit irakischen Schauspieler*innen, der sich gleich so vielen Tabuthemen widme. Als Veranschaulichung dient ein Beispiel aus ihrem Alltag im Mittleren Osten: Ein Mann müsse sie bei ihrer Arbeit als Dokumentarfilmerin stets begleiten. «Das ist ungerecht», sagt sie.

Für Waseem Abbas, der in Grossbritannien aufgewachsen ist, nur schwer verständlich. «Ich wünschte, es wäre kein Thema. Es macht doch keinen Sinn, die Gleichstellung von Mann und Frau überhaupt zu diskutieren!», sagt er. Als Kind, das in beiden Welten gross geworden ist, kann Waseem die kulturell bedingten Missverständnisse gut nachvollziehen, die im Film zwischen Muhanad und seinem Freund sowie zwischen Amal und ihrem Freund entstehen. Er erwähnt seine irakisch-stämmigen Eltern, die seinen Wunsch, Schauspieler zu werden, lange nicht nachvollziehen konnten. «Dabei sind es doch die Künste, die die Macht besitzen, Perspektiven zu ändern und Verständnis zu fördern.»

Text: Greg Zwygart

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