Dicktatorship

Humorvoller Dokumentarfilm über Machismo in Italien

Ein schwules Paar sucht nach dem Grund, weshalb Italien – und die ganze Welt – unter der Diktatur des Penis steht. Die witzige und lehrreiche Doku «Dicktatorship – Macho Made in Italy» läuft jetzt in der Cinematte.

Der Südtiroler Gustav Hofer und der Römer Luca Ragazzi sind seit 20 Jahren ein Liebespaar und sie arbeiten zusammen als Filmemacher. Jetzt läuft ihre neuste gemeinsamer Film im Kino an: «Dicktatorship – Macho Made in Italy». Diesen humorvollen Dokumentarfilm haben die beiden Männer kurz vor ihrer Hochzeit gedreht. Sie wollten wissen, wieso die Welt so schwanzgesteuert ist. Trump, Putin, Salvini, Erdogan und viele weiter starke Männer in der Politik, die frauenfeindliche und chauvinistische Ansichten vertreten, behaupten sich rund um den Globus. Angesichts dieses neuen Machismo, stellen Intellektuelle, Feministinnen, Aktivistinnen und viele andere die gleiche Frage: Wie ist das möglich?

Gustav und Luca kennen einen Ort auf der Welt, der helfen kann, Antworten auf diese Frage zu geben: Italien! Italien hat 887 Spitznamen für den Penis. Die Diktatoren und Latin Lovers – von Casanova bis Mussolini und Berlusconi – wurden ganz sicher von ihren Penissen angetrieben. Das schwule Paar wollte das globale phallozentrische System ergründen, rausfinden warum unsere Gesellschaft immer noch so penisgetrieben ist und was die drei sogenannten P’s wirklich verbindet: Penis, Power und Politik.

«Einen Penis zu haben, bedeutet, an einen Verrückten gekettet zu sein», schrieb Sophokles vor mehr als 2500 Jahren. Und er hat bis heute Recht.

«Unsere Gesellschaften wurden und werden oft von weissen, heterosexuellen Männern regiert, und jeder, der nicht in diesen Rahmen passt, wird weiterhin in die Box der ‹Minderheiten›gesteckt», stellen Gustav und Luca fest. «Mit diesem Film wollen wir dazu beitragen, Männlichkeit auf eine Weise neu zu definieren, in der es um Akzeptanz und nicht um Dominanz geht. Den Männern zu helfen, sich von ihrem ‹Verrückten› zu befreien».

Italien wird zur Fallstudie wenn Gustav und Luca die fünf Säulen untersuchen, von denen sie glauben, dass sie die Macht des Schwanzes stützen: das Bildungssystem, das politische System, die Medien, die Kirche und die Familie. Auf einer kaleidoskopischen, manchmal komischen und immer wieder überraschenden Reise, treffen sie sich mit den Menschen, deren Theorien helfen können, das Phänomen Penis zu erklären. Dabei setzt das Paar die Ironie als Waffe ein. «Wir sind der Meinung, dass Filme mehr erreichen können, wenn das Publikum Spass haben kann – auch wenn das Thema hart und ernst ist. Humor ist daher der Hauptbestandteil unserer Filme.»

Die Idee, einen Dokumentarfilm über den männlichen Chauvinismus zu drehen, schlummerte schon lange in ihnen. «Uns liegen Themen am Herzen, die unseren Alltag als Bürger direkt betreffen.» Ihre Dokumentarfilme sind stets autobiografisch geprägt. Der erste gemeinsame Film hiess «Schwulsein auf Italienisch» (2008). Im Film «Italy: Love it, or Leave it» (2011) machten sie einen Road-Trip durch das Italien der Berlusconi-Ära und im Film «What is Left?» (2014) beschäftigten sie sich mit der Situation der italienischen Linken und der Linken generell.

Frauenhass, Rassismus und Homophobie nehmen zu

In ihrer Heimat Italien habe sie beobachtet, wie die Angriffe auf Frauen sich häufen. Anstatt ein gleichberechtigtes Land zu werden, haben sie den Eindruck, dass Italien rückwärts gehen. Die Errungenschaften der Emanzipation in den 70er-Jahren werden heute in Frage gestellt. «Der Aufstieg der Social-Media hat diese frauenfeindliche Tendenz noch verstärkt, wobei Trolling-Angriffe gegen Frauen auf Twitter und Facebook zu einem universellen Problem wurden», halten sie fest. «Dies geschieht überall – nicht nur in Italien. Mit dem Ausbruch des Harvey-Weinstein-Skandals und der anschliessenden #MeeToo-Debatte, sind wir der Meinung, dass unser Film heute notwendiger denn je ist.». Sie denken, als schwule Männer sind sie in der richtigen Position, um einen Film zu diesem Thema zu drehen, gerade weil sie nicht der typische Alpha-Männertyp sind. Zudem belegen Studien, dass Frauenhass mit Rassismus und Homophobie einhergeht. «Wir sind der Meinung, dass es notwendig ist, eine Diskussion zu beginnen.»

Gustav Hofer und Luca Ragazzi diskutieren über die Diktatur des Penis.

Das ausgerechnet zwei Männer dieses Thema angehen, kam nicht nur gut an. «Wir bekamen sogar Absagen von etlichen Filmfestivals. Sie teilten uns mit, Auswahljuroren hätten sich ‹unwohl› dabei gefühlt, dass Männer so ein Thema aufgreifen. Dabei ist das ja gerade das Neue daran: Dass Männer sagen, wir Männer müssen endlich einsehen, dass der Machismo Ursache sehr vieler Probleme ist. Und dass wir eine andere Art finden müssen, Mann zu sein», erzählte Gustav Hofer der Frankfurter Rundschau und Luca Ragazzi ergänz: «Interessanterweise haben viele der Festivals, die uns doch eingeladen haben – Brüssel und Santiago de Chile etwa – eine Frau als Direktorin.». Dabei sollte doch klar sein, dass man den Penis lieben muss um ihn zu verstehen und auch darüber lachen zu können und das insbesondere Schwule am besten wissen, dass der Penis nicht ein Zepter sondern ein Zauberstab ist. Wieso sollten nicht zwei Schwule der (Hetero-)Männerwelt zeigen, wie dieser Kompass der Liebe neu ausgerichtet werden kann, weg vom Machismo hin zu einer liebevollen Gesellschaft.

«Dicktatorship – Macho Made in Italy» von Gustav Hofer und Luca Ragazzi bietet Diskussionsstoff aber es gibt auch viel zu lachen im Film über die Diktatur des Penis. «Das Schöne ist», erzählt Luca, «dass die Leute nach der Vorstellung angeregt über das Thema debattieren. Wir selbst tun das übrigens auch nach wie vor (lacht). Viele Zuschauer sagen auch, sie hätten etwas gelernt.»

Der Film läuft am 20., 21., 29. Dezember, 3. und 10. Januar in der Cinématte in Bern.
Programm auf https://www.cinematte.ch

Trailer

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